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"Blockupy findet statt!"

Linkspartei will gegen Verbot klagen. Bündnis hält an Aktionstagen fest

Von Sebastian Carlens *

Proteste im Herzen der deutschen Finanzwirtschaft sind nicht erwünscht: Die Stadt Frankfurt am Main hat etliche der im Rahmen der »Blockupy-Aktionstage« vom 16. bis zum 19. Mai geplanten Kundgebungen gegen die EU-Krisenpolitik untersagt. Hiergegen will die Linkspartei Klage einreichen, kündigte die stellvertretende Parteichefin Sahra Wagenknecht am Dienstag gemeinsam mit den Blockupy-Veranstaltern auf einer Pressekonferenz in Berlin an. Neben drei Demonstrationen sind viele weitere Proteste geplant. Gegen zwölf Verbotsbescheide habe die Anmelder Klage eingereicht. Die Aktionstage sollen stattfinden, so die Veranstalter.

Das Totalverbot hat das Blockupy-Bündnis trotz erwarteter Einschränkungen überrascht: Erst aus der Presse hätten sie erfahren, daß bereits am 4. Mai angemeldete Kundgebungen untersagt worden seien, sagte Roman Denter vom Bündnis. Die Verbote seien den Anmeldern erst am Montag zugestellt worden. Weiterhin behaupte die Stadt mittels »offensiver Medienpolitik«, daß die gesamten Aktionstage nicht gestattet worden seien – die drei angemeldeten Demonstrationen wären jedoch bisher gar nicht verboten worden, so Denter. Das Blockupy-Bündnis protestierte mit einer Onlinepetition (jW berichtete).

Der Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler (Grüne), dessen Partei, anders als Die Linke, nicht zum Bündnis gehört, unterstützt die Erklärung gegen das Totalverbot trotzdem. Proteste müßten in räumlicher Nähe zu den Adressaten möglich sein, forderte Kindler. Auch der Politikwissenschaftler Elmar Altvater bezog Stellung. »Das Recht, gegen die Ungerechtigkeit zu demonstrieren, daß die Armen der Gesellschaft für die Zockerei der Banken aufkommen sollen, lassen wir uns nicht nehmen«, sagte Altvater. »Die Demokratie ist in Gefahr, es droht eine Finanzdiktatur.«

Die Verbote hätten das Interesse der Menschen noch verstärkt, sagte Roman Denter: »Wir können die Stadt Frankfurt nicht davon abhalten, maximal ungeschickt zu agieren«. Er und das Bündnis bleiben dabei: »Blockupy findet statt«. Die Veranstalter rechnen unter anderem zur internationalen Abschlußdemonstration am 19. Mai mit Zehntausenden Teilnehmern. Auch diese Demo sei am Dienstag Nachmittag verboten worden, teilten die Veranstalter kurz vor Redaktionsschluß mit.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 9. Mai 2012


"Blockupy findet statt"

Die Empörung über das Verbot europäischer Krisenaktionstage in Frankfurt am Main mobilisiert

Von Ines Wallrodt **


Das Verbot sämtlicher Krisenproteste durch die Stadt Frankfurt am Main stößt auf breite Kritik. Die Aktivisten vertrauen auf Gerichte und ein trotziges »Jetzt erst recht«.

Die Stadt Frankfurt will sich durch ein Verbot der Krisenaktionstage Proteste vom Hals halten. Erreichen dürfte sie das Gegenteil. Das Verbot habe eine »beispiellose Welle der Solidarität« bewirkt, sagte Roman Denter von Blockupy Frankfurt am Dienstag in Berlin - wie zum Beweis im Bundestag, in einem Raum der Grünen, die die Aktionen selbst gar nicht unterstützen. Aber auch sie kritisieren den Konfrontationskurs der Stadt. »Frankfurt muss das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wahren«, mahnt der grüne Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler. Seine Fraktion teile zwar einzelne Forderungen nicht, »aber Protest muss möglich sein, auch in räumlicher Nähe zu den Adressaten der Proteste, der Europäischen Zentralbank und Großbanken«.

Neben Kindler haben in drei Tagen über 2300 Menschen aus Politik, Gewerkschaften und Zivilgesellschaft eine Protestresolution unterzeichnet, in der die Rücknahme des Komplettverbots gefordert wird, darunter der SPD-Fraktionsvize im hessischen Landtag Thomas Spies, die frühere hessische SPD-Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti und Sahra Wagenknecht. Die LINKEN-Vize kritisiert das Verbot als »ungeheuerlich«. Damit solle Protest gegen eine verfassungswidrige Politik der Bundesregierung mit verfassungswidrigen Mitteln verhindert werden. Ihre Partei, die gegen den Fiskalpakt Verfassungsbeschwerde einlegen will, werde weiterhin zu den Krisenprotesten mobilisieren, kündigte sie am Dienstag an. Mit einem »Jetzt erst recht« dürften sich auch andere Menschen in der nächsten Woche nach Frankfurt auf den Weg machen. »Wir können die Stadt nicht davon abhalten, maximal ungeschickt zu agieren«, kommentiert Blockupy-Aktivist Denter süffisant.

Das Aktionsbündnis aus linken Organisationen, Gewerkschaftern und Occupy-Gruppen hat zwischen dem 16. und 19. Mai für zahlreiche Plätze und Straßen im Frankfurter Bankenviertel Mahnwachen, Versammlungen nach spanischem Vorbild und Demonstrationen angemeldet. Für den Freitag ruft es zudem zu Blockaden der EZB auf. Damit wollen die Aktivisten gegen die Sparpolitik der europäischen Regierungen und der Troika aus EZB, EU-Kommission und IWF protestieren. Die Proteste sollen bunt und für jeden offen sein, »ob mit Rollstuhl oder Kinderwagen«, heißt es. Der Frankfurter Ordnungsdezernent Markus Frank und die noch amtierende Oberbürgermeisterin Petra Roth (beide CDU) hatten jedoch vergangenen Freitag jeglichen Protest unter Verweis auf »konkrete Gefahr für Leib, Leben und Sachwerte Dritter« untersagt. Auch für die Großdemonstration, zu der seit Monaten europaweit mobilisiert wird, sei eine Verbotsverfügung auf dem Weg, heißt es aus dem Ordnungsamt.

Die Troika-Kritiker fordern sofortige Gespräche. Offenbar unterschätze die Stadt, was auf sie zukommt. Zu den Aktionen erwarten sie eine fünfstellige Teilnehmerzahl. Doch Frank will sich mit ihnen erst an einen Tisch setzen, wenn der Verzicht auf Blockaden und Gewalt gewährleistet sei. Die Protestorganisatoren weisen die Unterstellung als »Verzerrung« zurück. »Niemand soll bei unseren Aktionen verletzt werden. Unsere Aktionstrainings üben genau das«, sagt Christoph Kleine von Blockupy-Frankfurt. Er glaubt dennoch, dass sich insbesondere ältere Menschen und Familien von der Stimmungsmache abhalten lassen könnten. Zudem fürchtet das Bündnis, dass die Stadt mit dem Verbot später ein hartes Vorgehen der Polizei legitimieren will.

Die Anmelder haben beim Verwaltungsgericht Frankfurt Klagen gegen die Verbote eingereicht. Sie sind sich sicher: »Blockupy findet statt.«

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 9. Mai 2012


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