Breites Bündnis gegen Krieg
Kritik am Afghanistan-Einsatz: Vorbereitungen für bundesweite Demo in Berlin laufen
Von Christian Klemm *
Zur bevorstehenden Verlängerung der drei Mandate zum Kriegseinsatz in Afghanistan mobilisiert die
Friedensbewegung zu einer Demonstration in Berlin. Bisher solidarisierten sich etwa 170
Organisationen mit der Aktion, die ein Ende der deutschen Kriegsbeteiligung am Hindukusch fordert.
Im September und Oktober wird der Bundestag voraussichtlich den Kriegsauftrag in Afghanistan
verlängern. Dieser besteht aus drei Mandaten, die nach Auskunft von Reiner Braun, Geschäftsführer
der Juristenvereinigung gegen Kernwaffen (IALANA), nicht von einander zu trennen sind. Es handelt
sich um die Operation Enduring Freedom (OEF), die Internationale Schutztruppe (ISAF) und den im
März dieses Jahres beschlossene Tornadoeinsatz der Luftwaffe.
Kurz vor der ersten parlamentarischen Abstimmung am 15. September organisiert die
Friedensbewegung eine große Demonstration in Berlin. Sie steht unter dem Aufruf »Frieden für
Afghanistan – Keine Verlängerung der Bundeswehreinsätze!« und hat zum Ziel, die deutliche
Ablehnung der deutschen Öffentlichkeit gegen den Kriegseinsatz auf die Straße zu bringen.
Bis jetzt haben sich nach Auskunft von Willi van Ooyen, jahrelanger Organisator der Frankfurter
Ostermärsche, etwa 170 Organisationen mit diesem Ziel solidarisiert. Sie rufen ihrerseits zur
Demonstration auf und tragen wesentlich zu ihrer Finanzierung bei. Die breite Unterstützung von
Friedensinitiativen, sozialen Bewegungen und Parteien unterschiedlichster Herkunft sei nach Ansicht
van Ooyens ein großer Rückhalt für die Friedensbewegung. Van Ooyen erhofft sich von dem Protest
in Berlin, dass Druck auf die Parlamentarier im Bundesstag ausgeübt und die herrschende Meinung
zum Kriegseinsatz in Afghanistan in Frage gestellt werden kann.
Gerade die Mobilisierung im Vorfeld des Irakkrieges im Februar 2003, aber auch die Aktivitäten der
Friedensbewegungen im März dieses Jahres, als der umstrittene Tornadoeinsatz durch das
Parlament gebracht wurde, konnten ein Gefühl der Unsicherheit in der ein oder anderen
Bundestagsfraktion erzeugen. Teile von SPD und Grünen begannen daraufhin, sich kritisch über
den Bundeswehreinsatz zu äußern und das militärische Vorgehen vor Ort zumindest zum Teil in
Frage zu stellen. Parallel zu den Protesten am 15. September werden die Grünen zu einem
Sonderparteitag zusammenkommen, der ausschließlich Afghanistan zum Thema haben wird.
Gegenstand der Diskussionen werden sowohl OEF als auch ISAF sein. Letzteres gilt bei den
Grünen als weitgehend unumstritten.
Unterstützung für die Demonstration fehlt bisher von gewerkschaftlicher Seite. Weder der DGB noch
dessen Einzelgewerkschaften haben den Aufruf der Friedensbewegung unterzeichnet. Allein die
ver.di-Jugend war bisher bereit, sich den anderen Organisationen anzuschließen. Ebenso spärlich
ist bis heute die Resonanz aus der Ökologiebewegung und von entwicklungspolitischen Gruppen.
Dort müsse das Anliegen der Friedensbewegung noch bekannter werden, so Reiner Braun.
Primäres Ziel der Friedensbewegung ist nach Auskunft von Peter Strutynski, Sprecher des
Bundesausschusses Friedensratschlag, die Verlängerung der drei Mandate zu verhindern. Dem
müsse sich unverzüglich ein Abzug aller internationaler Kriegsakteure anschließen. Das zentrale
Problem Afghanistans für Strutynski war und ist die Besatzung ausländischer Militärmächte. Durch
sie werden stabile gesellschaftspolitische Verhältnisse im Land unmöglich und die Chance auf eine
Beilegung der bürgerkriegsähnlichen Situation eher vermindert als vergrößert. Caritative und
humanitäre Hilfe könne nach Vorstellung von Strutynski nur unter Ausschluss von Militär geleistet
werden. Auch Reiner Braun sieht in der Fremdbestimmung Afghanistans durch OEF und ISAF das
zentrale Problem des Landes. Demokratische Strukturen, Frauenrechte und ein Ende der Armut
werden sich nicht mit militärischer Hilfe ins Land bringen lassen, sondern müssten sich durch
zivilgesellschaftliche Akteure unabhängig jeder Intervention entwickeln.
Ob sich allerdings aus der gesellschaftlichen Mehrheit eine parlamentarische Mehrheit entwickelt, ist
fraglich. Auch Braun sieht das Parlament mehrheitlich noch nicht auf Seiten der Friedensbewegung.
www.afghanistandemo.de
* Aus: Neues Deutschland, 13. August 2007
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