Am Mittwoch, den 15. November sollte eigentlich ein Urteil gesprochen werden. Doch das Gericht sah sich noch nicht in der Lage dazu. Die Bürgerbewegung gegen das "Bombodrom" in der Kyritz-Wittstocker Heide muss sich noch vier Wochen gedulden. Die Chancen auf einen Erfolg sind immer noch gut. Über die "Bombige Hängepartie" hieß es am 17. November in einem kurzen Prozessbericht in der jungen welt:
»Hier werden heute Arbeitsplätze vernichtet.« Mit grimmigen Mienen betraten auch Befürworter der Bundeswehr-Präsenz in der Kyritz-Wittstocker Heide am Donnerstag den Gerichtssaal in Berlin. Doch die Anhänger der Bürgerinitiative FREIe HEIDe, die seit acht Jahren gegen das geplante Bombodrom kämpft, waren deutlich in der Mehrheit. Sogar ein kleines Streichquartett hatte sich vor dem Gerichtsgebäude postiert, um neben allerlei gefälliger Klassik auch die Hymne der BI darzubringen.
Der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichtes hatte über den Revisionsantrag der Bundeswehr gegen ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Frankfurt/Oder vom März 1999 zu entscheiden. In diesem Urteil wurde der Bundeswehr untersagt, den Truppenübungsplatz ohne ein entsprechendes Planfeststellungsverfahren zu betreiben. Geklagt hatten die beiden Anliegergemeinden Rossow und Schweinrich. Das Gericht hatte bemängelt, daß die Interessen der Gemeinde nicht ausreichend berücksichtigt worden seien.
Die Bundeswehr steht jedoch auf dem Standpunkt, daß es sich bei dem geplanten Luft-Boden-Schießplatz nicht um eine neu einzurichtende Anlage handelt, sondern um die Übernahme einer bereits bestehenden. Ihr Vertreter Dr. Diesselberg begründete dies unter anderem mit entsprechenden Passagen aus dem deutsch-deutschen Einigungsvertrag von 1990 und aus den bilateralen Vereinbarungen mit der Sowjetunion über die zeitweilige Nutzung und spätere Übergabe militärischer Liegenschaften auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Die Sowjetarmee hatte das Gelände seit Anfang der 50er Jahre als Bombenübungsgelände benutzt, wobei bis zu 24 000 Einsätze pro Jahr geflogen wurden.
Rechtsanwalt Geulen, der Vertreter der klagenden Gemeinden, mochte dieser Sichtweise nicht zustimmen. Die für diese Auslegung zwingend vorgeschriebene Kontinuität der Nutzung sei ebensowenig gegeben wie die Erfüllung elementarster verwaltungsrechtlicher Mindeststandards. Durch die geplante Nutzung seitens der Bundeswehr werde den betroffenen Kommunen ihre Planungshoheit unzulässig beschnitten. Zwingend notwendige Anhörungen der Betroffenen hätten ebenfalls nicht stattgefunden. Es sei doch wohl eher ein Witz, wenn die Bundeswehr die Wortmeldung eines Offiziers bei einer PDS-Veranstaltung als »Anhörung« bezeichne. Geulen betonte auch die »hohe Grundrechtsrelevanz« des Verfahrens, aufgrund der massiven Belastungen der Bürger im Falle der Errichtung eines Bombodroms.
Anschließend trat das Gericht mit den Vertretern in die sogenannte »Rechtsdiskussion« ein, in der die unterschiedlichen Positionen genauer juristisch spezifiziert werden können. Die Hoffnung vieler Besucher auf ein Urteil des obersten Verwaltungsgerichtes erfüllte sich leider nicht. Man wollte die Beratung zwar noch am Donnerstag beenden, die Urteilsverkündung wird aber erst in einigen Wochen, vermutlich am 14. Dezember, erfolgen.
Rainer Balcerowiak
Aus: junge welt, 17. November 2000