Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

"Frostbeulen statt Bomben" - Willi Hoffmeister: "Der Ostermarsch lebt"

Ein Ausflug in die Presse - Berichte, Interviews und Kommentare zu den Ostermärschen

Die Ostermärsche sind längst zu einem festen Bestandteil der Politik der Friedensbewegung "vor Ort" und der Protestkultur in diesem Land überhaupt geworden. Unverzichtbar erscheinen sie vor allem auch deshalb, weil mit ihnen regelmäßig der Einbruch in die ansonsten doch eher bewegungsresistente Medienberichterstattung gelingt. Tagelang werden die Friedensdemonstrationen im Hörfunk und Fernsehen der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten angekündigt, wird über sie berichtet, werden Bilder ausgestrahlt (Einen Überblick verschafft der Medienspiegel auf der Website des "Netzwerks Friedenskooperative". Die Printmedien machen da keine Ausnahme.
Im Folgenden dokumentieren wir nur eine kleine Auswahl von Artikeln. Aus ihnen geht hervor: Zumindest dort, wo Ostermärsche stattfanden (2008 war das an rund 90 Orten der Fall) widmen ihnen die lokalen und regionalen Zeitungen längere Artikel. Sie sind aber nicht immer gut gemeint.
Wir beginnen mit einem Interview mit Willi Hoffmeister, dessen Name fest verbunden ist mit dem Ostermarsch Ruhr. Willi Hoffmeister feierte dieser Tage seinen 75. Geburtstag und moderierte die Abschlusskundgebung des Ruhr-Ostermarsches in Dortmund.
Zitiert werden:



"Der Ostermarsch ist nicht bedeutungslos"

Willi Hoffmeister ist einer der Organisatoren des Ostermarsches Ruhr, der durch mehrere NRW-Städte führte

Neues Deutschland: Am Wochenende sind hunderte Ostermarschierer durch das Ruhrgebiet gezogen. Sind Sie mit dem Verlauf zufrieden?

Hoffmeister: Auch wenn es von Nöten wäre, dass sich Hunderttausende bewegen müssten, um der verheerenden Sozial- und Kriegspolitik der Bundesregierung in den Arm zu fallen, zeigen die bundesweiten Osteraktionen der Friedensbewegung: Der Ostermarsch lebt! Der Ostermarsch Rhein-Ruhr hat an drei Tagen einige tausend Menschen erreicht und unser Anliegen deutlich machen können. Viele Unterschriften wurden für den Appell »Bundeswehr raus aus Afghanistan« gesammelt. Die Forderung nach Abzug der noch in Büchel lagernden US-Atomwaffen wurde mit der Werbung für die am 30. August dort stattfindende Aktion vertieft. Diese Kampagne wird bis zum Aktionstag die Arbeit der Friedensgruppen an Rhein und Ruhr tangieren, um mit einer großen Zahl von Teilnehmern gegen die US-Atomwaffen auf die Straße zu gehen. Darüber hinaus: Gestern haben einige hundert Ostermarschierer mit einem Friedensfest den Ostermarsch Rhein- Ruhr in Dortmund ausklingen lassen. Die Teilnahme vieler junger Menschen stimmt mich optimistisch, dass auch in Zukunft der Ostermarsch seinen Weg macht.

Vielfach wird der Friedensbewegung in den Medien die politische Bedeutungslosigkeit attestiert. Berechtigterweise?

Wenn unsere aktive Friedensarbeit so bedeutungslos wäre, würden die bürgerlichen Medien darüber kein Wörtchen verlieren. Das Gegenteil ist der Fall!

Unabhängige antimilitaristische Gruppen haben unlängst die Parole »Den Hindukusch in Deutschland verteidigen!« ausgegeben und sich für zivilen Ungehorsam und Sabotageaktionen an Kriegsgerät ausgesprochen. Ist es ob der stetigen Militarisierung der Gesellschaft nicht an der Zeit, dass sich auch die Friedensbewegung radikaler und offensiver positioniert?

Radikalität ist dann gut, wenn sie von einer breiten Bewegung getragen wird. Ziviler Ungehorsam und Sabotage an Kriegsgerät sind dabei für mich zwei verschiedene Dinge. Entscheidend ist, welche Aktionen laden passive, aber einer Sache positiv zugetane Menschen, zum Mitmachen ein. Wenn zwei Drittel aller Bundesbürger sich gegen den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr aussprechen und Peter Struck (SPD) daraufhin sagt, er wisse das, aber trotzdem sei die Verteidigung am Hindukusch richtig, zeigt er damit nur die Arroganz der Macht. Diese Zwei-Drittel-Mehrheit hat es in der Hand, solch einem Treiben zivil und ungehorsam ein Ende zu setzen und eine andere Politik durchzusetzen.

Sie haben den Ostermarsch im Ruhrgebiet über Jahrzehnte hinweg organisiert. Dafür sind Sie am Samstag mit dem Düsseldorfer Friedenspreis geehrt worden. Wie fällt Ihre persönliche Bilanz aus?

Dankbar bin ich all den vielen Mitstreitern, die den Ostermarsch jährlich mit vorbereiten. Denn nur gemeinsam sind wir stark! Mein Onkel Franz sagte mir nach seiner elfjährigen Internierung im KZ einmal: Junge, tu alles, dass es nie wieder zu Faschismus und Krieg kommt. Mein Leben lang habe ich diesen Satz niemals vergessen. Und niemals möchte ich mir vorwerfen müssen, dazu nicht alles in meiner Kraft Stehende getan zu haben. Auch wenn ich heute feststellen muss, dass Nazis sich wieder tummeln dürfen und von deutschem Boden wieder Krieg ausgeht, keine Sekunde des Kampfes der Friedensbewegten und Antifaschisten war vergebens.

Heute findet in Dortmund anlässlich Ihres 75. Geburtstages ein Empfang statt. Was sind Ihre Wünsche für die Zukunft?

Dass meine Kraft ausreichen möge, im Mai noch einmal am gewaltigen Tagesmarsch der griechischen Friedensbewegung zu Ehren des von der Junta ermordeten Friedenskämpfers Grigoris Lambrakis von Marathon nach Athen teilzunehmen und dabei ein wenig davon zu träumen, dass die Völker endlich Bertha von Suttners Satz beherzigen: »Die Waffen nieder!«

Fragen: Markus Bernhardt

Aus: Neues Deutschland, 25. März 2008


"Krieg schafft Probleme"

Drewermann als Gastredner beim Ostermarsch

Von Leif Rullhusen

BREMEN. „Frostbeulen statt Bomben“ wäre wohl ein treffendes Motto des gestrigen Ostermarsches gewesen. Alljährlich ruft das Bremer Friedensforum zu der pazifistischen Veranstaltung auf und ließ sich gestern von Schneeschauen und Eiseskälte so auch nicht aufhalten. Vielleicht 600 Kriegsgegner erwiesen sich als ebenso wetterresistent wie die Organisatoren und zogen vom Ziegenmarkt im Steintor zum Marktplatz.

Dort wärmte Gastredner Eugen Drewermann zumindest die durchgefrorenen Seelen mit seinen Worten etwas auf. Der ehemalige katholische Priester erlangte Publizität, als ihm der Paderborner Erzbischof Degenhardt 1991 die Lehr-, sowie Predigtbefugnis entzog und ihn vom Priesteramt suspendierte. Offizielle Begründung waren eine von der Kirchenführung abweichende Moraltheologie und Bibelauslegung. Drewermann zweifelte unter anderem die Jungfrauengeburt von Jesus an.

„Während wir hier stehen, sterben Menschen im Gaza- Streifen, im Irak, in Sri Lanka, in Afghanistan...“, verurteilte Kirchenrebell Drewermann die weltweiten Kriegsaktivitäten. Er forderte die Bundesregierung auf, die allgemeine Wehrpflicht abzuschaffen. „Aber nicht, um sie durch eine Berufsarmee zu ersetzen“, stellte der Theologe klar. 18-jährige Jungen und Mädchen dürften nicht dazu ausgebildet werden, andere Menschen zu ermorden.

Wenn man das Wort Krieg nur ausspreche, falle man Jahrtausende in die Steinzeit zurück. Drewermann: „Nichts ist kulturfeindlicher als die Option des Krieges.“

Er erklärte anhand von Beispielen, dass Soldaten nicht aus Sadismus töteten oder folterten, sondern aus Pflichterfüllung und Gehorsam. Deshalb forderte er auf, ungehorsam gegenüber denen zu sein, die den Krieg propagieren.

Auch den „Kreuzzug gegen das Böse“ der Bush-Administration verurteilte Drewermann zutiefst. „Es gibt nicht hier die Guten und dort die Bösen. Wenn wir so denken, sind wir selbst böse.“ Auch löse Krieg keine Probleme, er schaffe erst welche, erklärte der Paderborner Theologe. Er rechnete den Demonstranten vor, was Rüstung an Geld verschlinge und wofür diese Mittel alternativ verwendet werden könnten. Allerdings stehe im Hintergrund eine mächtige Rüstungslobby, die den Hals und den Bauch nicht voll bekomme.

Eva Böller und Ekkehard Lenz vom Bremer Friedensforum waren mit der Teilnahme am gestrigen Ostermarsch durchaus zufrieden, obwohl sich beide noch an ganz andere Zeiten erinnern können. „Früher waren auf dem Marktplatz sogar mal zehntausend Menschen“, erzählt Eva Böller. „Aber das ist schon lange her.“

Sonntags-Tipp (Bremen), 25. März 2008


Tausende gegen Bombodrom

Ostermarsch-Aktionen in mehr als 80 Orten / Protest gegen Bundeswehrübungen und -einsätze

Von Reimar Paul


Die diesjährigen Ostermärsche gingen gestern mit Demonstrationen und Kundgebungen in mehr als einem Dutzend Städten zu Ende. Insgesamt waren nach Angaben der Frankfurter Ostermarsch-Infostelle am Wochenende in mehr als 80 Orten bundesweit rund 60 000 Menschen für Frieden und Abrüstung auf den Beinen. Die Zahl der Teilnehmer war damit im Vergleich zu 2007 um 10 000 gestiegen.

Die Friedensbewegung ist mit der Beteiligung an den diesjährigen Ostermärschen zufrieden. »Sie entsprach trotz des schlechten Wetters der des Vorjahres«, sagte Willy van Ooyen, seit vielen Jahren Sprecher der Frankfurter Ostermarsch-Infostelle und neuerdings auch Fraktionschef der LINKEN in Hessen. Die Friedensbewegung habe bundesweit Präsenz gezeigt. Mit ihrer Ablehnung von Kriegseinsätzen stehe sie »für den Mehrheitswillen der Bevölkerung« – und gegen die Parlamentsmehrheit, die wiederholt für die Ausweitung des Bundeswehrmandates in Afghanistan gestimmt habe. »Der Zuspruch zu den Friedensdemonstrationen war eher größer als im vergangenen Jahr«, meinte Peter Strutynski vom Bundesausschuss Friedensratschlag in Kassel. Er sprach von einem »aufmunternden Ergebnis« angesichts der bevorstehenden Herausforderungen.

Größter Ostermarsch war wie schon in den Vorjahren die Demonstration zum »Bombodrom« in der Kyritz-Ruppiner Heide in Brandenburg. 5000 Menschen verlangten dort die zivile Nutzung des früheren sowjetischen Truppenübungsplatzes, auf dem die Bundeswehr Tiefflüge und Bombenabwürfe üben will. Trotz massenhafter Proteste und verlorener Gerichtsprozesse hält Verteidigungsminister Franz-Josef Jung (CDU) an diesem Vorhaben fest.

Auch in der Colbitz-Letzlinger Heide in Sachsen-Anhalt und im thüringischen Ohrdruf protestierten Ostermarschierer gegen Truppenübungsplätze. Den traditionellen dreitägigen Ostermarsch Ruhr von Duisburg nach Dortmund absolvierten viele Demonstranten mit dem Fahrrad. In Mannheim führte eine Fahrrad-Demo zur dort ansässigen Bundesakademie für Wehrverwaltung und Wehrtechnik. Auch in Braunschweig und Rostock waren Kriegsgegner mit Fahrrädern unterwegs. Zum zentralen Ostermarsch Baden-Württemberg versammelten sich nach Angaben der Veranstalter rund 1000 Demonstranten in Stuttgart.

In Ramstein wurde an die Opfer der Flugschaukatastrophe vom 28. August 1988 erinnert, bei der 70 Menschen starben. Friedensgruppen aus Hannover demonstrierten gegen die in Niedersachsen stationierte 1. Panzerdivision der Bundeswehr. Sie stellt Teile der Kampftruppe, die auf NATO-Anforderung nach Afghanistan geschickt werden soll. Zum länderübergreifenden Ostermarsch trafen sich Demonstranten aus Niedersachsen und Thüringen an der Landesgrenze bei Duderstadt.

Auch in Nachbarländern gingen Kriegsgegner auf die Straße. In Brüssel nahm die Polizei bei einer Kundgebung am NATO-Hauptquartier am Samstag 500 Demonstranten fest. Einige Teilnehmer hatten zuvor versucht, auf das abgesperrte Areal vorzudringen. Die von Friedensgruppen aus 17 Ländern vorbereitete Aktion stand unter dem Motto »NATO Game over!«

Bei vielen Ostermärschen sammelten Friedensgruppen Unterschriften für einen Appell an den Bundestag, das Afghanistan-Mandat der Bundeswehr nicht zu verlängern. Der Aufruf habe weithin »große Zustimmung« erfahren, erklärte die Infostelle. Weitere zentrale Themen bei den Kundgebungen waren der Konflikt im Nahen Osten sowie der Irakkrieg. Redner erinnerten an die hunderttausende Opfer, die der Angriff der USA auf das arabische Land bislang zur Folge hatte.

Viele Aufrufe kritisierten zudem, dass die Bundesregierung den völkerrechtswidrigen Krieg unterstütze, indem sie den US-Streitkräften Militärbasen in Deutschland zur Verfügung stelle. Von dort aus werde »die tödliche Fracht in den Irak transportiert«. Berlin müsse den Luftraum für solche Militäroperationen sperren und könne dies auch.

Aus: Neues Deutschland, 25. März 2008


"Kampf gegen die Wirtschaft"

Jetzt ist auch die Nordost-CDU gegen das Bombodrom bei Wittstock

Von Velten Schäfer, Fretzdorf


Die Bewegung gegen den Bombenabwurfplatz der NATO bei Wittstock steht möglicherweise kurz vor dem Erfolg. Auch die Schweriner CDU kann sich dem nicht mehr entziehen.

Jürgen Seidel hatte sich eigens in Räuberzivil geworfen. In Windjacke, Jeans und Wanderstiefeln erschien Mecklenburg-Vorpommerns CDU-Wirtschaftsminister am Sonntag auf dem Kirchplatz in Fretzdorf, um eine Premiere zu begehen: Im 16. Jahr der Proteste gegen den »Luft-Boden-Schießplatz« nahe der mecklenburgischen Seenplatte zeigte sich dort erstmals ein Spitzenpolitiker auch der Nordost-Union.

Leicht gefallen ist Seidel der Auftritt sichtlich nicht. Mit schiefem Mund und gerunzelter Stirn lauschte der Minister kurz vor seinem Auftritt etwa der »geistlichen Besinnung« durch Peter Kranz, den notorisch linken Pfarrer der Berliner Luther-Gemeinde: Die Bundeswehr verteidige am Hindukusch nicht die Bundesrepublik, sagte der, sondern »den Drogenanbau afghanischer Kriegsfürsten«. Deutsche Soldaten heizten den Konflikt nur an, müssten zurückgezogen und das Geld für soziale Zwecke umverteilt werden, so der Geistliche aus der Hauptstadt.

Doch der CDU-Mann hielt sich tapfer. Er ignorierte die Konstantin-Wecker-Beschallung und verdrängte den Umstand, dass vier Redebeiträge nach ihm eine der G-8-Protestorganisatorinnen reden würde, die er sonst als gefährliche Krawallmacher anspricht. Dann dankte er, unter anderem vor der fast vollständig angereisten Nordost-Linksfraktion, dem »bunten Widerstand vor Ort«. Das Festhalten der Bundes-CDU am Bombodrom deutete Seidel als »Kampf gegen die Wirtschaft«. 600 Millionen Euro seien in der Müritzregion seit der Wende im Tourismus investiert worden, 180 Millionen als Fördermittel – all das sei in Gefahr. »Wir«, beeilte sich Seidel nachzuschieben, »haben aber nichts gegen die Bundeswehr.«

Das Murren war zwar hörbar, aber leise. Ostermarschierer sind offenbar höfliche Leute. Mit freundlichem Applaus quittierten sie auch die Ansprache des Potsdamer Landwirtschaftsministers Dietmar Woidke (SPD), der ebenfalls von »zwei- bis dreistelligen Millionenbeträgen« sprach, die wegen der Bombodrom-Pläne noch nicht in die Region geflossen seien. Immerhin hatte Woidke eine gute Botschaft mitgebracht: Vielleicht schon im nächsten Jahr, unterstrich Woidke den Optimismus seines Ministerpräsidenten, werde man »auf die Freie Heide anstoßen« können.

Seit Jahren ist die Fretzdorfer Osterwanderung die bundesweit größte Veranstaltung am Aktionswochenende der Friedensmarschierer. Wie vielen Gegnern des Bombenabwurfs zu Übungszwecken es dabei tatsächlich nur um die Vermietbarkeit ihrer Ferienwohnung geht, ist indessen schwer zu sagen. Bei den organisierten Gruppen, die ihre Stände auf dem Anger vor dem Fretzdorfer Kirchlein aufgebaut hatten, stand Kritik an Armee und NATO-Militärpolitik aber klar im Vordergrund. »Die Leute kommen aus den unterschiedlichsten Gründen her«, sagt Monty Schädel von der Friedensgesellschaft DFG-VK, die auch am Sonntag für die Auflösung der Bundeswehr warb.

Andererseits könnte die Reichweite des Bündnisses dessen konkreten Erfolg bedeuten. Der Schweriner Landtag hat den Bomben-Übungsplatz gerade in einem übergreifenden Antrag verurteilt. Im vergangenen Juli untersagte zudem das Potsdamer Verwaltungsgericht die militärische Nutzung vorläufig. Ein gutes Zeichen, fand auch Benedikt Schirge von der Initiative »Freie Heide«. Auf die Gerichte dürfe man sich aber nicht verlassen: »Das ist vor allem eine politische Entscheidung.«

Aus: Neues Deutschland, 25. März 2008


Ostermarschierer demonstrierten für den Frieden

"Krieg ist ein Verbrechen"

«Menschenrechte lassen sich nicht herbeibomben, Demokratie ist kein Exportartikel. Und gegen Terroristen hilft kein Militär, sondern damit kommen zivile Ermittler und Strafverfolgungsbehörden, Polizei und Justiz besser klar.» Worte, für die Peter Strutynski auf der Abschlusskundgebung des 27. Ostermarschs bei den nach Veranstalterangaben knapp 1000 Zuhörern vor der Lorenzkirche viel Beifall findet.

Der Irak, so der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, «ist um Jahrzehnte in seiner Entwicklung zurückgebombt worden»; und in Afghanistan sei die Lage der Menschen auch im siebten Kriegsjahr «nicht besser, sondern in vielen Bereichen sogar schlechter geworden». Strutynski, der an der Universität in Kassel Politikwissenschaft lehrt, hält selbst das Argument, dass es den Frauen in Afghanistan durch den Sturz der Taliban wesentlich besser gehe, für fragwürdig. «Die Selbstmordrate der Frauen ist noch nie so hoch gewesen wie jetzt.» Die Lebenserwartung der afghanischen Frauen liege bei 44 Jahren und sei damit eine der niedrigsten in der Welt. Zudem würden die Taliban die Hälfte des Landes immer noch oder schon wieder beherrschen, und die andere Hälfte werde von Kriegsherren und Drogenbaronen kontrolliert, die «um keinen Deut fortschrittlicher oder demokratischer» seien.

Dass die Bundesregierung dennoch eine zusätzliche Kampfeinheit an den Hindukusch schickt, hält Strutynski für einen groben Fehler. «Wenn wir hier nicht umsteuern, dann wird Deutschland in einen Krieg hineinwachsen, der unser Vietnam werden kann.» Wirksame zivile Hilfe könne nur geleistet werden, wenn das Militär abziehe. Mit der Aufstockung der Truppen dagegen wachse auch der Widerstand. Argumente, die die Bundesregierung bedenken müsse, wenn ihr zum Beispiel der neue US-Präsident ein stärkeres Engagement im Irak abverlangen sollte.

Auch Anna Beltinger vom Friedensforum, das den Ostermarsch organisierte, ist überzeugt davon, dass Krieg «nichts bringt» – außer neuen Problemen. «Krieg ist ein Verbrechen», sagt sie, lobenswert sei dagegen – wie sie auch im Hinblick auf die knapp 15 Ostermarschierer vom «Freundeskreis Tibet» herausstellt – der kreative, zivile Einsatz für kulturelle Interessen.

Kreativ zeigten sich die Friedensaktivisten auch auf ihren Transparenten und Schildern mit Sprüchen wie «Krieg führen kann tödlich sein» oder «Halb Kriegsschauplatz, halb Armenhaus – sieht so die Welt von morgen aus?»

Unterdessen wurde an den Ostertagen auch in München, Würzburg, Erlangen, Ansbach, Traunstein und Augsburg gegen militärische Konfliktlösungen und für den Frieden demonstriert. Über 3000 Menschen waren auf der Straße.

Marco Puschner

Nürnberger Zeitung, 25. März 2008


Osterwanderung gegen Bombodrom

Tausende Menschen zogen am Ostersonntag in der Nähe von Wittstock los - aus Protest gegen das geplante Bombodrom. Politiker sagten Unterstützung zu und erwarten ein Machtwort von der Bundeskanzlerin.

FRETZDORF - Mehrere Tausend Menschen haben am Sonntag am traditionellen Ostermarsch gegen das so genannte Bombodrom bei Wittstock teilgenommen. Nach Angaben der Bürgerinitiative Freie Heide beteiligten sich rund 5000 Demonstranten an der 16. Osterwanderung gegen die geplante Wiederinbetriebnahme eines ehemaligen Luft-Boden-Schießplatzes in der Kyritz-Ruppiner Heide. Die Aktion galt in den vergangenen Jahren als größter Ostermarsch in Deutschland. 2007 hatten sich nach Veranstalterangaben 10.000 Teilnehmer auf dem Dorfplatz in Fretzdorf versammelt und waren gemeinsam zum geplanten Bombenabwurfplatz gezogen.

Der Sprecher der Bürgerinitiative, Benedikt Schirge, äußerte sich trotz der geringeren Teilnehmerzahl positiv. Angesichts des nasskalten Wetters ist die Resonanz zufriedenstellend. Auf einer´Kundgebung an der Grenze zum "Bombodrom" kritisierten Brandenburgs Umweltminister Dietmar Woidke (SPD) und der Wirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern, Jürgen Seidel (CDU), die Pläne des Bundesverteidigungsministeriums für den Bombenabwurfplatz. Sie hätten negative Auswirkungen besonders auf den Tourismus. Zugleich sicherten sie den "Bombodrom"-Gegnern weiterhin die Hilfe der Landesregierungen zu.

Seit 1993 finden die Protestwanderungen statt

Gestartet war der Ostermarsch wie in den Vorjahren am frühen Nachmittag an der Kirche in Fretzdorf. Diesmal hielt der Theologe Peter Kranz aus Berlin die so genannte geistliche Besinnung, die immer am Anfang der Demonstration steht.

Die Bürgerinitiative Freie Heide veranstaltet die Osterwanderungen seit 1993. Außerdem ruft sie seit 1992 jährlich zu mehreren Protestwanderungen auf. Der diesjährige Ostermarsch gilt als 108. Protestwanderung.

Am Karfreitag hatte die brandenburgische Grünen-Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm im Kampf gegen das "Bombodrom" von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein Machtwort gefordert. Sie solle Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) "auf die Ebene der Tatsachen zurückholen" und eine Aufgabe seiner Pläne erwirken, betonte Behm. Sie warf dem Minister und einigen Militärs vor, es gehe ihnen bei dem Schießplatz um Macht und Prestige und fügte hinzu: "Und diese Spielereien bremsen seit nunmehr 16 Jahren die Regionalentwicklung rund um die Kyritz-Ruppiner Heide." (tbe/ddp)

Der Tagesspiegel, 25. März 2008


"Das wird unser Vietnam"

Ostermarsch: Bürger protestieren gegen Militäreinsätze im Ausland

Die deutschen Rüstungsexporte und das militärische Engagement der Bundeswehr im Ausland haben beim 27. Ostermarsch in Nürnberg im Mittelpunkt der Kritik gestanden.

«Deutschland wächst immer mehr in den Krieg in Afghanistan hinein. Das wird unser Vietnam», meinte der Hauptredner Peter Strutynski bei der Kundgebung vor der Lorenzkirche.

Schon bei den Auftaktveranstaltungen im Norden und Süden der Stadt beklagten Friedensaktivisten, dass die Bundesrepublik militärisch eine immer stärkere Rolle einnehme. «Deutschland ist nach den USA und Russland bereits auf dem dritten Platz bei den Rüstungsexporten», sagte Hans-Günther Schramm vom «Nürnberger Evangelischen Forum für den Frieden» am Olof-Palme-Platz.

Mehr Rüstungsexporte

Die frühere Grünen-Stadträtin Elke Winter nannte Zahlen der «Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung», wonach 2006 die Ausfuhrgenehmigungen für deutsche Rüstungsexporte auf 7,7 Milliarden Euro (Vorjahr: 6,2 Mrd. Euro) gestiegen seien. Auch wenn ein großer Teil davon an EU- und Nato-Staaten geliefert würden, sei nicht auszuschließen, dass deutsche Waffen auch in Konflikt- und Kriegsregionen landeten.

Zuvor hatte der ehemalige Grünen-Landtagsabgeordnete Schramm bereits heftige Kritik an den Auslandseinsätzen der Bundeswehr geübt. «Hier geht es doch vor allem um die Verteidigung deutscher Wirtschaftsinteressen», sagte er vor dem Ostermarsch auf dem Weg zum Platz vor der Lorenzkirche.

Dort versammelten sich – nach sehr optimistischen Schätzungen der Veranstalter – etwa 1000 Demonstranten, darunter auch einige Teilnehmer mit tibetischer Fahne und Boykott-Aufrufen für die Olympischen Spiele in China.

Hauptredner Peter Strutynski ... nahm ebenfalls das militärische Engagement der Bundesrepublik aufs Korn. «Der Krieg in Afghanistan ist nun schon im siebten Jahr. Doch die Lage dort hat sich für die Menschen nicht verbessert, sondern sie ist schlechter geworden», sagte der Sprecher des «Bundesausschusses Friedensratschlag».

Deutschland wachse immer mehr in diesen Krieg hinein. «Das wird unser Vietnam», meinte er. Mehr Soldaten bedeuteten nur noch mehr Widerstand gegen sie.

Friedensdienst in Israel

Strutynski wie auch Anna Beltinger, Sprecherin des Nürnberger Friedensforums, erklärten zudem, dass die durch Bundesregierung und Bundestag beschlossenen Auslandseinsätze der Bundeswehr in der Bevölkerung mehrheitlich abgelehnt würden.

Beltinger: «Es gibt eine Diskrepanz zwischen dem Willen des Volkes und dem Vorhaben der Bundesregierung, das Einsatzmandat der Bundeswehr in Afghanistan zu verlängern und die Truppenstärke aufzustocken.»

Symbolische Mauer

Wieder stärker in den kritischen Fokus der Friedensaktivisten rückt Israel. So hatte die «Friedensinitiative Nordost» am Olof-Palme-Platz mit schwarzen Tüchern symbolisch 15 Meter Mauer zwischen Israel und Palästina dargestellt.

«Acht Meter ist die Mauer hoch und mehrere Kilometer lang», sagte Kristina Kühl. Die 30-Jährige geht im Herbst über das Evangelische Missionswerk für drei Monate als «Internationale Ökumenische Beobachterin» in das Krisengebiet. Ihr möglicher Einsatzort ist Jerusalem oder Bethlehem. «In dem Projekt werden Friedensbewegungen in Israel und Palästina unterstützt», erklärt sie.

Ihre Aufgabe könnte es sein, Schulkinder zu begleiten, als Beobachterin an einem Grenz-Checkpoint oder in einem Dorf auf der Westbank aufzupassen. Das Ziel des Friedensdienstes, so Kühl, sei «Schutz durch gehaltslose Präsenz».

Andreas Franke

Nürnberger Nachrichten, 25. März 2008


Routiniert gegen Krieg

Zehntausende bei Ostermärschen: Bundesweit Proteste gegen Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr und Truppenübungsplätze

Von Reimar Paul

Mit Demonstrationen und Kundgebungen in mehr als einem Dutzend Städten sind am Montag die Ostermärsche der Friedensbewegung zu Ende gegangen. Ungeachtet des kalten Wetters haben sich mehr Menschen an den Protesten beteiligt als im Vorjahr, sagte ein Sprecher der Ostermarsch-Infostelle in Frankfurt (Main). Das rege Interesse sei vor allem auf die Debatte um den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr zurückzuführen. Nach Angaben der Infostelle folgten bundesweit 60000 Menschen den Aufrufen der Veranstalter.

Größter Ostermarsch war wie schon in den Vorjahren die Demonstration zum »Bombodrom« in der Kyritz-Ruppiner Heide bei Fretzdorf (Brandenburg). Allein hier waren nach Angaben der Bürgerinitiative (BI) »Freie Heide« am Sonntag rund 5000 Kriegsgegner auf den Beinen. Die BI, Umweltschützer sowie zahlreiche Lokal- und Landespolitiker verlangen die zivile Nutzung des früheren sowjetischen Truppenübungsplatzes. Die Bundeswehr will dort aber Tiefflüge und Bombenabwürfe üben. Trotz massenhafter Proteste und verlorener Gerichtsprozesse hält Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) an diesem Vorhaben fest. Der Fretzdorfer Ostermarsch fand bereits das 16. Jahr in Folge statt.

Auch in Sachsen-Anhalt und Thüringen protestierten Ostermarschierer gegen Truppenübungsplätze. In der Colbitz-Letzlinger Heide forderten die Demonstranten, das mit rund 60000 Hektar größte unbewohnte Gebiet in Deutschland ausschließlich friedlich zu nutzen. Auf dem Truppenübungsplatz Ohrdruf werden jedes Jahr nach Angaben der Bundesregierung zwischen 9000 und 12000 Soldaten der Bundeswehr ausgebildet. Auch das berüchtigte Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr hat bereits mehrmals auf dem Gelände trainiert.

Den traditionellen dreitägigen Ruhr-Ostermarsch von Duisburg nach Dortmund absolvierten die meisten Demonstranten mit dem Rad. In Mannheim führte ein Fahrradkorso zur dort ansässigen Bundesakademie für Wehrverwaltung und Wehrtechnik. Auch in Braunschweig und Rostock waren Kriegsgegner mit Fahrrädern unterwegs. Zum zentralen Ostermarsch Baden-Württemberg versammelten sich nach Angaben der Veranstalter rund 1000 Demonstranten in Stuttgart. Ebenso viele folgten dem Aufruf Berliner Friedensaktivisten. In Erinnerung an die Anfänge der Ostermarschbewegung vor 50 Jahren zog die Demonstration im Westen der Hauptstadt über den Kurfürstendamm zur Gedächtniskirche. Die Organisatoren des Münchner Ostermarsches hatten vor der Kundgebung zu einem ökumenischen Friedensgottesdienst eingeladen. In Ramstein wurde an die Opfer der Flugschaukatastrophe vom 28. August 1988 erinnert, bei der mehr als 70 Menschen starben. Friedensgruppen aus Hannover demonstrierten gegen die in Niedersachsen stationierte 1. Panzerdivision der Bundeswehr. Sie stellt Teile der neuen Kampftruppe, die auf Anforderung der NATO nach Afghanistan geschickt werden soll.

Auch in Nachbarländern gingen Kriegsgegner auf die Straße. In Brüssel habe die Polizei bei einer Kundgebung am NATO-Hauptquartier zahlreiche Demonstranten festgenommen, berichteten Augenzeugen gegenüber junge Welt. Einige Teilnehmer hätten zuvor versucht, auf das abgesperrte Areal vorzudringen. Die von Friedensgruppen aus mehreren Staaten vorbereitete Aktion stand unter dem Motto »NATO – Game over!«

Bei vielen Ostermärschen sammelten Friedensgruppen Unterschriften für einen Appell an den Bundestag, das Afghanistan-Mandat der Bundeswehr nicht zu verlängern. Der Aufruf habe weithin »große Zustimmung« erfahren, erklärte die Ostermarsch-Infostelle. »Ein Krieg gegen Terror kann militärisch nicht gewonnen werden, da er selbst immer wieder Gewalt hervorruft«, heißt es in dem Appell an die Parlamentarier. »Der Abzug der Besatzungstruppen schafft Voraussetzungen für die Einstellung der Kampfhandlungen und für eine zivile Entwicklung.« Ostermarsch-Koordinator Willi van Ooyen, der auch Fraktionschef der Linken in Hessen ist, griff den Grünen-Politiker Tom Koenigs scharf an. Wenn der jetzt den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan verteidige, »bleibe er sich treu«. Koenigs habe bei politischen Konflikten stets auf militärische Lösungen gesetzt. »Militär und Krieg sind Terror und bringen keine Lösung«, so van Ooyen.

Weitere Themen bei den insgesamt 90 Ostermarsch-Kundgebungen waren der Irak-Krieg sowie der Konflikt im Nahen Osten. Zudem verlangt die Friedenbewegung ein radikales Umsteuern in der Energie- und Klimapolitik. Der Wechsel hin zu erneuerbaren Energien und Einspartechniken sei Voraussetzung für die Verhinderung künftiger Kriege, erklärte das Netzwerk Friedenskooperative in Bonn.

Aus: junge Welt, 25. März 2008


Katze aus dem Sack

VON GEORG LEPPERT (A u s z ü g e)

Eine halbe Stunde lang ist alles gut. Eine halbe Stunde lang bekommen Nadja, Maike, Bärbel und ihre Mitstreiter von der Friedensinitiative Südhessen auf dem Römerberg genau das zu hören, wofür sie am Ostermontag nach Frankfurt gekommen sind. Da sagt Ursula Schumm-Garling, seit Jahrzehnten in der Friedensbewegung aktiv, dass der vor fünf Jahren begonnene Irak-Krieg noch längst nicht vorbei und die Begründung für den Militäraufmarsch der USA eine "plumpe Lüge" gewesen sei. Und Vera Morgenstern, Verdi-Funktionärin und nach eigenen Angaben ein "Fossil der linken Bewegung", ruft den Menschen vor dem Rathaus von der Bühne aus zu, dass sie nicht wegschauen dürften, wenn Politiker schlechte Politik machen. Alles bestens.

Aber dann kommt er: Wolfgang Strengmann-Kuhn, Privatdozent am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Goethe-Uni, seit 27 Jahren Mitglied der Grünen, seit Januar mit Sitz im Bundestag. Er beginnt vorsichtig. Klar, der von US-Präsident George Bush ausgerufene "Krieg gegen den Terror" sei abzulehnen, weil menschenverachtend. Applaus im Publikum. Aber die Bundeswehr-Mission in Afghanistan, die müsse man schon differenziert betrachten. Äußerst irritierte Blicke. Weil: Die Bevölkerung in Afghanistan müsse geschützt werden. Buh-Rufe. Auch durch militärische Mittel.

Jetzt ist die Katze aus dem Sack, jetzt sind Nadja, Maike und die ganze Friedensinitiative Südhessen stinksauer, jetzt pfeifen sie, jetzt rufen sie "Hau ab" und Halt's Maul", und da hilft es auch nichts, dass Strengmann-Kuhn noch Sätze hinterherschiebt wie "Militär schafft keinen Frieden". Die 1500 Menschen, die zur Abschlusskundgebung des Ostermarsches gekommen sind, haben ihren Buhmann gefunden. Strengmann-Kuhn bricht seine Rede ab, es hört ihm ohnehin kaum einer mehr zu (...)

Ob Willi van Ooyen von dem Tumult etwas mitbekommen hat? Der 61-Jährige, der wie jedes Jahr seit gefühlten 300 Osterfesten für das Programm des Friedensmarsches verantwortlich zeichnet, hat kaum Zeit, sich eine Rede anzuhören. (...) Ständig muss er Hände schütteln, Leute umarmen und Interviews geben. In denen sagt er dann, dass die Friedensbewegung sehr lebendig sei, was man an der Vielfalt der Gruppen auf dem Römerberg sehe.

Tatsächlich gibt es vor dem Rathaus wieder Proteste aller Art. Die Palästinenser demonstrieren gegen Israel. "Die Besatzung löst nicht das Problem, die Besatzung ist das Problem", steht auf ihren Transparenten. Mitglieder der DKP verteilen die "Frankfurter Stadtzeitung". (...)

Nur Karlheinz Brenner ist ein wenig enttäuscht. Der Stuttgarter, der ein Porträt des Dalai Lama um den Hals trägt, hatte auf mehr Tibet-Fahnen beim Ostermarsch gehofft. Er zählt nur fünf. Dabei sei Tibet doch das wichtigste politische Thema dieser Tage. (...)

Knapp eine Stunde dauert das Programm auf dem Römer. Mittlerweile schneit es heftig. Gelohnt habe sich der Ausflug nach Frankfurt dennoch, teilt die Friedensinitiative Südhessen mit. Wegen der vielen Reden. Und wegen Willi.

Aus: Frankfurter Rundschau, 25. März 2008 (Auszüge)


"Raus aus Afghanistan"

Ostermarsch: 350 Demonstranten zogen am Montagvormittag durch die Stadt

Kassel. "Bundeswehr raus aus Afghanistan", "Bush-Kriege führen zum Weltkrieg" und "Lasst uns in Frieden, wir machen Krieg nicht mit", hießen die Parolen auf Transparenten und Fahnen. Am Ostermontag marschierten bei Eiseskälte hunderte Friedensaktivisten in zwei Zügen durch die Stadt. Laut Polizei nahmen 350 Demonstranten teil. In Kassel war es der 28. Ostermarsch in Folge. Diesmal lautete das Motto "Dem Frieden eine Chance - Truppen raus aus Afghanistan".

Die eine Gruppe zog vom Bebelplatz zum Mahnmal für die Opfer des Faschismus, die zweite vom Schlachthof zum Mahnmal ,Die Rampe' an die Moritzstraße.

Friedensaktivist Rolf Weckeck erinnerte an Wilhelm Marker, nach dem eine Straße in Niederzwehren benannt ist. In Hofgeismar 1894 geboren, schloss sich Marker der Arbeiterbewegung an und kam später zur SPD. Die Ereignisse in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg brachten ihn zur Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD).

1934 wurde der langjährige kommunistische Gemeinderat in Niederzwehren von der Gestapo wegen Hochverrats verhaftet. Nach der Haft kam er ins Konzentrationslager (KZ) Esterwegen und später ins KZ Sachsenhausen. In einem Hungerblock, in dem Juden unbeschreiblich gequält wurden, hatte er die Pflichten eines Stubenältesten. Weil er den Juden half, wurde er abgelöst. Er soll sich am 22. April 1940 umgebracht haben.

Hauptrednerin bei der Abschlusskundgebung am Mittag vor dem Rathaus war Christine Buchholz. Die junge Friedensaktivistin arbeitet zurzeit an einer bundesweiten Kampagne zum Truppenabzug aus Afghanistan mit. Sie forderte von der Bundesregierung einen Kurswechsel in der Afghanistanpolitik, die ihren militärischen Beitrag durch noch mehr Truppen erhöhen will.

Die hohen Ausgaben für diesen Einsatz von 2,5 Milliarden Euro seien ein Skandal. Das Geld für den zivilen Wiederaufbau betrage hingegen 150 Mio. Euro, das seien nur sechs Prozent der Militärausgaben. Der deutsche Einsatz gefährde die humanitäre Hilfe für die Bevölkerung, die bitterarm sei. 55 Prozent der Deutschen seien für einen Rückzug aus Afghanistan.

Thema auf der Kundgebung war auch der aktuelle Konflikt in Tibet. Langfristiges Ziel müsse sein, dass Tibet von China seine Autonomie erhält, forderte Irmela Biehler.

Zum Ostermarsch hatten 24 Organisationen aufgerufen - von den Gewerkschaften über das Friedensforum bis hin zu politisch links stehenden Parteien. SPD und Grüne hatten sich an dem Aufruf diesmal nicht beteiligt. Die Gruppe Sangbasa begleitete die Demo mit Trommelrhythmen.

Hessisch-Niedersächsische Allgemeine, 25. März 2008


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