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Ab 20. Oktober 2002

Friedensbewegung in den Medien

Die Tageszeitung taz legte am 25. Oktober noch einmal nach mit zwei Berichten zu den bevorstehenden Aktionen der Friedensbewegung. Der erste Artikel erschien im politischen Teil, der zweite im Berliner Lokalteil (nicht in der überregionalen Ausgabe enthalten).


Keine Demo für die Regierung

... BERLIN taz Gerhard Schröder ist gegen den Krieg. SPD und Grüne sind gegen den Krieg. Die Friedensbewegung ist natürlich sowieso gegen den Krieg. Wird der deutschlandweite Aktionstag gegen die Kriegspläne der USA also zu einer Demo für die Regierung?

"Nein", sagt Peter Strutynski vom Bundesausschuss Friedensratschlag. "Nein", sagt auch der innenpolitische Sprecher der SPD. Dieter Wiefelspütz kann sich "nicht vorstellen", dass einer der SPD-Bundestagsbgeordneten am Samstag auf die Straße geht. Denn, so Wiefelspütz zur taz: "Die Position, die in den Aufrufen wiedergegeben wird, ist nicht die Position der Bundesregierung."

Nur in einem Punkt stimmt er den Friedensaktivisten zu: "Deutschland wird an einer kriegerischen Auseinandersetzung mit dem Irak nicht teilnehmen." Die übrigen Forderungen gehen dem SPD-Politiker zu weit. "Keinerlei Beteiligung am Krieg!", heißt es im Aufruf für die mutmaßlich größte Demo in Berlin. Die Veranstalter verlangen deshalb den "sofortigen Abzug aller Soldaten und Militärtechnik aus der Golfregion" und "keine Gewährung von Überflugrechten für Militärmaschinen und von Nutzungsrechten an militärischen Einrichtungen".

Von solchen Festlegungen will Wiefelspütz nichts wissen. Die Nutzung der US-Einrichtungen sei nicht zu verhindern. "Daran gibt es nichts zu rütteln." Auch ein sofortiger Abzug der deutschen Spürpanzer aus Kuwait komme nicht in Frage. Darin seien sich SPD und Grüne im Bundestag einig. Dass die Jusos zur Demo aufrufen, will Wiefelspütz "nicht kommentieren". Juso-Chef Niels Annen sagte der taz, er teile die Forderung nach einem Abzug der Panzer. In den Demos sieht er aber "eher eine Unterstützung" für die klare Haltung gegen den Irakkrieg als Protest.

Nur ein Bundestagsabgeordneter der Regierungsfraktionen hat bisher sein Erscheinen angekündigt. Es ist der übliche Verdächtige: Christian Ströbele. Der frisch gewählte Fraktionsvize wird am Samstag als Redner in Berlin auftreten. Ob andere Grüne mitdemonstrieren, wisse er nicht, sagte Ströbele der taz. Er habe mit keinem Kollegen darüber gesprochen. Auch die grünen Pressestellen in Bundestag und Parteizentrale waren gestern überfragt. "Da müssen Sie im Büro Ströbele anrufen", hieß es.

Die Zurückhaltung der Grünen zeigt sich auch darin, dass die Partei auf ihrer Homepage mit keinem Wort auf die Demos hinweist. Dabei hatte der Grünen-Parteitag am vergangenen Wochenende einen Antrag angenommen, der zur Teilnahme ausdrücklich aufruft. Strutynski freute sich deshalb bereits, dass die Grünen "sozusagen in den Schoß der Friedensbewegung zurückkehren wollen". Dies gilt neben Ströbele aber offenbar nur für Kommunal- und Landespolitiker der Grünen.

Entsprechend gelassen reagiert die SPD: "Was die Grünen machen, müssen sie selbst verantworten", sagte Wiefelspütz. "Mich interessiert das Verhalten der bündnisgrünen Fraktion im Parlament - und da sind sie ein verlässlicher Partner." Wie verlässlich, wird sich schon Mitte November bei der Verlängerung des Antiterroreinsatzes zeigen.

Friedensaktivist Strutynski hat ein anderes Problem. Ein Mobilisierungsproblem. Die Unterschiede zur Regierung ließen sich "nur schwer vermitteln", so Strutynski. Angekommen sei vor allem das klare Nein des Kanzlers zum Irakkrieg. "Wenn das Volk mit der Regierung einer Meinung ist, sehen viele nicht die Bedeutung einer Demonstration." Die Teilnahmerzahl wagt er nicht zu schätzen. Hunderttausende wie in Italien oder Großbritannien werden es jedenfalls nicht.

LUKAS WALLRAFF taz, 25.10.2002

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Kleiner Protest ganz groß von JÜRGEN SCHULZ und TILL BELOW

... Die "Achse des Friedens" gibt sich euphorisch. 20.000 bis 30.000 Teilnehmer erwarten die darin zusammengeschlossenen Berliner Initiativen morgen bei den Protestveranstaltungen gegen den drohenden Irakkrieg in Berlin. Dennoch ist dieses Mal vieles anders. Hundertausende Demonstranten wie kürzlich in Großbritannien und Italien werden nicht erwartet, eine zentrale bundesweite Demonstration in Berlin findet nicht statt. Stattdessen sind dezentrale Aktionen in etwa 70 Städten der ganzen Republik geplant, die Teil weltweiter Proteste von Friedensaktivisten in Asien, Australien und zahlreichen europäischen Ländern sind. Sie wollen Solidarität mit der Antikriegsbewegung in den USA demonstrieren.

"Ich habe mich gefreut, zum ersten Mal in meinem Leben mit dem Strom zu schwimmen. Das ist eine neue Erfahrung, als linke Gruppe eine übergroße Mehrheit zu finden", sagt Peter Strotmann von Attac, Mitorganisator des Protestes. Er meint den Umstand, dass die Friedensbewegung - anders als beim Kosovokrieg - mit der Bundesregierung weitgehend einer Meinung ist. Am Samstag könnten also Schröder, Fischer und Ströbele Seite an Seite mit PDSlern, Autonomen und Gewerkschaftern demonstrieren.

Aber dem Friedensgeläut der Bundesregierung bringen die Friedenaktivisten auch Skepsis entgegen. "Der Beitrag Deutschlands gegen einen Krieg muss deutlicher ausfallen", meint Peter Strutynski vom Kasseler Friedensratschlag, der bundesweit die Proteste koordiniert. Beispielsweise solle Kriegsflugzeugen aus den USA die Überflugsrechte über deutsches Territorium und damit auch die Nutzung der Airbases verweigert werden.

Dennoch, der neuerliche Schulterschluss der Regierung mit der Friedensbewegung könnte ein Grund für die verhaltene Stimmung im Hinblick auf die Antikriegsaktionen in Berlin sein - trotz des breiten politischen Bündnisses gegen den Krieg. "Wir haben eine andere historische Situation als noch beim Golfkrieg 1991/92", erklärt Peter Strotmann. Auch Peter Strutynski räumt ein, es sei "schwer, für eine bundesweite Aktion zu mobilisieren, wenn die Bundesregierung weitgehend die Forderungen der Friedensbewegung unterstützt. Deshalb haben wir davor gewarnt, wieder eine bundesweite Demonstration in Berlin zu machen." Über diesen Punkt wurde im Vorfeld innerhalb der Friedensbewegung heftig diskutiert.

Doch die Vorbereitungen für den morgigen 26. Oktober begannen spät. In Berlin kümmerten sich seit Ende September zunächst acht Ehrenamtliche um die Organisation. Laura von Wimmersperg von der Friedenskoordination Berlin warnt davor, die Möglichkeiten der Berliner Friedensgruppen zu überschätzen: "Wir hatten erst Ende Mai die Anti-Bush-Demonstrationen. Das hat sehr viel Kraft gekostet. Wir machen das ja alles nebenher. Wir sind einfach nicht in der Weise organisiert wie in den Achtzigerjahren, als jeder Bezirk eine intakte Friedensorganisation hatte." Manchmal ermangele es auch einfach noch der bundesweiten Koordination.

Ein weiteres Problem für die Friedensfreunde ist die neue Unübersichtlichkeit in der Linken. Einige so genannte antideutsche Gruppen planen sogar Gegenaktionen zur Antikriegsdemo. Ausschließlich die US-Interessenpolitik werde von den Kriegsgegnern thematisiert, so das Credo der "Antideutschen". Dass die Bundesregierung den Krieg aus eigenen geostrategischen Gründen ablehne, werde nicht gesehen. Die Friedensbewegung unterstütze so deutsche Interessen, das herrschende Regime im Irak und weltweit islamistische Kräfte. Die Zeitschrift Bahamas fordert sogar "Krieg dem Baath-Regime, Waffen für Israel!"

Strutynski findet das völlig absurd: "Der Protest gegen den Irakkrieg ist nicht gleichzusetzen mit Solidarität zu Saddam Hussein." Der Friedensbewegung gehe es vielmehr um die Bevölkerung, der ein neuer Golfkrieg erneut sehr viel Leid bringen würde.

taz Berlin lokal, 25.10.2002

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Präventiver Protest
Die Friedensbewegung kämpft gegen einen Irakkrieg. Am Samstag auch mit zahlreichen Aktionen in Berlin

Auch in Berlin laufen die Vorbereitungen für die Protestaktionen gegen einen drohenden Irakkrieg auf Hochtouren. Die Veranstaltungen sind Teil des Aktionstags in mehr als 50 deutschen Städten am kommenden Samstag. In Berlin sind neben der Auftaktveranstaltung am Alexanderplatz (Beginn 14 Uhr) mit anschließendem Protestmarsch auch eine Podiumsdiskussion und ein interreligiöses Gebet geplant. Bei der Abschlusskundgebung am Gendarmenmarkt werden unter anderem ein Sprecher der US-Friedensinitiative A.N.S.W.E.R. und der Grünen-Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele sprechen. Veranstalter sind die Berliner "Achse des Friedens und der "Bundesausschuss Friedensratsschlag".

Die Dachorganisationen von etwa 250 Gruppen der Friedensbewegung wollen mit den Aktionen gegen "die Kriegspolitik von US-Präsident Bush" protestieren, wie Peter Strutynski, Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, gestern erläuterte. Das Regime Saddam Husseins solle auf diese Weise jedoch nicht unterstützt werden, sondern das irakische Volk. Doch könne ein Krieg einen "Flächenbrand von Gewalt und Krieg" im Nahen Osten entfesseln.

Außerdem will die Friedensbewegung auch ihre Solidarität mit der Antikriegsbewegung in den USA zeigen. Die hatte unter dem Motto "Verhindert den Krieg, bevor er beginnt" als Erste zum "Global action day" am 26. Oktober aufgerufen, weitere Aktivisten aus aller Welt folgten dem Aufruf. "Die Unterstützung wächst von Tag zu Tag", beschrieb Hans-Peter Richter von der "Achse des Friedens" die Stimmung in den USA, weshalb nun auch hierzulande Druck ausgeübt werden müsse. Schließlich sei offen, ob die deutsche Bundesregierung ihr Wort gegen einen Irakkrieg halte.
JÜRGEN SCHULZ taz Berlin lokal, 24.10.2002

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Bündnis macht gegen Irak-Krieg mobil
Demonstration am kommenden Samstag


Wie in zahlreichen deutschen Großstädten wollen Parteien, Gewerkschaften und Friedensorganisationen am kommenden Sonnabend auch in der Hamburger Innenstadt gegen einen drohenden Irak-Krieg demonstrieren. Zu der Teilnahme an dem Protestzug, der sich um 12 Uhr beim Kriegsdenkmal am Stephansplatz sammelt, haben das „Hamburger Forum“, die GAL, der DGB sowie Verdi aufgerufen. Neben Verdi-Chef Wolfgang Rose wird die Theologin Dorothee Sölle sprechen. Mit der Demonstration wollen die Initiatoren der amerikanischen Friedensbewegung den Rücken stärken. Sie betonen, ihr Protest dürfe nicht mit einer Solidaritätsadresse an Saddam Hussein gleichgesetzt werden. inga

Die Welt, 24.10.2002

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Proteste am Wochenende gegen drohenden Irak-Krieg
Aktionen in über 50 deutschen Städten geplant


Mit Aktionen in mehr als 50 deutschen Städten wollen Kriegsgegner und Globalisierungskrititker am Samstag gegen einen möglichen US-Angriff auf Irak protestieren. Die Mahnwachen und Demonstrationen sollen die Bundesregierung zu konkretem Handeln gegen die Pläne der USA veranlassen, teilte ein Sprecher der Veranstalter in Berlin mit. Dazu zählen demnach der Abzug der in der Golfregion stationierten Soldaten, Spürpanzer und Kriegsschiffe.

Die Regierung soll den USA außerdem die Nutzung von US-Stützpunkten in Deutschland sowie Überflugrechte über deutsches Territorium verwehren. Zugleich wird die UN-Forderung nach Wiederaufnahme der Waffeninspektionen in Irak unterstützt.

Zu den Veranstaltern zählen neben verschiedenen Organisationen der Friedensbewegung auch Gewerkschaften, die PDS, kirchliche Verbände und das globalisierungskritische Attac-Netzwerk. Jungsozialisten und Teile der grünen Basis unterstützen die Proteste. Zur erhofften Teilnehmerzahl der dezentral organisierten Aktionen wollten die Veranstalter keine Angaben machen. Die größte Demonstration soll am Samstagnachmittag auf dem Berliner Alexanderplatz stattfinden. Im Wahlkampf hatte sich Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) gegen jede Beteiligung an einem möglichen Irak-Krieg ausgesprochen.

Der deutsche Aktionstag ist Teil weltweiter Proteste, die Friedensbewegungen in Asien, Australien und zahlreichen europäischen Ländern aus Solidarität mit der Anti-Kriegs-Bewegung in den USA angekündigt haben. Diese plant am Samstag in Washington und San Francisco Kundgebungen, an denen laut Veranstaltern mehrere hunderttausend Menschen teilnehmen sollen. In Großbritannien und Italien hatten bereits in den vergangenen Wochen Hundertausende gegen einen drohenden Irak-Krieg protestiert.

Freie Presse Online, 24.10.2002

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Friedensdemos in 50 Städten

Es sind erst fünf Leute da, da hängen schon drei Baskenmützen an der Garderobe: Die Friedensbewegung lädt am Mittwoch zur Pressekonferenz in Berlin - und am Samstag zu Demos in mehr als 50 deutschen Städten.

Weltweit wird dann gegen den geplanten US-Angriff auf den Irak protestiert, rufen Pazifisten, Gewerkschafter, Kirchen und Globalisierungskritiker: "Stoppt den Krieg, bevor er beginnt." Laura von Wimmersperg von der "Achse des Friedens" freut sich besonders über den Zuspruch junger Leute: "Wir alten Kämpfer sind ja ein wenig müde." Der Nachwuchs sei nicht mehr "so emotional".

Attac etwa hat erst die Weltwirtschaft analysiert und prangert nun an, dass ein Krieg bestehende Ungerechtigkeiten zementieren solle. Nicht um Demokratie gehe es den USA, so Peter Strotmann, sondern um "die Kontrolle der Öl-Reserven". Attacler Strotmann ist keiner der Neulinge, hat vielmehr schon 1968 "dem anderen Amerika geholfen, den Vietnamkrieg zu stoppen". Sagt, dass man auch diesmal die friedliebenden Kräfte in den USA durch die Demos stärken wolle. Er freue sich, dass Jusos und Grüne dabei helfen, dass auch die Bundesregierung den Krieg ablehne.

Allerdings müsse sie nun auch handeln, müsse Panzer und Kriegsschiffe aus der Region abziehen, Überflugrechte verweigern.

Von WAZ-Korrespondentin Christina Wandt, Berlin

WAZ, 24.10.2002

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Uneingeschränkte Solidarität
Vor Aktionen am Samstag: Friedensbewegung sieht sich eins mit der Mehrheit in Europa und den USA
Von Jana Frielinghaus


»Es ist das erste Mal in meinem Leben, daß ich das Gefühl habe, mit dem Strom zu schwimmen«, sagt Peter Strotmann. Nie hätten die Aktivisten der Friedensbewegung so viel Zustimmung erfahren wie bei der Ablehnung eines neuerlichen US-Feldzugs gegen den Irak, so der ATTAC-Vertreter am Mittwoch in Berlin anläßlich des bevorstehenden weltweiten Aktionstages gegen den drohenden Krieg. Laura von Wimmersperg, seit mehr als 30 Jahren unermüdliche Kämpferin für den Frieden, sieht vor allem in der starken Beteiligung junger Menschen an den Antikriegsaktionen der vergangenen Monate eine »neue Qualität« der Friedensbewegung. Dabei macht ihr vor allem die Tatsache Hoffnung, daß die Jugendlichen »sehr informiert« und sehr überlegt in ihrem Handeln seien. Dennoch sind die Organisatoren des Protesttages am 26. Oktober realistisch, was die Beteiligung an den Demonstrationen betrifft. Zwar seien mehr als 60 Prozent der Bundesbürger gegen einen Krieg im Irak, doch es fehle ein so konkreter Anlaß wie der Besuch von US-Präsident Bush im Mai diesen Jahres. Zudem sei die Bundesregierung anders als im Fall Afghanistan – zumindest verbal – weiter auf Antikriegskurs, so daß die Notwendigkeit, auf die Straße zu gehen, von vielen nicht gesehen werde.

Umso eindringlicher von Wimmerspergs Appell an die Medien, die Friedensbewegung zu unterstützen. »Was uns bevorsteht, ist Wahnsinn«, fürchtet Peter Strotmann. Dies solle auch das Motiv des ATTAC-Plakates symbolisieren, das einem Gemälde von Max Ernst entlehnt ist und das Monstrum des Krieges zeigt. Die beabsichtigte Invasion im Irak sei der »Versuch einer rechtsradikalen Strömung in der US-amerikanischen Regierung«, die Kontrolle über die Ölressourcen in diesem Gebiet zurückzuerobern. Hier sieht Strotmann auch die größte Chance, daß der Krieg verhindert wird. Denn in diesem Fall sprechen massive ökonomische Interessen der europäischen Wirtschaft gegen den Krieg. Umso wichtiger ist es nach Ansicht von Wimmerspergs, daß mit machtvollen Kundgebungen der Wille der Mehrheit der Bevölkerung zum Ausdruck gebracht wird – damit sich die Bundesregierung nicht doch dem US-amerikanischen Druck beuge.

Die Friedensaktivisten sind erfreut, daß sich nun Teile der Grünen und der SPD – der JuSo-Bundesvorstand ruft mit zur Demonstration am Samstag in Berlin auf – wieder in die Friedensbewegung eingereiht haben. Gleichzeitig sei es »niemandem zu vermitteln, daß die Bundeswehr mit ihren Spürpanzern in Kuwait und mit ihrer Marine im Persischen Golf bleibt«, betonte Peter Srutynski, Sprecher des Friedensratschlags Kassel. Die Friedensaktivisten verlangen von der Bundesregierung unter anderem, US-Militärmaschinen keine Überflugrechte im Kriegseinsatz zu gewähren.

Die Veranstalter des Aktionstages legten Wert auf die Feststellung, daß der Protest gegen den Irak-Krieg nicht gleichzusetzen sei mit einer Solidarität mit dem Regime von Saddam Hussein. Aber ein neuer Golfkrieg werde noch größeres Leid über die Menschen im Irak bringen. Bereits dem zweiten Golfkrieg 1991 seien 200000 Zivilisten zum Opfer gefallen, betonte Strutynski. Und das seitdem geltende Wirtschaftsembargo habe nach Berechnungen von UNICEF allein 500000 irakische Kinder das Leben gekostet. Zudem bestehe die schreckliche Gefahr, daß ein neuer Krieg im Nahen Osten einen »unkontrollierten Flächenbrand« entfessele und damit auch die Sicherheit Israels gefährde.

Laura von Wimmersperg zeigte sich enttäuscht darüber, daß es bisher nicht möglich gewesen sei, mit Vertretern der Bundesregierung einen Termin und Ort zu vereinbaren, an dem etwa 80000 Unterschriften gegen den drohenden Irakkrieg und für die Auflösung der Krisenreaktionskräfte der Bundeswehr übergeben werden können. Diese Unterschriften wurden in den letzten Wochen und Monaten im ganzen Land gesammelt. Überall in den Bundesministerien sei ihr Zynismus, bestenfalls Unsicherheit, begegnet, niemand habe sich zuständig gefühlt. Die Friedensbewegung bestehe aber weiterhin darauf, den Appell und die Unterschriften direkt bei der Bundesregierung abzugeben.

Kundgebungen werden am Samstag in mehr als 60 Städten der Bundesrepublik stattfinden – parallel zu Aktivitäten in der ganzen Welt. Mit dem Termin soll insbesondere die »uneingeschränkte Solidarität« mit der erstarkenden Friedensbewegung in den USA demonstriert werden, erklärte Hans-Peter Richter vom Deutschen Friedensrat. In Washington und San Francisco werden an diesem Tag Hunderttausende Menschen gegen die Kriegspolitik von Präsidenten Bush demonstrieren.

junge Welt, 24. Oktober 2002

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in kürze
DIE WELT PROTESTIERT
Demos gegen Irakkrieg


Friedensgruppen, Gewerkschaften und Parteien haben für Samstag zu bundesweiten Demonstrationen gegen einen Krieg im Irak aufgerufen. Parallel zu Protesten in den USA sind in 100 deutschen Städten Kundgebungen geplant. Berlin erwartet 30.000 Teilnehmer. (dpa)

taz Nr. 6886 vom 24.10.2002

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Friedensbewegung ruft zu Protesten gegen Irak-Krieg
Internationaler Aktionstag am Samstag / Rot-Grün soll beim »Nein« bleiben


Mit Aktionen in mehr als 50 deutschen Städten will sich die Friedensbewegung am kommenden Samstag am internationalen Aktionstag gegen eine drohende US-Invasion in Irak beteiligen.

Berlin (ND-Strohschneider). Auch in Washington und San Francisco werden an diesem Tag Hunderttausende Menschen ein Jahr nach dem Beginn der Bombardements auf Afghanistan und der Unterzeichnung des Anti-Terror-Maßnahmenpakets Patriot Act durch die US-Regierung gegen einen Militärschlag gegen Irak protestieren, sagte der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, Peter Strutynski, am Mittwoch in Berlin. Initiativen aus aller Welt wollen den Aktionstag »aus Solidarität mit der US-Anti-Kriegsbewegung« zu einer internationalen Manifestation für den Frieden machen. Zu den Aktionen rufen neben der Friedensbewegung auch zahlreiche NGO, Gewerkschaftsgruppen, kirchliche Verbände und Parteigliederungen auf. Strutynski begrüßte insbesondere »die Rückkehr von Grünen und Jusos« in die Friedensbewegung. Auch die PDS rief Mitglieder und Sympathisanten zur Teilnahme am Protesttag auf. Wolfgang Gehrcke vom Bundesvorstand der demokratischen Sozialisten forderte dazu auf, durch Massenproteste die Einhaltung rot-grüner Wahlversprechen durchzusetzen.

SPD und Grüne hatten sich bislang gegen eine Beteiligung an einer Irak-Intervention ausgesprochen. Allerdings erwarte man »nicht nur populäre Worte gegen den Krieg, sondern auch Taten«. So sei es niemandem zu vermitteln, dass deutsche Truppen weiterhin in der Krisenregion stationiert seien. Wer einen Krieg politisch für falsch und militärisch für gefährlich halte, so Strutynski, dürfe ihn auch nicht indirekt unterstützen. Friedensaktivisten fordern daher, der US-Armee jedwede Unterstützung, auch logistischer Art, etwa durch Überflugrechte, zu verweigern. Die Bundesregierung habe in dieser Frage die große Mehrheit der deutschen und europäischen Bevölkerung hinter sich. Auch in anderen Ländern wachse der Widerstand gegen die Kriegspolitik der USA.

Strutynski machte darüber hinaus darauf aufmerksam, dass das drohende »Militärabenteuer« keinesfalls mit dem von der US-Regierung beanspruchten Kampf für Freiheit und Demokratie übereinstimme. Der befürchtete Bruch des Völkerrechts durch die USA bedürfe auch im Hinblick auf ökonomische Belange der Kritik. Irak beherbergt die zweitgrößten bekannten Ölvorkommen der Welt.

Die Organisatoren der Proteste erklärten, dass die Aktionen gegen einen drohenden Krieg nicht mit einer Solidarität für den irakischen Regimechef Saddam Hussein gleichzusetzen seien. Vielmehr gehe es um die Solidarität mit den dort lebenden Menschen. Ein erneuter Militärschlag würde nach Auffassung Strutynskis das Leid der ohnehin schwer gezeichneten irakischen Bevölkerung noch mehr vergrößern. Das seit zwölf Jahren andauernde Wirtschaftsembargo hat nach Angaben der UN-Kinderhilfsorganisationen Unicef allein 500000 irakische Kinder das Leben gekostet. Es sei zudem zu befürchten, so Strutynski, dass sich die explosive Lage im arabischen Osten durch einen Krieg gegen Irak zu einem Flächenbrand ausweiten könne. Auch die Sicherheit Israels stünde dann auf dem Spiel.

Neues Deutschland, 24.10.2002

(Des Weiteren dokumentierten das ND und die junge Welt die Liste der Veranstaltungen der Friedensbewegung zum 26.10.2002)

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Proteste gegen US-Irakpolitik
Friedensbewegung will keine Überflugrechte für Militärjets
Von Pitt von Bebenburg


Die deutsche Friedensbewegung beteiligt sich mit Aktionen in vielen Städten am internationalen Protesttag gegen einen möglichen Irak-Krieg. Sie fordert von der Regierung, den US-Jets in Ramstein und Frankfurt keine Überflugrechte zu gewähren.

BERLIN, 23. Oktober. Teile der rot-grünen Regierungsparteien beteiligen sich an diesem Samstag an den Protesten der Friedensbewegung gegen einen Angriff auf Irak. Jungsozialisten sowie örtliche Parteigliederungen von SPD und Grünen rufen gemeinsam mit PDS, Gewerkschaften, kirchlichen Verbänden und den Globalisierungskritikern von Attac zu Demonstrationen und Mahnwachen in ganz Deutschland auf. Bei der Kundgebung am Berliner Gendarmenmarkt zählt der Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele (Grüne) zu den Rednern. Manche Vertreter der Friedensbewegung befürchteten im Vorfeld, man könne zu regierungsnah erscheinen. "Wir halten uns immer entfernt von den Parteien", betonte hingegen Organisatorin Laura von Wimmpersperg.

Von der Bundesregierung "erwarten wir nicht nur populäre Worte gegen den Krieg, sondern Taten", forderte Peter Strutynski für den Bundesausschuss Friedensratschlag. Berlin dürfe einen Krieg nicht indirekt unterstützen. Deswegen dürfe sie den US-Militärmaschinen im Kriegseinsatz keine Überflüge gestatten und die US-Armee nicht durch erhöhte Truppenkontingente in Afghanistan oder auf dem Balkan entlasten. Eine außenpolitische Isolation müsse die Bundesrepublik dadurch nicht fürchten, da die USA mit ihrer Kriegspolitik alleine stehe.

Umstritten war in der deutschen Friedensbewegung, ob es eine bundesweite Protestkundgebung geben solle. Deshalb entschied man sich für dezentrale Aktionen in mehr als 50 Orten. Die Veranstaltungen in Deutschland fügen sich ein in eine Reihe von Protesten, die von Japan bis Mexiko, von Indien bis Spanien reichen. In den USA rief die Friedensbewegung zu Großdemonstrationen nach Washington und San Francisco auf.

Attac-Sprecher Peter Strotmann warnte davor, ein Angriff der USA auf Irak wäre "Wahnsinn". Er glaubt, daraus "könnte auch der dritte Weltkrieg" folgen. Strotmann sagte, das Vorgehen Washingtons richtete sich indirekt auch gegen Europa. Er verwies auf Berichte, denen zufolge die USA "die Ölquellen direkt unter ihre Kontrolle" bringen wollten.

Frankfurter Rundschau, 24.10.2002


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