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Vielfältig gegen Rüstung und Kriege

Von Willi van Ooyen *

Der Tod ist ein Meister aus Deutschland. Daran erinnerte dieser Tage die Meldung, wonach die deutschen Waffengroßhändler den dritten Rang in der internationalen Wertung belegen. Verständlich, dass neben dem Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan und Schritten zu einer atomwaffenfreien Welt Rüstungsproduktion und -export im Zentrum der Osteraktionen stehen.

50 Jahre Ostermarsch erlauben eine positive Bilanz. Ist es doch gelungen, eine parteiunabhängige, kontinuierlich arbeitende Außerparlamentarische Opposition zu etablieren, die zeitweise Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen konnte. Es begann mit ethisch-pazifistisch motivierten Märschen gegen die atomare Aufrüstung und entwickelte sich zur gesellschaftskritisch argumentierenden Kampagne für Demokratie und Abrüstung.

Die Beteiligung war abhängig von weltpolitischen Entwicklungen wie dem Grad der erkennbaren Bedrohung, aber auch von Einschätzungen außenpolitischer Ereignisse. Mit zeitweiligen Unterbrechungen wurde die Bewegung bald nach dem Ende des Ost-West-Gegensatzes wieder aktiv. Schnell erwies sich die sogenannte Friedensdividende als Illusion. Neue Aufrüstung und neue Kriege bestimmen die internationale Politik.

Die Organisation der Aktionen wurde und wird von Ausschüssen übernommen, die sich basisdemokratisch organisieren. Durch selbst organisierte Öffentlichkeitskampagnen, Demonstrationen, Aktionen des gewaltfreien Widerstandes und zivilen Ungehorsams entstanden neue Formen des politischen Eingreifens, womit der Handlungsspielraum für politische Bürgerbeteiligung erweitert wurde. Die politische Kultur wurde nachhaltig verändert und ein politischer Klimawechsel bewirkt.

Unter dem Einfluss massiver Angriffe reaktionärer Kräfte überwand der Ostermarsch weltanschauliche, politische und kulturelle Schranken mit dem Ziel der Zusammenarbeit. Dieses galt praktisch als Gebot, um im Zeitalter atomarer Massenvernichtungswaffen das Überleben der Menschheit zu gewährleisten. Denn das atomare Patt des Kalten Krieges war: Wer als erster schießt, stirbt als zweiter.

Die Bewegung wollte in den von Antikommunismus geprägten Auseinandersetzungen nicht unter die Räder kommen. Deshalb wurden im Jahr 1962 Grundsätze vorgelegt. Darin heißt es: »Wir sehen uns vor unserem Gewissen verpflichtet, mit allen uns zur Verfügung stehenden friedlichen Mitteln jede Politik der Gewalt, deren äußeres Zeichen die Atombombe darstellt, zu bekämpfen, weil durch sie nicht nur die Menschheit schlechthin in ihrem Bestand gefährdet ist.« Und weiter: »Der einzelne Mensch wird auf Grund der Menschenverachtung der Regierungen entmündigt und entwürdigt.«

Heute ist der Ostermarsch ein stabiler und kontinuierlich wirkender Faktor der Friedensbewegung. Die örtlichen und regionalen Institutionen arbeiten in völliger Unabhängigkeit. Sie bestimmen Inhalte und Aktionsformen nach den jeweiligen politischen Erfordernissen. Die großen Themen wie Afghanistankampagne, Atomwaffenfreiheit, Waffenhandel oder Abrüstung statt Sozialabbau finden sich in den Aufrufen wieder. Ansonsten gedeiht die Vielfalt.

Auch nach 50 Jahren, so die verbreitete Meinung, wird der Ostermarsch weiter gebraucht.

* Der Fraktionsvorsitzende der LINKEN im hessischen Landtag ist seit über 40 Jahren Aktivist der Ostermärsche.

Aus: Neues Deutschland, 27. März 2010 (Gastkolumne)



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