Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Arbeit am Frieden: nachhaltig – demokratisch - zivil"

Bernhard Nolz*, Lehrer, beim Ostermarsch 2002 in Duisburg

Wir dokumentieren die folgende Ostermarschrede in der uns übermittelten Fassung.


Liebe Freundinnen und Freunde,
vor drei Jahren verbrachten wir die Osterferien mit Freunden auf Ibiza in einer Finca, deren Stromversorgung über selbst gebaute Sonnenkollektoren erfolgte. So konnte ich tagsüber, wenn die Sonne schien – und die schien fast immer - mein Handy mit meinem Notebook verbinden, um im Internet nach kritischen Informationen über den Nato-Krieg gegen Jugoslawien zu suchen. Der Bild-Propaganda am spanischen Zeitungskiosk wollte ich etwas entgegen zu setzen haben.

Da geht es mir wie euch: Die Arbeit für den Frieden ist zur Lebensaufgabe geworden. Sie hört auch in den Ferien nicht auf.
Per E-Mail erhielten wir viele Anfragen, was denn die Pädagoginnen und Pädagogen für den Frieden, deren Sprecher ich bin, gegen die Rechtsbrüche der Nato und der Bundesregierung unternehmen würden.

Aus Protest gegen den Nato-Krieg in Jugoslawien formulierten wir den PPF-Aufruf "Gewöhnt euch nicht an den Krieg!" Wir bekannten uns zu unserer friedenspädagogischen Verantwortung, den Krieg zu ächten und zusammen mit den Kindern und Jugendlichen für eine Zukunft ohne Gewalt und ohne Krieg zu arbeiten.

Wir forderten die Politiker auf, Schluss mit der Kriegspolitik zu machen und stattdessen für Frieden und Gerechtigkeit in der Welt zu sorgen.

Pädagogisches Handeln, aber auch politisches, ist auf eine nachhaltige Wirksamkeit angelegt. Nachhaltigkeit aber ist ohne Frieden und ohne soziale Gerechtigkeit undenkbar. Vor diesen Aufgaben aber versagt die Politik. Sie flüchtet sich in Menschen verachtende Kriege.
Wenn Frieden und soziale Gerechtigkeit nicht garantiert sind, bleiben alle Bildungsbemühungen weitestgehend wirkungslos. Das lehrt uns die PISA-Studie des Jahres 2002 auf sehr deutliche Weise.

Etwas ist schief in Deutschland:
  • wenn die Bundesregierung nach Welt-Kriegsherrschaft strebt, als gäbe es den Verfassungsauftrag Frieden nicht;
  • wenn Sicherheitsgesetze in Kraft treten, die den Weg in den Polizeistaat ebnen;
  • wenn rechtsradikale Parteifunktionäre von staatlichen Geheimdiensten bezahlt werden;
  • wenn Minderheiten und Andersdenkende mit kräftiger Hilfe der Medien ausgegrenzt werden;
  • wenn Parteien von Schmiergeldzahlungen leben;
  • wenn Arbeitssuchende der Profitgier privater Vermittler ausgeliefert werden;
  • wenn soziale, kulturelle und Bildungsprojekte überall dem Rotstift zum Opfer fallen.
Anlässlich des Nato-Angriffs auf Jugoslawien vor drei Jahren stellten die Pädagoginnen und Pädagogen für den Frieden fest: Krieg ist kein Mittel zur Konfliktlösung! Krieg darf nicht länger Mittel der Politik sein!
Dieser Satz galt 1999. Er gilt für den Krieg in Afghanistan und er wird in Zukunft Gültigkeit haben. Er ist im Übrigen dem Erlass zur Friedenserziehung in den Schulen Nordrhein-Westfalens aus dem Jahr 1985 entnommen. Krieg darf nicht länger Mittel der Politik sein!

Dieses NEIN zum Krieg habe ich am 18. September 2001, eine Woche nach den Anschlägen von New York, in einer Rede vor 3000 Schülerinnen und Schülern in Siegen wiederholt. Dafür wurde ich für drei Monate vom Dienst suspendiert und dann zwangsversetzt.

Ohne die Solidaritätsaktionen, die insbesondere auch von Duisburg ausgegangen sind, würde ich heute hier nicht selbstbewusst und voller Optimismus stehen.
Optimismus, weil wir im Protest gemeinsam stark sind.
Optimismus, weil wir basisdemokratisch organisiert sind.
Optimismus, weil wir Widerstand leisten.
Optimismus, weil wir Zivilcourage beweisen.
Optimismus, weil wir Partei nehmen für die Ohnmächtigen.
Wir lassen uns nicht abbringen davon, dass unsere Vision von einer nachhaltig, demokratisch und zivil gestalteten Welt Wirklichkeit werden kann.

* Bernhard Nolz ist Sprecher der Pädagoginnen und Pädagogen für den Frieden (PPF) und Geschäftsführer des Zentrums für Friedenskultur (ZFK)


Zurück zur Seite "Ostermarsch 2002"

Zurück zur Homepage