50 Jahre - und kein bisschen leiser
Die Ostermärsche 2010 mit klaren Botschaften und vielen Ideen
Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag
Kassel, Hamburg, Frankfurt, Berlin, 31. März 2010 - Mit über 70
Ostermärschen begeht die deutsche Friedensbewegung das Osterfest. Von
Feststimmung wegen des 50. Geburtstags der Ostermarschbewegung
allerdings keine Spur - stattdessen klare Botschaften an die Adresse der
Regierenden, heißt es in einer Erklärung des Bundesausschusses
Friedensratschlag.
Die wichtigste Botschaft - die in allen Ostermarschaufrufen auftaucht -
lautet: Bundeswehr raus aus Afghanistan! Es sei nicht länger
hinzunehmen, dass Deutschland gegen den Willen der übergroßen Mehrheit
der Bevölkerung immer mehr Truppen an den Hindukusch schickt und damit
zur weiteren Eskalation des Krieges beiträgt. Peter Strutynski, einer
der Sprecher des "Friedensratschlags", erklärt hierzu: "Wer den Frieden
will, muss zuerst den Krieg beenden. Das heißt: Beendigung der
Kampfhandlungen (Waffenstillstand) und sofortiger Beginn mit dem Abzug
der Truppen!" Damit werden die Probleme des Landes noch nicht gelöst,
aber das wichtigste Hindernis für eine andere Entwicklung beseitigt.
Auch die Atomwaffen, bereits Anlass für die ersten Ostermärsche vor 50
Jahren, sind der Friedensbewegung Stein des politischen Anstoßes. Den
wohl klingenden Reden Obamas in Prag, als er die Vision einer
atomwaffenfreien Welt beschwor, und des Bundestags, der vor einer Woche
ebenfalls für atomare Abrüstung eintrat, hält der Friedensratschlag
entgegen: Das sind so lange wohlfeile Ankündigungen, solange sie nicht
von wirksamen Taten begleitet werden. Die in Deutschland (Büchel)
lagernden Atomwaffen müssen unverzüglich abgebaut und verschrottet
werden. Die Atomwaffen besitzenden Mächte müssen nicht nur ihre Arsenale
radikal verkleinern, sondern auch auf den Ersteinsatz dieser Waffen
verzichten; dazu sind bisher weder die USA, noch Russland,
Großbritannien und Frankreich bereit. Die Friedensbewegung bereitet die
Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag, die im Mai in New York
stattfinden wird, u.a. mit spektakulären Besuchen an den
Atomwaffenstandorten in Deutschland (Büchel), Belgien, Frankreich,
Italien und Großbritannien vor.
Ein dritter Schwerpunkt der Ostermärsche sind die immer weiter
steigenden Ausgaben für Rüstung und Krieg. Weltweit wird heute für
Militär und Waffen mehr Geld ausgegeben als je zuvor in der Geschichte
der Menschheit. Die Perversion des Denkens der verantwortlichen
Politiker ist kaum noch zu toppen: Anstatt alle Anstrengungen zu
unternehmen, die von allen Staaten 2000 vereinbarten Millenniumsziele
(v.a. Halbierung der Armut bis 2015) zu erreichen und den Klimawandel zu
stoppen, steigern die USA, die NATO-Staaten, die EU, Russland, China und
Japan ihre "Verteidigungs"-Budgets. Lühr Henken, Sprecher des
Friedensratschlags: "Wenn wir diesen Skandal nicht beenden, machen wir
uns mitschuldig an der weiteren Verelendung der Menschen und an der
Verwüstung unseres Planeten."
In dem Zusammenhang verdient besondere Beachtung, dass Deutschlands
Rüstungsfirmen sowohl über Aufträge der Bundeswehr (z.B. für Ausrüstung
für den Afghanistankrieg) als auch über den internationalen Waffenhandel
am Geschäft mit dem Tod glänzend verdienen. Nach SIPRI-Angaben belegt
Deutschland hinter den Top-Exporteuren USA und Russland Rang 3 in der
Hitliste der Rüstungsexporteure. Die Gemeinsame Konferenz Kirche und
Entwicklung (GKKE) kritisiert vor allem, dass es kaum ein Land der
Dritten Welt gibt, das nicht mit deutschen Waffen beliefert wird. Auch
"Spannungsgebiete" sind nicht Tabu, wenn es um den Profit geht. Der
Berliner Ostermarsch z.B. wird in diesem Jahr auf seiner Route ein paar
Dependancen von Rüstungskonzernen besuchen.
Vor wenigen Tagen veröffentlichte die in London beheimatete
internationale "Campaign Against Sanctions and Military Intervention in
Iran" (CASMII) einen Appell an die Friedensbewegung, die wachsende
Kriegsgefahr im Nahen Osten stärker zu beachten und insbesondere die
zunehmenden militärischen Drohungen gegen den Iran zurückzuweisen. Der
"Friedensratschlag" weist besorgt darauf hin, dass Kriegstöne nicht nur
aus Israel, sondern dass die USA faktisch rund um den Persischen Golf
Truppen und Waffen in Stellung gebracht haben. Nach Informationen des
Sunday Herald wurden z.B. Hunderte der "US Bunker buster"-Bomben von
Kalifornien zur britischen Insel Diego Garcia im Indischen Ozean
verschifft. Der Friedensratschlag wendet sich entschieden gegen die
Absicht des Westens, den Iran mit immer weiteren Sanktionen
einzuschnüren. Stattdessen sollte der Iran in diplomatische Bemühungen
eingebunden werden, im Nahen Osten eine atomwaffenfreie Zone zu errichten.
Erstmals macht bei den Ostermärschen ein Thema die Runde, das es
eigentlich gar nicht geben dürfte. Mehrere Landes-Kultusminister haben
Vereinbarungen mit der Bundeswehr abgeschlossen, wonach Offiziere mit
Schulunterricht und Lehrerbildung zu den Themen "Sicherheitspolitik",
globale Konfliktverhütung", Krisenbewältigung" und "nationale
Interessen" betraut. Solche Vereinbarungen verstoßen eindeutig gegen den
Bildungsauftrag der Schule und gegen das in der Kinderschutzkonvention
verankerte Verbot der Anwerbung von Minderjährigen für den
Soldatenberuf. Daher sagt z.B. der Ostermarsch in Baden-Württemberg:
"Die Bundeswehr hat in Klassenzimmern und in der Lehrerbildung genau so
wenig zu suchen wie in Afghanistan."
Die Ostermärsche wie die sonstigen Aktionen der Friedensbewegung werden
jeweils von breiten gesellschaftlichen Bündnissen getragen. Dazu gehören
selbstverständlich auch Parteien. In den letzten Jahren haben sich nicht
nur die SPD, sondern auch die GRÜNEN, die in den 80er Jahren mit der
Friedensbewegung groß und stark geworden sind, weitgehend aus der
Friedens-Szene verabschiedet. Umso mehr Unterstützung erfahren die
Ostermärsche von der Linkspartei. Als besonders positiv bewertet es der
Friedensratschlag, dass das Engagement der Grünen in diesem Jahr wieder
ansteigt. Auf örtlicher Ebene gibt es auch wieder Annäherungstendenzen
der SPD; so hat etwa der SPD-Unterbezirk Kassel nach langjähriger
Abstinenz den diesjährigen Ostermarschaufruf unterzeichnet.
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag
Peter Strutynski, Kassel
Lühr Henken, Hamburg
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