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Ostern gegen Atomkraft

Zwölf Großdemonstrationen gegen AKW angekündigt. Auch traditionelle Friedensmärsche thematisieren Gefahren der Kernenergie

Von Reimar Paul *

Die Bundesregierung möchte das Thema Energiepolitik möglichst schnell vom Tisch haben, bereits am 17. Juni soll der Bundestag das »Atomausstiegsgesetz« verabschieden. Bis dahin werden Atom­industrie und Politiker hinter den Kulissen darum feilschen, wie viele der derzeit acht abgeschalteten AKW vor dem endgültigen Aus bewahrt werden können.

Auch die Anti-AKW-Bewegung will sich bis dahin mit ihrer Forderung nach Stillegung aller Reaktoren kräftig Gehör verschaffen. Am Ostermontag sind gleich an zwölf Atomstandorten Großdemonstrationen geplant. Von den Aktionen solle »ein klares Signal an die Bundesregierung ausgehen«, sagte gestern »Ausgestrahlt«-Sprecher Jochen Stay. Die Gesellschaft sei nicht länger bereit, mit den Risiken der Atomtechnologie zu leben. »Wer jetzt über die Kosten der Energiewende spricht, sollte sich noch einmal die Bilder aus Tschernobyl und Fukushima ansehen, damit die Relationen wieder stimmen.«

Demonstrationen gibt es am Montag an den Atomkraftwerken in Brunsbüttel und Krümmel (Schleswig-Holstein), Esenshamm und Grohnde (Niedersachsen), Biblis (Hessen), Philippsburg und Neckarwestheim (Baden-Württemberg), Gundremmingen und Grafenrheinfeld (Bayern) sowie an der Urananreicherungsanlage in Gronau (Nordrhein-Westfalen), rund um die Endlagerprojekte Asse und Schacht Konrad (Niedersachsen) sowie am Atommüllager Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern). In Esenshamm und Grohnde wollen die Teilnehmer die Meiler möglichst komplett umzingeln.

Antiatomaktivisten aus dem Wendland starten bereits am Samstag mit Traktoren, Planwagen und Fahrrädern in Richtung Grohnde. Auch aus anderen Regionen Niedersachsens und Nordrhein-Westfalens kommen Atomkraftgegner mit Fahrrädern und Treckern zu der Kundgebung an die Weser. Zur Demo in Philippsburg rufen neben Antiatominitiativen, Umweltverbänden und Parteien auch Gruppen aus der Friedensbewegung auf.

Die großen Organisationen der Friedensbewegung haben für die diesjährigen rund 70 traditionellen Ostermärsche ohnehin den Schulterschluß mit den AKW-Gegnern proklamiert. »Das unbeschreibliche Unglück in Fukushima hat schlagartig deutlich gemacht, daß es erstens keine sichere zivile Atomenergie gibt und zweitens im Falle eines Unglücks jegliche nachträgliche Kontrolle über die entfesselte Kernkraft illusorisch ist«, erklärten Peter Strutynski und Lühr Henken am Mittwoch für den Bundesausschuß Friedensratschlag.

* Aus: junge Welt, 21. April 2011


Weiße Taube mit gelber Kraft

Friedensbewegung und Anti-Atomkraft-Bündnis veranstalten gemeinsamen Ostermarsch

Von Jenny Becker **


Die Friedenstaube auf blauem Grund hat gelbe Verstärkung bekommen. Neben ihr strahlt die Anti-Atomkraft-Sonne. Die Flugblätter für den Berliner Ostermarsch künden in diesem Jahr von einer besonderen Zusammenarbeit: Die Gruppen der Berliner Friedenskoordination und der Anti-Atom-Bewegung gehen am Samstag, den 23. April, gemeinsam auf die Straße. Erklärtes Ziel: eine Welt ohne Atomkraft. Etwa 50 Initiativen, Verbände und Parteien haben ihre Teilnahme bereits zugesagt.

Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl jährt sich Ostern zum 25. Mal, gleichzeitig wird in Fukushima noch immer mit den Folgen des jüngsten Atomunglücks gerungen – Grund genug, den traditionellen Ostermarsch diesem Thema zu widmen. Die Friedens- und die Anti-AKW-Bewegung sind sich einig, dass ihre Anliegen eng zusammenhängen. Beide richten sich von jeher gegen die Atomtechnologie – die Friedensbewegung gegen deren militärische Nutzung in Form von Atomwaffen, die Umweltschützer gegen die atomare Stromerzeugung und die unsichere Lagerung radioaktiver Abfälle.

»Wir freuen uns, nun beide Bewegungen zusammenzuführen«, sagte Uwe Hiksch vom Bundesvorstand der Naturfreunde vor Pressevertretern. 2010 nahmen 1500 Menschen am Berliner Ostermarsch teil, in diesem Jahr erwarten die Veranstalter deutlich mehr Zulauf. »Und wir gehen davon aus, dass es bunter wird als im Vorjahr«, so Hiksch.

Neben dem großen gemeinsamen Thema wird die Friedensbewegung mit Plakaten auch auf ihre »hauseigenen« Themen aufmerksam machen: der Forderung nach einem Stopp der deutschen Rüstungsexporte und dem Abzug der Soldaten aus Afghanistan. Auch die aktuellen Entwicklungen in Libyen werden eine Rolle spielen, kündigte Laura von Wimmersperg von der Friedenskoordination Berlin an. »Wir sind der Meinung, dass es falsch ist, dort Krieg zu führen.«

Es sei die erste größere Zusammenarbeit seit den 80er Jahren, so Hiksch. Damals formierte sich ein breites Bündnis gegen die bayerische Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf. Hiksch erklärte weiter: »Der Ostermarsch kehrt in diesem Jahr zu seinen Wurzeln zurück.« Ausgangspunkt der Ostermärsche wie auch der Anti-AKW-Bewegung sei der Kampf gegen den Atomtod gewesen, der Ende der 50er Jahre begann und sich gegen die atomare Bewaffnung richtete.

Die Demonstration am Ostersamstag setzt diese Tradition fort. An zahlreichen Zwischenstationen sollen kurze Kundgebungen abgehalten werden: Zum einen an den Filialen der Energieriesen EnBW, RWE und E.ON, zum anderen vor den Botschaften von vier der fünf offiziellen Atommächte – Russland, Großbritannien, Frankreich und den USA. Auch vor der EU-Vertretung soll Halt gemacht werden, um der Forderung Ausdruck zu verleihen, keine EU-Gelder in die Atomforschung zu stecken.

Der Ostermarsch startet um 12 Uhr an der Vattenfall-Zentrale in der Chausseestraße (U-Bhf. Naturkundemuseum), führt über die Friedrichstraße und Unter den Linden zum Brandenburger Tor und endet 14 Uhr am Potsdamer Platz. Zu den Rednern wird wahrscheinlich der Hiroshima-Überlebende Hideto Sotobayashi gehören, der heute in Berlin lebt. Die Anti-AKW-Bewegung setzt den Protest am Ostermontag um 11 Uhr mit einer symbolischen Stromwechsel-Aktion des Bündnisses »Tschüss Vattenfall« am Brandenburger Tor fort.

* Aus: Neues Deutschland, 21. April 2011


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