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Das Hexeneinmaleins der Bundesregierung: unlogisch und übelriechend

Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag

Kassel, 22. August - Zu den neuesten Überlegungen der Regierungskoalition, aus den drei Bundeswehrmandaten in Afghanistan zwei oder gar nur eines zu machen, erklärte der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlags.

Das Hexeneinmaleins aus Goethes Faust I ist ein zu lösendes Rätsel. Bekanntlich beginnt es mit: "Du mußt versteh'n, aus Eins mach Zehn. Die Zwei lass geh'n. Die Drei mach gleich..." - und am Ende des Zahlenwirrwarrs ergibt sich auf wundersame Weise ein magisches Quadrat mit neun Feldern, dessen Summen in der Waagrechten und Senkrechten immer dasselbe Resultat ergeben.

Die Regierungskoalition, die sich am Montag über das weitere parlamentarische Vorgehen in Sachen Afghanistan-Einsatz beriet, glich ebenfalls einer Hexenküche. Das Ergebnis allerdings ist weniger logisch, sondern es stinkt zum Himmel.

Aus drei Mandaten (ISAF, Tornado, OEF) sollen nach ersten Verlautbarungen zwei Mandate gemacht werden: ISAF (einschließlich Tornado-Einsatz) auf der einen, OEF ("Operation Enduring Freedom") auf der anderen Seite. Die Koalitionsspitzen halten aber alle drei Mandate für gleich wichtig und treten entsprechend dafür ein, dass sie insgesamt verlängert werden. Die FDP und ein Teil der Unionsfraktion treten daher konsequenterweise dafür ein, alle drei Mandate so schnell wie möglich zusammen zu verabschieden. DIE LINKE lehnt alle drei Mandate ab, die GRÜNEN wollen OEF ablehnen und evtl. auch noch gesondert über den Tornadoeinsatz abstimmen lassen. SPD-Fraktionschef Peter Struck hat sich für eine Verlängerung des Bundeswehrmandats in Afghanistan im Rahmen der "Operation Enduring Freedom" mit der bemerkenswerten Begründung ausgesprochen, man könne in diesem Fall "nicht der Stimmung der Bevölkerung folgen", sondern müsse "politische Verantwortung übernehmen".

Die Friedensbewegung wendet sich entschieden gegen die Verlängerung aller drei Einsätze. Sie sind nach Auffassung des "Friedensratschlags" weder hinsichtlich der Befehlsstruktur noch in Bezug auf die militärische Kampfpraxis voneinander zu trennen. Der Tornadoeinsatz sei Bestandteil von ISAF, ISAF und OEF seien von der NATO geführt, verfügten über identische Ausrüstungen und seien auch in ihrer Kampfweise nicht zu unterscheiden. Der Anstieg ziviler Opfer bei den NATO-geführten Einsätzen der letzten Monate sei sowohl bei ISAF- als auch bei OEF-Operationen festzustellen.

Das Taktieren in der Koalition soll die Opposition in den eigenen Reihen "beschwichtigen und letztlich ausmanövrieren", heißt es in der Pressemitteilung weiter. "Wer noch im März gegen den Tornadoeinsatz gestimmt hat, aber für ISAF ist, wird durch die Zusammenlegung gezwungen, den Widerstand gegen die Tornados aufzugeben." Auch die Abtrennung von OEF verringere die Nein-Stimmen bei der ersten Abstimmung über ISAF-Tornado. Selbst das Risiko, bei der OEF-Abstimmung keine Mehrheit mehr zu erhalten, könne dann von der Bundesregierung in Kauf genommen werden, da dieser Einsatz (jedenfalls sofern er sich auf den Afghanistan-Teil bezieht; neben den ca. 100 KSK-Kräften in Afghanistan fällt unter das Mandat auch die vor der Küste Ostafrikas operierende Marine) militärisch von untergeordneter Bedeutung ist.

Im Ergebnis, so der Sprecher des Friedensratschlags, werde der "völkerrechtswidrige Krieg" in Afghanistan unter deutscher Beteiligung fortgesetzt und intensiviert. Bundeskanzlerin Merkel und ihr Vize Müntefering werden mit Hilfe der Vorsitzenden der Koalitionsfraktionen ihre Abgeordneten zum gewünschten Abstimmungsverhalten (egal ob ein, zwei oder drei Mandate) einschwören und mancher Abgeordneter wird dann schon mal fünfe gerade sein lassen und die Fraktionsdisziplin höher bewerten als das eigene Gewissen.

Die Friedensbewegung wird mit einer zentralen Demonstration in Berlin Druck auf den Bundestag machen. Die Demonstration, die von einem breiten Bündnis aus Friedens- und anderen sozialen Bewegungen getragen wird, findet am 15. September statt und wendet sich gegen die Verlängerung aller drei Mandate. Der Krieg in Afghanistan müsse beendet, die Bundeswehr zurück geholt werden.

Das Zahlenwirrwarr der Koalition um die Mandate dürfe nicht aufgehen. Denn wenn sich die Bundesregierung in eine Hexenküche verwandelt, dann müsse auch an das Ergebnis gedacht werden, das Goethe an einer anderen Stelle im Faust, in der Walpurgisnacht, beschrieben hat:
"Es farzt die Hexe, es stinkt der Bock ..." (Vers 3961)

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)

Informationen zur Demonstration am 15. September unter: www.afghanistandemo.de


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