Weber-Herzog-Musiktheater präsentiert "Sieben Witwen"
Internationaler Afghanistan-Kongress zeigt Theaterstück über den Auslandseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan
Beim Internationalen Afghanistan-Kongress am 7./8. Juni 2008 steht auch die Aufführung eines Theaterstücks auf dem Programm (Samstagabend, 20.30 Uhr). Das Stück heißt "Sieben Witwen" und ist eine Produktion des Weber-Herzog-Musiktheaters aus Berlin. Verschiedene Aufführungen im Frühjahr 2008 hat Berlin bereits gesehen - das Publikum war begeistert, die Kritik sparte nicht mit Lob.
Im Folgenden eine Besprechung einer Aufführung, die im April im Theaterforum Kreuzberg stattfand.
Und hier geht es zum Programm des Kongresses: "Dem Frieden eine Chance ..."
Sieben Witwen fragen nach dem Warum
Theaterforum Kreuzberg beschäftigt sich mit der Bundeswehr im Krieg in Afghanistan
Von Tom Mustroph *
Ist die Auslandsarbeit bei der Bundeswehr
nur ein Job mit attraktiven
Zulagen oder wird auch der
Soldat einer sogenannten Friedensmission
zum »Mörder auf Befehl
«? In die Gedankenwelt der Betroffenen,
in der diese beiden Motive
trotz der meist bagatellisierenden
offiziellen Lesart miteinander
ringen, führt das Zwei-Personen-Stück »Sieben Witwen« im
Theaterforum Kreuzberg.
Der Text, den Regisseurin und
Schauspielerin Christa Weber –
unter Verwendung von Material
von Erich Mühsam – geschrieben
hat, basiert auf Berichten von
Witwen der beim Anschlag in Kabul
2003 umgekommenen Bundeswehrsoldaten.
Das Stück beginnt mit einem Generationenkonflikt.
Die hochschwangere Lea (facettenreich
gespielt von Julia Lowack)
freut sich auf den nächsten
Heimatbesuch ihres in Afghanistan
eingesetzten Mannes Robin und
übt sich in dem Gedanken, dass so
eine Friedensmission eine gute
und Frieden bringende Angelegenheit
sei. Ihre Schwiegermutter,
die zur Unterstützung von Lea und
des ersten Kindes von Robin und
Lea ins Haus ihres Sohnes gezogen
ist, kann allerdings immer noch
nicht verwinden, dass dieser sich
freiwillig zum Wehrdienst gemeldet
hat. »Als Kind hat er kein
Kriegsspielzeug geschenkt gekriegt,
jeden Schirm, jeden Stock
haben wir ihm aus der Hand genommen
«, klagt sie – und durchforstet
die Zeitungen nach Arbeitsangeboten. »Dich hat die Arbeitslosigkeit
mit 50 erwischt«, hält Lea dagegen, »ihn bereits mit 30.« Aus
ökonomischen Gründen hatte sich der arbeitslose Robin beim Militär
gemeldet; für Lea ein Job wie jeder
andere.
In diese Situation platzt die
Nachricht vom Attentat in Kabul.
Umschlagpunkt im Stück wird das
Staatsbegräbnis. Als unpersönlich
haben die beiden Frauen es empfunden.
Die Militärs hatten Kontakt
zwischen den sieben Witwen
nach allen Kräften zu verhindern
versucht. Fragen nach dem Warum
des Todes waren offen geblieben,
Fragen nach dem Warum des
Einsatzes stellen sich nun. Lea
fängt plötzlich an, über den Afghanistankrieg
zu recherchieren, stößt
auf Meldungen von Massakern. Sie
versucht, selbst nach Afghanistan
zu gelangen, was die Bundeswehr
erst sabotieren will, dann aber organisiert
sie einen kontrollierten
Gruppenausflug der Witwen. Aus
diesem bricht Lea wiederum aus
und erfährt etwas über die feindselige
Haltung der Besatzungssoldaten
gegenüber der Bevölkerung.
Schauspielerin Julia Lowack gestaltet
sehr einfühlsam die Wandlung
von Lea von der weitgehend
unpolitischen Soldatenehefrau zur
wachen, und damit kritisch werdenden
Zeitgenossin. Stets präsent
sind – durch die vielen, oft entwürdigenden
Bewerbungsversuche
der Schwiegermutter – auch
die sozialen Nöte, die den Dienst in
der Bundeswehr als attraktiv erscheinen
lassen.
Szenisch interessant ist der Ansatz,
die Spielhandlung durch einzelne
in Anlehnung an mittelalterliche
Musik komponierte Soldatenlieder
(Musik: Christof Herzog) zu
unterbrechen, wenngleich Weber
und Lowack dort zuweilen zu sehr
das Klischee des dumpf-trunkenen
Soldaten ausleben.
Die »Sieben Witwen« sind ein
gut gebautes Stück und eine feinfühlige
Inszenierung, die jeder
kleinen Bühne eines Stadttheaters
zur Ehre gereichte.
* Aus: Neues Deutschland, 12. April 2008
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