Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

15. bis 17. Februar 2003

Friedensbewegung in den Medien

Die "Netzeitung" berichtete am 17. Februar von weiteren Reaktionen auf die gigantischen Friedensdemonstrationen vom Wochenende. Die britische Regierung wird sich wohl noch etwas einfallen lassen müssen, wenn sie bei ihrem Kriegsunterstützungskurs bleiben will.

Die Kriegsgegner, die am Wochenende überall auf die Straßen gegangen waren, will auch die britische Regierung nicht ganz ignorieren. Der britische Außenminister Jack Straw sagte am 17. Februar, ein Krieg ohne öffentliche Unterstützung sei "sehr schwierig". Man müsse die öffentliche Meinung berücksichtigen, sagte Straw sagte der BBC. "Natürlich ist es für eine Regierung einfacher, mit ihrem Land in den Krieg zu gehen, wenn sie die Öffentlichkeit eindeutig hinter sich hat." (...)
Netzeitung, 17.02.2003

***

Beherrschendes Thema der Presse an diesem Wochenende waren die weltweiten Proteste gegen den drohenden US-Krieg gegen Irak. (Siehe hierzu die Sonderseite zur bundesweiten Demonstration in Berlin


In der Wiener Zeitung "Der Standard" gab es in der Online-Ausgabe am 16. Februar bereits einen kleinen Überblick über Demonstrationen in aller Welt.

Hier die offiziellen Teilnehmerzahlen der wichigsten Städte (Angaben der Veranstalter, falls abweichend, in Klammern):
  • London: Über eine Million (1,5 Millionen)
  • Rom: Über eine Million (3 Millionen)
  • Berlin: 500.000
  • Paris: 200.000 (laut Veranstalter, keine Polizeiangabe)
  • Athen: 200.000
  • Melbourne: 150.000
  • New York: 100.000 (erwartet)
  • Oslo: 60.000
  • Beirut: 60.000
  • Stuttgart: 50.000
  • Kopenhagen: 50.000
  • Sevilla: 50.000
  • Amsterdam: 40.000
  • Stockholm: 30.000
  • Bern: 30.000
  • Wien: 15.000 (30.000)
  • Helsinki: 12.000
  • Brüssel: 11.000
  • Bagdad: Hunderttausende (laut TV-Sender Al Jazeera)
  • Kairo: Zehntausende (laut Medienberichten)
  • Damaskus: Zehntausende (laut Medienberichten)
  • Tel Aviv: Mehr als 3.000 (Information von Gush Shalom)

Berlin

Unter dem Titel "Anschwellender 'No'-Gesang" berichtete Pitt von Bebenburg in der Frankfurter Rundschau über die Berliner Demo. Auszüge:

Nach Mitternacht konnten sich die Friedensfreunde aus Frankfurt, Fürth und Leipzig endlich von oben sehen. Mehr als 20 Stunden lang waren sie auf den Beinen gewesen für jene Momente, die ihnen nach endlosen Busfahrten das Fernsehen nach Hause übermittelte: Ein Meer von Demonstranten, vom Brandenburger Tor bis zur Siegessäule, kilometerlang, und sie selbst mitten drin. Vielleicht ist ihnen da aufgegangen, dass sie Stunden zuvor Teil der größten Friedensdemonstration in der Geschichte der Bundesrepublik gewesen sind. Teil jener Demonstration, die zur Überraschung von Polizei und Organisatoren noch mächtiger ausfiel als die legendäre Kundgebung gegen die Nato-Aufrüstung im Bonner Hofgarten vor 20 Jahren. Mehr als eine halbe Million Menschen kamen am Samstag in Berlin zusammen, um "Nein" zu sagen zu einem Krieg gegen Irak. Um ein Signal in die Welt hinauszu- geben. Und um sich gegenseitig zu ermutigen. Die Organisatoren hatten den Friedensbewegten aus ganz Deutschland "ein Gefühl der Stärke mitgeben" wollen, sagte Jens-Peter Steffen von den "Ärzten gegen den Atomkrieg". "Hier hat man nicht mehr das Gefühl, dass man alleine ist mit seiner Position", sagte ein anderer Demonstrant.
(...) Es sprach sich unter den Demonstranten in der eisigen Kälte schnell herum, dass sie nicht hunderttausend waren wie erwartet, sondern Hunderttausende. Von der Bühne an der Siegessäule verkündete man zunächst die Zahl von 350.000 Teilnehmern, später war die Rede von einer halben Million. Und ein gewiefter Demonstrant unkte, dass Gewerkschaftsfunktionäre oder Love-Parade-Macher bei dieser Menschendichte nicht weniger als eine Million angegeben hätten. Die Nachricht machte die Runde, dass in Ländern mit Bush-freundlichen Regierungen noch größere Menschenmengen auf den Straßen waren. Das Gefühl, Teil einer weltweiten Bewegung zu sein, breitete sich aus. (...)
Auch den Blick auf die prominenten Redner erhaschten die meisten erst vor der heimischen Mattscheibe. Die Bühne stand für die meisten in weiter Ferne, aber die Worte hallten durch den Tiergarten. Da warf Verdi-Chef Frank Bsirske der Bush-Regierung vor, sie beanspruche "mittlerweile ein Recht auf Angriffskrieg". Und der Theologe Friedrich Schorlemmer rief dazu auf, gegen die US-Pläne für einen "Präventivkrieg" den "präventiven Widerstand" zu setzen. Doch nicht nur die Redner wollten etwas sagen. Tausende Friedensbewegte hatten Plakate mit eigenen Slogans bemalt oder einfach ihren persönlichen Spruch in einer Klarsichtfolie an den Anorak geheftet. "Waffeninspektoren in die USA", forderten sie oder fragten besorgt: "Hiroshima Nagasaki Bagdad?" Sie verlangten "Kein imperium americanum" und erklärten zugleich ihre Solidarität mit der US-Friedensbewegung. (...)
(...) Seite an Seite gingen Kritiker und Verfechter der rot-grünen Bundesregierung. Zu den Demonstranten zählten führende Sozialdemokraten wie Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul ebenso wie die Grünen-Minister Renate Künast und Jürgen Trittin. Sie machten mit, obwohl sich Kanzler Gerhard Schröder gewünscht hatte, dass sie zu Hause bleiben. Neben ihnen reihten sich linke Skeptiker ein wie der Organisator Peter Strutynski, ein Politikwissenschaftler aus Kassel. "Wir unterstützen den Antikriegskurs der Bundesregierung", rief er von der Bühne, doch er verlangte mehr: "Dieser Haltung müssen jetzt Taten folgen." Was damit gemeint war, formulierte der Sänger Konstantin Wecker: "Stoppt die Kriegstransporte in die Golfregion", forderte er - "keine Überflugrechte." Demonstranten von der PDS und von Attac teilten diese Auffassung. Doch auch viele Unterstützer der Regierung marschierten mit. Der hessische Pensionär Michael Fritzsche lief mit dem Slogan "Frieden braucht Mut - danke Fischer und Schröder" in der Menge. Und bekam Zustimmung.
(...) Die Leipziger Teenies ruhten sich im Tiergarten aus und lauschten dem Geschehen auf der Bühne. Mit der Auswahl der Barden waren sie durchaus einverstanden, auch wenn die allesamt zu den Oldies gehörten. Hannes Wader etwa. Der hat schon 1983 in Bonn gespielt. Aber die friedensbewegten Evergreens, die Mut zum Protest machen sollen und den Traum von einer besseren Welt beschwören, kommen noch immer an. Es sei nichts falsch daran, versicherte Konstantin Wecker und watschte diejenigen ab, die Leute wie ihn als "Gutmenschen" abtäten: "Die verstehen nichts von Demokratie."
Am Ende schunkelten Organisatoren und Musiker auf der Bühne gemeinsam beseelt zum vielsprachigen internationalen Friedenslied. "Unser Widerstand wird auch nach dieser bewegenden Demonstration weitergehen", rief Organisator Strutynski in die Menge.
Durchgefroren, aber zufrieden liefen die Friedensfreunde aus Frankfurt, Fürth und Erfurt zurück zu ihren Bussen. In den Gepäckräumen stapelten sie die handgemalten Transparente. "Kein Krieg in Irak" stand darauf. Vielleicht werden sie noch gebraucht.
Aus: Frankfurter Rundschau, 17.02.2003

Im "Neuen Deutschland" wurde auch über die Auftaktkundgebungen berichtet und ebenfalls Atmosphärisches über die Abschlusskundgebung wiedergegeben. Ein Auszug:

(...) Von der Bühne rief Christoph Bautz von Attac, wenn den USA-Präsidenten Bush eines interessiere, dann Umfragewerte. Deshalb müsse die Wahrnehmung des Berliner Protestes den Sprung über den großen Teich schaffen, um den Friedensfreunden in den USA zu helfen. Bevor die zweite und dritte Rede gehalten wurde, hieß es, der Alex sei bereits so voll, dass der Demonstrationszug dort vorzeitig starten musste. Deshalb drückten die Veranstalter um 12.20 Uhr auch am Breitscheidplatz auf die Tube. Die Kriegsgegner dort brachen schließlich auch eher als geplant auf, um noch rechtzeitig das Ziel an der Siegessäule zu erreichen.
Auch die S-Bahnen im Ostteil waren so besetzt, wie wochentags im Berufsverkehr. Der Unterschied: mehr Kids und Teenies, aber auch mehr Rentner. Ein Ehepaar gegenüber hatte am Mantelkragen weiße Schleifen als Bekenntnis gegen den Krieg. Auch der Alex war weiß, es schneite ein wenig. Schnell füllte sich der Platz. Zwei Straßenbahnen mussten stehen bleiben. An der Weltzeituhr, wo seit Montag zwei Schüler aus Mecklenburg-Vorpommern mit einem Hungerstreik ein Zeichen gesetzt hatten, war kaum ein Durchkommen. Zu viele hatten sich offenbar gerade hier verabredet, wo unübersehbar wird, wie nah Berlin gerade jetzt London und New York ist – trotz Blair wie Bush.
(...) Aus Richtung Rotes Rathaus dröhnte dumpfer Trommelschlag. Und obwohl es noch längst nicht 12.30 Uhr war, zogen viele los, zu zweit, in kleinen Gruppen, mit und ohne grüne oder blaue Luftballons, roten Fahnen von IG Metall, ver.di oder PDS, vor und hinter Transparenten. Auf einem stand »Abgeordnete gegen den Krieg«, doch kein bekanntes Gesicht aus dem Bundestag sondern Kommunalpolitiker aus der Prignitz im Nordwesten Brandenburgs. Sicher hat auch ihr Appell beigetragen, dass so viele nach Berlin gekommen sind: Leipziger, die ihr Schild von den allwöchentlichen Montagsdemos mitgebracht haben, junge Leute von Attac aus Regensburg, das nicht mehr ganz junge Ehepaar, bepackt mit Ruck- und Schlafsäcken. Die beiden kamen aus Greifswald, am Bahnhof war kein Schließfach mehr frei.
Am Turm der Marienkirche die Aufforderung »RÜHRT EUCH!« Die Glocken läuteten ohne Unterlass. Im Park vor der Rückseite des ausgeschlachteten Palasts der Republik ein Fußballspiel: »Mit der Dreierkette gegen die Achse des Bösen«. Vor der Zufahrtsstraße zur schon seit anderthalb Jahren hermetisch abgeriegelten US-Botschaft hatte die Polizei vor die Straßensperren aus Beton noch vergitterte »Wannen« quer gestellt. Als die vorbeiziehende Schalmeienkapelle Pause machte, eine Frauenstimme »Hoch die internationale Solidarität« und »Eins, zwei, drei und vier, raus aus der NATO wollen wir...«
Immer mehr zogen durchs Brandenburger Tor, drängten in die Nähe der überdimensionalen Tonsäulen auf der Straße des 17. Juni, um mitzubekommen, was da weit entfernt auf der Bühne vor der Siegessäule passiert. Und da passierte eine Menge. Nicht nur, weil der Hallenser Schauspieler Peter Sodann, der selbst seinen Vater im Krieg verloren hatte, die Herzen der Zuhörer erreichte, als er rief: »Ich will, dass nie wieder ein Kind seinen Vater im Krieg verliert.« Nicht nur, weil die palästinensische Friedensaktivistin Sumaya Farhat-Naser bewegend vom Schicksal ihres Volkes berichtete. Nicht nur, weil Hannes Wader, Konstantin Wecker und Reinhard Mey mit ihren Friedensliedern die Zuhörer das Frieren vergessen und die Zeiten machtvoller Massenproteste gegen den NATO-Raketenbeschluss wieder präsent werden ließen und die Puhdys viele aus dem Osten an die Rock-für-den Frieden-Aktionen in der DDR erinnerten. Vor allem, weil die Bundesregierung mit der Berliner Abschlussresolution 500 000-fache Unterstützung ihres Anti-Kriegs-Kurses erfuhr und zugleich ermahnt wurde, den Worten nun Taten folgen zu lassen: keiner kriegsfördernden Resolution im UN-Sicherheitsrat zuzustimmen, den USA die Überflugrechte zu entziehen, deutsche Truppen aus Kuwait und Golfregion abzuziehen und den Ausbau der Bundeswehr zur Interventionsarmee zu stoppen.
Die Hunderttausenden, die immer wieder neue Nachrichten von den Millionen Teilnehmern an Friedensdemonstrationen andernorts mit Begeisterung aufnahmen, spürten die Kraft der Gemeinsamkeit. »Wir sind heute Teil einer Achse des Friedens, die von Paris über Berlin nach Moskau und Peking reicht und natürlich auch zu Freunden in den USA. Wir stehen hier in der großen Ökumene des Friedens – gegen die großen Ökonomen des Krieges«, hatte der Wittenberger Pfarrer Friedrich Schorlemmer den Kundgebungsteilnehmern Mut gemacht. Und die Schauspielerin Walfriede Schmitt gab ihnen sichtlich überwältigt auf den Weg, nie zu vergessen, welche Kraft das Volk hat.
ND, 17.02.2003

Dass die Bundesregierung nun auch die Massendemonstrationen gegen den Krieg für ihre Politik nutzt, war zu erwarten. In der Berliner Zeitung heißt es u.a.:

(...) Die Bundesregierung sieht sich am Vorabend des EU-Sondergipfels zur Irak-Politik durch die enorme Beteiligung an den weltweiten Friedensdemonstrationen in ihrem Anti-Kriegs-Kurs bestärkt. SPD-Generalsekretär Olaf Scholz sagte am Sonntag, die Kundgebungen in Berlin und anderen Städten zeigten, dass sich die rot-grüne Koalition in der Irak-Politik in Einklang mit den Vorstellungen der Menschen in Deutschland und in Europa befinde. "Nicht die Regierung Schröder ist außenpolitisch isoliert. Wer sich isoliert hat, das ist die Union, Frau Merkel und ihr Anhang."
Die Union bekräftigte dagegen ihren Vorwurf, die Bundesregierung verhalte sich mit ihrer strikten Ablehnung einer Militärintervention anti-amerikanisch und sei in der Nato und der EU isoliert.
Berliner Zeitung, 17.02.2003

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London
Mehr als zwei Millionen Menschen haben am Samstag nach Angaben der Organisatoren in London gegen einen Irak-Krieg demonstriert. Die Polizei sprach zunächst von mehr als einer halben Million Demonstranten. Damit war die Kundgebung der größte Massenprotest in der britischen Hauptstadt seit dem Zweiten Weltkrieg. Zu der Menge im Hyde Park sprachen zahlreiche Popstars und Politiker, darunter auch der Bürgermeister von London, Ken Livingstone.
Die Demonstranten zogen in zwei Zügen durch die Londoner Innenstadt, trafen sich am Piccadilly Circus und marschierten dann gemeinsam zum Hyde Park. "Kein Krieg" und "Nicht in meinem Namen" stand auf ihren Transparenten.
Der Londoner Bürgermeister Ken Livingstone, der die Demonstration anführte, sagte: "Ich glaube, hier geht es schlichtweg darum, dass amerikanische Unternehmen die Kontrolle über das irakische Öl bekommen sollen. Und ich glaube, es ist absolut widerlich, dass wir bereit sind, die Iraker anzugreifen, nur um die Freunde von Präsident Bush noch reicher zu machen." Für viele Teilnehmer sei dies die erste Demonstration ihres Lebens, sagte der links gerichtete Politiker. Alle Alters- und Berufsgruppen und alle Schichten der britischen Gesellschaft seien vertreten. Die politische Zukunft von Premierminister Tony Blair sei nun gefährdet.
Andere prominente Teilnehmer des Friedensmarsches waren Charles Kennedy, der Chef der oppositionellen Liberaldemokraten, der amerikanische Bürgerrechtler Jesse Jackson, das Model Kate Moss und der Bühnen- und Drehbuchautor Harold Pinter.Mehr als 4500 Polizeibeamte bewachten die Demonstration, die friedlich verlief.

Weitere Demonstrationen in Schottland, Nordirland und Irland
Parallel zu der Kundgebung in London demonstrierten nach Angaben der Veranstalter rund 100.000 Menschen in Dublin und mehrere zehntausend in der nordirischen Hauptstadt Belfast. Im schottischen Glasgow, wo die regierende Labour-Party eine Konferenz abhielt, versammelten sich den Organisatoren zufolge rund 60.000 Menschen.

Dublin
(Den folgenden Bericht erhielten wir von Jens Wilde per e-mail)
Dia daoibh as mBaile Átha Cliath, that could only be possible in Ireland.
Mit 20.000 Menschen hatten die Organisatoren der National Demonstration in Dublin (Irish Anti-War Movement, Peace and Neutrality Alliance, Irish Writers Union) gerechnet. Stunden vorher ist man noch zurückgerudert. Wenn 10.000 kommen, ist das schon ein deutlicher Erfolg und ein deutliches Zeichen in Richtung Regierung.
Doch dann waren es 100,000 und für Stunden ging nichts mehr in der City. Sie kamen von "the four corners of Ireland" in Zügen und Bussen und füllten die Straßen von Dublin. Es gibt keinen Platz im Dublin City Centre, der diese Massen hätte aufnehmen können. Traditioneller Treffpunkt war der "Garden of Remembrance" am Parnell Square. Während dort die ersten Redebeiträge gehalten und Lieder gesungen wurden, bildete sich eine Menschenschlage quer durch die City. Zum Erstaunen aller, konnte der Zug sich nicht in Bewegung setzen, weil die Menschenmassen schon knapp die Hälfte der Demo-Route ausfüllten, ohne dass die Demonstration begonnen hatte. Die Spitze hatte bereits Kildare Street erreicht. Wer Dublin kennt, weiß was dies bedeutet. Kurzerhand wurde entschieden, daß die Leute, die noch am Parnell Square den Beiträgen auf der Tribüne gefolgt waren, die Richtung ändern und sozusagen von der anderen Seite zur offiziellen Demo-Route gehen. So formte sich ein 2. Zug und vereinigte sich an O' Connell Street mit dem Hauptzug, wobei beide Seiten der großen Hauptverkehrsader von Dublin in Beschlag genommen wurden. "Reclaim the street." Und wer wollte die Massen aufhalten. (...)
Alle vereinte das eindeutige Motto "NO WAR!" So bunt wie die Menschen, so bunt war die Liste der Redner. Neben Rednern von Labour; Green Party, Sinn Fein sprachen u.a. der katholische Bischof von Clonfert, John Kirby, der Dean der St. Patricks Kathedrale, Robert McCarthy und Vertreter von verschiedenen NGOs. Und, auch das gehört zu Irland, jeder auf seine ureigene, zum Teil unnachahmlich, beeindruckende Weise. Die Botschaft an die Regierung war mehr als deutlich. Kein Krieg! Weder mit noch ohne UN-Mandat! Stopp der Nutzung von Shannon-Airport durch US-Truppen! Schutz der Neutralität. Hatten doch die Medien in den letzten Wochen berichtet, dass irische Firmen vom Krieg profitieren. Hatten doch Abgeordnete der Regierungspartei Fianna Fail Proteste gegen den Krieg als Anti-Amerikanisch, gegen die Entwicklung der Wirtschaft und gegen Investitionen gerichtet, disqualifiziert. Hatten doch Regierungsmitglieder ausgeplaudert, dass die Regierung die USA unterstützen werde, egal was sie tun und egal, ob es ein UN-Mandat gibt oder nicht. Hatte doch der Außenminister erklärt, dass die Neutralität eine militärische und keine politische ist. Hatte der Verteidigungsmimister behauptet, dass die US-Truppen keine Waffen transportieren und nicht in Uniform in Shannon-Airport zu sehen sind. (...)
Die Demonstration endete mit einem waren Straßenfest, daß bis weit nach dem geplanten Schluß der Demonstration andauerte. Straßenkünstler, Techno-Music, Friedenslieder namhafte und unbekannte Künstler und, wer hätte es gedacht, Shane MacGowen von den Popes/Pogues ließen die Demonstration zu einem wahren Friedensfest werden.
NO WAR-NEITHER WITHOUT NOR WITH UN-MANDATE! Stop the use of Shannon-Airport by US-Troops.
Siocháin, giúistís agus beatha. That is the message from Dublin this weekend.
George W. Bush, go n-ithe an cat thú, is go n-ithe an diabhal an cat!
Beannacht Dé leat agus slan as mBaile Átha Cliath.
Jens Wilde

Wien
Trotz eisiger Kälte haben am Samstag tausende Menschen in Wien gegen einen möglichen Irak-Krieg demonstriert. "In Österreich ist eine neue Friedensbewegung im Entstehen", sagte Didi Zach, Sprecher der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ). Die Demonstration verlief friedlich, "die Stimmung ist gut, zum Teil laut", berichtete Andreas Pecha von der Wiener Friedensbewegung. Mit Trommeln, Pfeifen und Musik machten die Demonstranten Stimmung gegen den Krieg.
Mehr als hundert Organisationen, Parteien und Vereine hatten zu den Friedenskundgebungen aufgerufen. Etwa 30.000 (laut Veranstalter) beziehungsweise 15.000 (laut Polizei) sind dem Ruf gefolgt. Mit Transparenten wie "kein Blut für Öl", "Krieg ist Terror" oder "Gerechtigkeit für Palästina" marschierten die Menschen vom Westbahnhof zum Stephansplatz, wo die Abschlusskundgebung stattfand.
Der Standard (online), 16.02.2003

Pressburg
Mehr als 1.000 Menschen haben am Samstag in Preßburg gegen den drohenden Irak-Krieg demonstriert. Die Teilnehmer kritisierten vor allem die Entscheidung des slowakischen Parlaments, wonach die Streitkräfte der Anti-Irak-Koalition für ihren Truppenaufmarsch nun auch das Straßen- und Eisenbahnnetz der Slowakei benützen dürfen.
Dies sei nicht der Standpunkt der slowakischen Öffentlichkeit, hieß es in einer Erklärung der Demonstranten, die an das Europäische Parlament übergeben wird. Die Mehrheit der Slowaken sei gegen den Krieg als Mittel zur Lösung der Probleme im Irak, hieß es in dieser Erklärung.
Der Standard (online), 16.02.2003

Athen und Griechenland
In Griechenland demonstrierten am Samstag hunderttausende Menschen demonstriert. Allein in der Hauptstadt Athen nahmen nach Schätzungen der Polizei mehr als 200.000 Menschen an einer der größten Protestkundgebungen in der Geschichte des Landes teil. Die Polizei setzte Tränengas und Schlagstöcke ein, als eine kleinere Gruppe von Randalierern Molotow- Cocktails auf die Büros eines Verlages und einiger Bankfilialen im Zentrum Athens warfen, berichtete der griechische Rundfunk.
Antikriegsdemonstrationen gab es zudem in weiteren 12 griechischen Städten. Insgesamt seien schätzungsweise 300.000 Menschen auf die Straßen gegangen, berichtete das staatliche Fernsehen.
Der Standard (online), 16.02.2003

Madrid und Spanien
In Spanien sind nach Angaben der Veranstalter am Samstag mehr als vier Millionen Menschen gegen einen drohenden Irak-Krieg auf die Straße gegangen. Allein in Madrid demonstrierten der Sozialistischen Partei zufolge zwei Millionen Menschen. Sie riefen Parolen wie "Nein zum Krieg" und "Stoppt den Krieg". In der spanischen Hauptstadt wollte der Oscar prämierte Regisseur Pedro Almodóvar das Schlusskommuniqué verlesen. In Barcelona versammelten sich bei der größten Kundgebung, die die Stadt jemals erlebte, nach Angaben der Behörden 1,3 Millionen Menschen.
Die Veranstalter sprachen von 1,5 Millionen Teilnehmern. Insgesamt demonstrierten die Spanier in mehr als 40 Städten. Unter dem Motto "Nein zum Krieg" oder "Kein Blut für Öl" demonstrierten allein in Sevilla im Süden des Landes mehr als 50.000 Menschen, wie die Polizei mitteilte. Weitere Kundgebungen gab es in Oviedo und Santander in Nordspanien und auf der Kanaren-Insel Gran Canaria. Die spanische Regierung unterstützt den Kurs von US-Präsident George W. Bush.
Der Standard (online), 16.02.2003

Rom
Ein schier endloser Strom von Gegnern eines möglichen Irak-Kriegs ist am Samstag bei strahlendem Sonnenschein durch die Strassen von Rom gezogen. Eine Million Menschen beteiligten sich laut den Organisatoren an der größten Friedensdemonstration der letzten Jahrzehnten in der italienischen Hauptstadt. Die Demonstranten mit Friedensfahnen und auf den Gesichtern gemalten Symbolen der Pazifisten- und No Global-Bewegungen bevölkerten die Straßen der Innenstadt und legten die zehn Kilometer lange Strecke zwischen dem Bahnhof Ostiense und der Lateranbasilika zurück.
Eine riesige Fahne mit den Regenbogenfarben und der Schrift "Pace" (Frieden) hing am Kolosseum. Wegen des großen Andrangs von Demonstranten, die mit 30 Sonderzügen und 3.000 Bussen aus ganz Italien in die "Ewige Stadt" eingetroffen waren, musste sich der Demonstrationszug drei Stunden früher als geplant in Bewegung setzen. Das Datum der Demonstration war bei dem Treffen des Weltsozialforums in Florenz im vergangenen November beschlossen worden.
Organisiert wurde die Demonstration von 450 unterschiedlichen Gruppen, darunter Globalisierungsgegnern, politischen Oppositionsparteien, katholischen Organisationen, Gewerkschaften und Menschenrechtsverbänden, die unter dem Motto "Stoppt den Krieg!" die Unterstützung von Hunderttausenden Italienern gewinnen konnten. Musik und pazifistische Lieder übertonten die Slogans der Oppositionsanhänger gegen US-Präsidenten George W. Bush und die Mitte-Rechts-Regierung von Silvio Berlusconi, die beschuldigt wurde, mit ihrer stark US-freundlichen Linie Italien gegen den Willen der Bevölkerung zu einer Anti-Irak-Kampagne zu zwingen.
(...) "Rom ist stolz, diese Demonstration organisiert zu haben, die größte dieser Art in Italien. Eine Demonstration für Jugendliche, Familien, für jene 85 Prozent der Italiener, die laut Umfragen den Krieg ablehnen", sagte der Bürgermeister der "Ewigen Stadt", Walter Veltroni, der die Demonstration stark gefördert hat.
Der Standard (online), 16.02.2003

Paris und Frankreich
Rund 200.000 Menschen haben sich am Samstag nach Angaben der Veranstalter an der zentralen Friedensdemonstration in Paris beteiligt. Der Protestmarsch stand unter dem Motto "Nein zum Krieg - Frieden für die Welt, die Welt für den Frieden". Zu der Großdemonstration hatten mehr als 80 Friedensorganisationen, Parteien und Gewerkschaften aufgerufen.
An dem internationalen Aktionstag gegen einen Irak-Krieg nahmen nach Angaben von Veranstaltern in weiteren rund 60 französischen Städten tausende Menschen an den Demonstrationen teil. Im südfranzösischen Toulouse und in Montpellier waren es nach Angaben der Polizei jeweils fast 10.000.
Der Standard (online), 16.02.2003

Kopenhagen, Skandinavien
In Kopenhagen demonstrierten zehntausende Dänen bei der größten Friedensdemonstration seit dem Vietnamkrieg für eine friedliche Lösung des Irak-Konfliktes.
Auch in den anderen nordeuropäischen Hauptstädten Stockholm, Oslo und Helsinki versammelten sich zehntausende Bürger zu Protesten vor den jeweiligen US-Botschaften.
Der Standard (online), 16.02.2003

Bern
Tausende Menschen haben sich am Samstag in der Berner Innenstadt versammelt, um unter dem Motto "Kein Blut für Öl" gegen einen Krieg im Irak zu demonstrieren. Über 120 Organisationen hatten zur Großdemonstration aufgerufen.
Auf Spruchbändern sind Slogans wie "Bush ist ein Bombenkerl", "die Zeit für Frieden läuft nie ab" oder "no war for the Texas oil whore" zu lesen. Auf Flugblättern wird die Beendigung der Kriegsvorbereitungen Amerikas in der Golfregion, die Aufhebung des UNO-Embargos gegen den Irak sowie die Zerstörung aller Massenvernichtungswaffen - "insbesondere jene der USA" - verlangt. Die Schweizer Regierung wurde aufgefordert, sich in der UNO klar gegen einen Krieg auszusprechen.
Die Demonstration ist von einem überparteilichen Komitee "Bündnis gegen Krieg" organisiert worden. Dem Bündnis gehören unter anderen die Gewerkschaften GBI und VPOD, die Grünen Schweiz, die globalisierungskritische Organisation Attac sowie die Gruppe Schweiz ohne Armee (GSoA) an.
Der Standard (online), 16.02.2003

Asien
Auch in zahlreichen Städten Asiens kam es zu, wenn auch kleineren Antikriegskundgebungen. So versammelten sich in Malaysia 1.500 Menschen vor der US-Botschaft. In Bangkok zogen mehrere hundert Menschen vor die US-Vertretung. Zu kleineren Demonstrationen kam es auch in Taiwan und Singapur.
Der Standard (online), 16.02.2003

Tel Aviv und Ramallah
Die Organisatoren der Demonstration von Tel Aviv veröffentlichten eine Erklärung, der wir folgende Informationen entnahmen:
Mehr als 3.000 Israelis demonstrierten heute (15. Februar 2003) gegen den Krieg gegen Irak. Gleichzeitig fand eine palästinensische Demonstration in Ramallah statt.
Die Demonstration in Tel Aviv fand im Mudeumsviertel statt. Die in Abstimmung mit der Demonstration in Ramallah durchgeführte Kundgebung war Teil der gleichzeitig stattfindenden 600 Demonstrationen weltweit. Auf der Kundgebung in Tel Aviv wurde eine gemeinsame palästinensisch-israelische Petition verlesen, in der es u.a. hieß:
"Nein zum Krieg gegen Irak! Beendet die israelische Besatzung! Für ein Leben in einem gerechten Frieden im Nahen Osten! Wir, Israelis und Palästinenser, sind gegen diesen Krieg. In diesem Krieg geht es nicht um Sicherheit oder Gerechtigkeit, sondern um Macht, Hegemonie, Kontrolle und Habgier. Wir sind überzeugt, dass Sicherheit und Freiheit für alle Menschen im Nahen Osten nicht durch Krieg, Gewalt und Tod erreicht werden können."

Bagdad
Zehntausende Menschen haben am Sonnabend in Bagdad gegen einen drohenden Krieg demonstriert. Schon am frühen Morgen trafen sich in verschiedenen Stadtteilen auf beiden Seiten des Tigris Iraker aus der ganzen Stadt und zogen mehrere Stunden lang durch die Straßen. Am Nachmittag demonstrierten erneut Tausende in Bagdad lebende Araber am Gebäude des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP), darunter viele Palästinenser, die ein Meer von Fahnen mit sich führten. Den ganzen Tag lang übertrugen das irakische Fernsehen und der Rundfunk Bilder und Reportagen von Demonstrationen aus aller Welt. Den Menschen, die die Nachrichten verfolgten, war die Freude über die große internationale Unterstützung deutlich anzumerken. Allerdings überwog doch die Skepsis, ob sich die USA von den überwältigenden Protesten wirklich beeindrucken lassen werden.
Auch internationale Friedensaktivisten forderten am Samstag in Bagdad »Ja zu Inspektionen, Nein zum Krieg!« Die Demonstration wurde organisiert von der italienischen Gruppe »Brücke nach Bagdad«, von Human Shields und dem Irakischen Friedensteam (IPT). Auf der Al-Rashid-Brücke, unweit des Pressezentrums, begannen sie am Mittag offiziell mit der Kampagne »Stop one Minute, Stop the War«. Die Aufforderung an die Friedensbewegung in aller Welt ist, ab sofort täglich um die Mittagszeit für eine Minute die Arbeit einzustellen, um mit ihren Nachbarn über den Irak zu sprechen. Dieser Protest solle solange anhalten, »bis die Kriegsdrohung vorbei ist«, hieß es in einer Erklärung. »Ein Krieg ist das letzte, was die Iraker und die Welt« heute brauchten. Die rund 200 Demonstranten kamen aus den USA, Italien, Kanada, Schweden, Irland, Australien, Spanien, Türkei, Polen, Norwegen, Indien, Südkorea, Großbritannien, Slowenien, Deutschland und Japan.
Karin Leukefeld in der "jungen Welt" vom 17.02.2003

Johannesburg und Kapstadt
Gegen eine drohende Eskalation im Irak- Konflikt protestierten rund tausend Demonstranten in Südafrikas Wirtschaftsmetropole Johannesburg. Auch aus Kapstadt und Bloemfontein wurde über Proteste berichtet.
Der Standard (online), 16.02.2003

New York, USA
(...) Bei Temperaturen weit unter Null Grad und einem beißenden Eiswind hatten sich Hunderttausende aus den umliegenden Bundesstaaten und von der gesamten Ostküste sowie sehr viele New Yorker in Manhattan eingefunden, um gegen Mittag in der Nähe des UNO-Gebäudes an der Kundgebung teilzunehmen, die von dem Bündnis »United for Peace and Justice« organisiert worden war. Die Behörden hatten zuvor einen Demonstrationsmarsch durch Manhattan aus »Sicherheitsgründen« untersagt. Ein Einspruch dagegen war von einem übergeordneten Gericht abgelehnt worden. So blieb es Hunderttausenden überlassen, sich zu Fuß, per Auto, U-Bahn oder Bus auf eigene Faust durch die Hochhauskulisse zum Kundgebungsort durchzuschlagen. Was vielen auch gelang.
Eine Reihe von Rednern, darunter der südafrikanische Erzbischof Desmond Tutu, die Schauspieler Susan Sarandon und Danny Glover, die afroamerikanische Linke Angela Davis, der Sänger Harry Belafonte und der Barde Pete Seeger verurteilten den Unilateralismus der Bush-Regierung. Unisono riefen sie zu weiterem Widerstand gegen den geplanten Irak-Krieg auf. Martin Luther King III sagte vor einem riesigen Banner »The World says no to war«: »Nur weil Du die größte Knarre hast, brauchst Du sie längst noch nicht benutzen«. Erzbischof Tutu forderte, die USA müssten »dem Rest der Welt zuhören – und der Rest der Welt sagt: gebt den Inspektoren Zeit«. Angela Davis erläuterte in ihrer Rede, dass die Bush-Regierung von Anfang an, bereits vor dem 11.September 2001, den Diskurs in der Gesellschaft zu verändern versucht habe. Zu weiteren Rednern gehörten Vertreter der Familienangehörigen von Opfern des 11.September. Mehr als 30 hatten sich der Kundgebung angeschlossen. Auf Hunderten von Transparenten wurden der Wunsch nach Frieden, die Ablehnung von Krieg und die Verurteilung der Bush-Administration deutlich gemacht. »Thank you France and Germany« hieß es auf einigen Plakaten.
In weiteren 150 Städten wurde ebenfalls gegen den Krieg demonstriert. Die Gesamtzahl der Teilnehmer dürfte sich auf eine Million belaufen. In einigen Städten wurden dabei Übergriffe und Festnahmen von Teilnehmern durch die Polizei bekannt. In Colorado Springs im Bundesstaat Colorado setzte die Staatsmacht Pfefferspray ein und schoss Gummigeschosse in die Menge, als sie eine »illegale« Demonstration auflöste. Den Negativrekord stellten die New Yorker Behörden auf, die mit dem verhängten Marschverbot Zehntausenden von Menschen, die an den Kundgebungsort gelangen wollten, den Weg abschnitt und mehr als 300 Menschen wegen »ungebührlichen Verhaltens« und »Widerstands gegen Polizeibeamte« festnahm. Dabei wurden auch berittene Cops eingesetzt, die teilweise brutal vorgingen. Dutzende von Menschen erlitten Verletzungen. Dennoch ist es der US-amerikanischen Friedensbewegung jedenfalls gelungen, die Medienblockade, die ihr monatelang entgegengeschlagen war, zu durchbrechen. Alle großen Medien berichteten endlich ausführlich und dabei nicht immer unfair über die Demos.
Neues Deutschland, 17.02.2003

Australien
Bei der größten Protestkundgebung in der Geschichte Australiens haben am Sonntag in Sydney mehr als 200.000 Menschen gegen einen möglichen Krieg im Irak demonstriert. Auch in zahlreichen anderen Städten des Fünften Kontinents gingen am Wochenende zehntausende Australier auf die Straße, wie örtliche Medien meldeten. Trotz der großen Zahl von Demonstranten verteidigte Regierungschef John Howard seine harte Haltung gegen Bagdad. "Ich mache hier, was ich für das richtige für Australien halte", sagte er.
Der Standard (online), 16.02.2003

Lateinamerika
In der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro riefen Friedensaktivisten vor 20 000 Demonstranten zum Boykott US-amerikanischer Mineralölkonzerne auf. Mehrere tausend Menschen versammelten sich in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires.
Neues Deutschland, 17.02.2003

***

Die Welt am Sonntag (16. Februar) schilderte, was am Vortag in Berlin und anderswo geschah:

Bei der größten deutschen Friedensdemonstrationen seit 1945 sind in Berlin eine halbe Million Menschen gegen einen Irak-Krieg auf die Straße gegangen. Zusammen mit Demonstranten in vielen anderen deutschen Städten protestierten nach Polizeiangaben rund 600 000 Menschen gegen die US-Politik und eine drohende Militärintervention. In London demonstrierten sogar über eine Million Menschen. Das gab Bürgermeister Ken Livingstone unter Berufung auf die Polizei bekannt. Die Veranstalter sprachen sogar von 1,5 Millionen. Ebensoviele sollen es in Rom gewesen sein.
Zu der Demonstration nach Berlin kamen Menschen aus allen Teilen der Bundesrepublik. Die Menschenmenge füllte die gesamte Straße des 17. Juni bis zum Brandenburger Tor, eine Strecke von mehreren Kilometern. Polizei und Veranstalter sprachen von 500.000 Teilnehmern. Am zweitgrößten deutschen Marsch dieses Tages in Stuttgart beteiligten sich etwa 50 000 Menschen.
Prominente Politiker wie Bundestagspräsident Wolfgang Thierse und die Bundesminister Jürgen Trittin, Renate Künast (beide Grüne) und Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) reihten sich in den bunten Protestzug mit vielen jungen Teilnehmern ein. Die Minister nahmen entgegen der Bitte von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) an der Demonstration teil. Auch die PDS-Vorsitzende Gabi Zimmer kam. Wieczorek-Zeul (SPD) nannte die Berliner Demonstration ein „bewegendes Signal gegen Krieg und für Frieden“. (...) Der CDU-Außenpolitiker Friedbert Pflüger bezeichnete die Teilnahme Thierses „an einer antiamerikanischen Demonstration“ als eine „Schande“. „Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass er den Bundestag repräsentiert.“
(...) Rund 750 Busse aus ganz Deutschland brachten Kriegsgegner nach Berlin, etliche blieben laut Veranstalter noch auf den Autobahnen stecken. Die Innenstadt war überfüllt.
Der frühere DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer forderte die Menschen unter Beifall zu weiterem Widerstand gegen einen drohenden Krieg auf. „Wir stehen auf gegen diesen Krieg und wir stehen ein für das Ausschöpfen aller zivilen Möglichkeiten.“ Der Chef der Gewerkschaft ver.di, Frank Bsirske, sagte, die Gewerkschaften hätten kein Verständnis für eine Beteiligung deutscher Soldaten an einem Angriffskrieg gegen den Irak. „Setzen wir den Kriegstreibern unseren Protest entgegen.“ Organisator Jens-Peter Steffen vom Aktionsbündnis „15. Februar“ sagte: „Das haben wir nicht erwartet. Wir sind überwältigt.“ Es sei ermutigend, dass auch in London und Rom Millionen auf die Straße gegangen seien. „Die Menschen zeigen damit ihren Regierungen deutlich, dass sie keinen Krieg wollen.“ (...)
Aus: Welt am Sonntag, 16.02.2003

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Und zu erwähnen ist natürlich noch die große Regionaldemonstration in Stuttgart am 15. Februar. Darüber berichtete die Esslinger Zeitung (Autorin: Simone Deitmar)in ihrer Online-Ausgabe vom 16. Februar u.a.:

Ein breites Bündnis von Gewerkschaften, Kirchen und Globalisierungsgegnern hat am Samstag zu Protesten gegen den drohenden Krieg im Irak aufgerufen. Die Stuttgarter Bevölkerung zeigte mit einer friedlichen Demonstration, dass die Kriegspläne der USA in der Landeshauptstadt auf wenig Verständnis stoßen.
Laute Sprechchöre oder erboste Protestrufe waren in der Stuttgarter Innenstadt nicht zu hören. Ruhig zogen die 50 000 Demonstranten durch die Straßen. Die Schlagworte " Kein Blut für Öl" oder "Bush-Feuer sind unkontrollierbar" waren auf den Transparenten zu lesen. (...) Menschen aller Altersklassen nutzten am Samstag die Gelegenheit, ihrer Meinung Ausdruck zu verleihen. "Ein Krieg löst das Problem im Irak nicht", so Günter Fötteler aus Stuttgart . Gemeinsam mit seiner Familie nahm er an der Demonstration teil. (...)
Das Leiden der Zivilbevölkerung im Falle eines Krieges ist für Erich Buchholz und Ulli Haag aus Stuttgart Anlass auf die Straße zu gehen: "Es gibt keinen Grund, unschuldige Menschen anzugreifen, die Bevölkerung kann schließlich nichts dafür." Bereits zum zweiten Mal protestiert Theo Michelberger gemeinsam mit seiner Frau Margarethe gegen den drohenden Irak-Krieg. "Der Krieg sollte kein Mittel der Politik sein", so der 65-Jährige. Das Ehepaar Michelberger hat sich schon an vielen Protestaktionen beteiligt. "So eine große und ruhige Demonstration habe ich in Stuttgart aber noch nie erlebt", ist sich Theo Michelberger sicher. (...)
Während der Irak für die meisten Demonstranten ein fernes und unbekanntes Land ist, hat die 18-jährige Marwa Al-Radwany eine ganz besondere Beziehung zu dem Staat im Nahen Osten. Die Schülerin aus Esslingen hat bis vor 13 Jahren im Irak gelebt. "Als die Armee 1990 in Kuwait einmarschierte waren wir gerade bei meiner Großmutter in Esslingen zu Besuch ", erinnert sich Marwa. Wegen der unsicheren Lage in der Heimat entschloss sich die Familie in Deutschland zu leben. Die Kriegspläne der Amerikaner machen die 18-Jährige wütend. "Es geht nicht darum Saddam Hussein zu stürzen, die USA wollen ihre Vormachtstellung ausbauen." (...)
Auf dem Transparent, das sie gemeinsam mit Freunden durch Stuttgart trägt steht: "Kein Blut für Öl". Marwa weiß, dass ein Krieg viele Opfer fordern würde. Auf die Straße zu gehen, hält die Schülerin für wichtig. " Die deutsche Regierung fühlt sich dann bestätigt." Dass eine breite Öffentlichkeit in der Region den Krieg ablehnt, gibt Marwas Familie Kraft: "Wir würden uns hier sonst ziemlich einsam fühlen."
Esslinger Zeitung (online), 16.02.2003


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