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"Jeder Tag Krieg ist ein Tag zu viel"

Ostermarschierer wollen vor dem britischen Truppenübungsplatz Senne in Ostwestfalen demonstrieren. Ein Gespräch mit Hartmut Linne *


Hartmut Linne ist Sprecher der Paderborner Initiative gegen den Krieg, die als Bündnismitglied im Aktionskreis Freie Senne für die Schließung des britischen Truppenübungsplatzes in Ostwestfalen- Lippe kämpft

Während zur Zeit britische Kampfflieger in Libyen ihre Bomben werfen, trainieren die Streitkräfte Ihrer Majestät auf dem Truppenübungsplatz in der Senne in sogenannten Kampfdörfern für den Krieg. Wie hat man sich das vorzustellen?

Die britische Armee will sich nach eigenen Aussagen mit den Übungen in den Kampfdörfern optimal auf den Häuserkampf gegen Aufständische in den Städten und Dörfern Afghanistans vorbereiten. Im Training von Haus zu Haus wird geübt, den Feind zu eliminieren und die eigenen Verluste klein zu halten. Das Ganze geschieht realitätsnah – auch in Nachbauten von Moscheen. In der Senne haben alle britischen Soldaten geübt, die im IrakKrieg kämpften. Und vielleicht wird die britische Armee ihre hier erlernten Kampffähigkeiten auch in libyschen Städten zeigen.

Was bedeutet der Übungsplatz für die Menschen in der Region?

Seit Jahren müssen die Anwohner den Gefechtslärm, Schießereien und Hubschrauberflüge ertragen. Sehr beschränkt sind die Möglichkeiten, die Wege auf dem Truppenübungsplatz zu begehen und zu befahren. In letzter Zeit gibt es immer mehr Verbotsschilder.

Für eine zivile Nutzung der Senne macht sich ein breites Bündnis aus Friedens- und Umweltschutzgruppen stark. Was haben Sie bislang alles erreicht?

Mit der Ankündigung der britischen Armee vom Herbst 2008, sechs neue Kampfdörfer zu bauen, ist das Faß übergelaufen. Anwohner und Naturschützer haben protestiert, demonstriert und Unterschriften dagegen gesammelt – unterstützt von vielen Friedensbewegten aus der Region. Verbunden mit der ständigen Diskussion in den lokalen Medien wurde der Druck so groß, daß die Briten im April 2009 ihre Pläne korrigiert haben. Statt sechs sind nur drei Kampfdörfer errichtet worden. Im Oktober 2010 hieß es dann: Die Briten ziehen ab, bis 2020 – als Teil der Sparmaßnahmen der britischen Regierung.

Ist das für Sie eine Perspektive?

Nein. Jeder Tag Krieg ist ein Tag zu viel. Zur Zeit wird im AfghanistanKrieg massenhaft getötet. Der Krieg fängt mit Üben an: Hier bei uns in der Senne ebenso wie auf dem Truppenübungsplatz Altmark bei Magdeburg, auf dem alle Bundeswehrsoldaten fit gemacht werden für den Kriegseinsatz. An vielen Orten in Deutschland sind wir mitten im Krieg.

Aktuelles Beispiel: Der Kriegs­einsatz in Libyen wird von der Kommandostelle für Afrika, dem AFRICOM für US-Streitkräfte in Stuttgart-Möhringen, koordiniert und organisiert. Wir wollen den Widerstand gegen die weltweiten Kriege verstärken, indem wir an Ort und Stelle gegen das Töten agieren. Für die Senne heißt das: Sofortige Einstellung der Kriegsübungen!

Der Aktionskreis Freie Senne setzt sich für die Schaffung eines Nationalparks in der Region ein. Müßten dazu die Briten zunächst ganz abgezogen sein?

Ja. Wir beziehen in der Diskussion um die Zukunft der Senne einen klaren Standpunkt: Für eine Senne ohne Militär. Ein Nationalpark Senne ist besser als ein Truppenübungsplatz Senne.

Sie rufen für den 23. April zum Ostermarsch Senne in Hövel-hof auf. Was steht auf dem Programm?

Unser Motto für den Ostermarsch Senne lautet: »Militär: Zeit zu gehen – aus Afghanistan, aus der Senne, aus unserem Leben.« Wir treffen uns in Hövelhof an der Schranke zum Truppenübungsplatz. In Sichtweite eines Kampfdorfes wird es ein Friedensgebet und ein Gedenken an die Opfer des Krieges in Afghanistan geben. Der anschließende Demonstrationszug führt in die Gemeinde Hövelhof. Dort auf dem Marktplatz sprechen Angelika Claußen von der Ärzteorganisation IPPNW und Hubert Kniesburges vom Arbeitskreis Blumen für Stukenbrock.

Hövelhof ist auch der richtige Ort für den diesjährigen Ostermarsch Senne: »Das Militär soll in der Senne bleiben«, haben jüngst in einer gemeinsamen Resolution die im Hövelhofer Gemeinderat vertretenen Parteien gefordert. Wir freuen uns besonders auf den Besuch von Menschen aus der Bürgerinitiative OFFENe HEIDe gegen den Truppenübungsplatz der Bundeswehr bei Magdeburg und von Vertretern der erfolgreichen Bürgerinitiative FREIe HEIDe gegen das Bombodrom in Brandenburg.

Interview: Ralf Wurzbacher

* Aus: junge Welt, 15. April 2011

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Auf dem britischen Truppenübungsplatz in der Senne (bei Paderborn) wird die Aufstandsbekämpfung in Afghanistan geprobt (2. Dezember 2010)




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