Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Kriegslogistiker DHL im Visier

Proteste zur Aktionärsversammlung

Von Niels Seibert *

Im Herbst 2008 starteten Antimilitaristen eine Kampagne gegen das Logistikunternehmen DHL. Anlässlich der Aktionärsversammlung wollen sie die Beteiligung des Konzerns am Geschäft mit dem Krieg ein weiteres Mal öffentlichkeitswirksam skandalisieren.

Bevor die Aktionäre von Deutscher Post DHL am 28. April um 10 Uhr die Jahrhunderthalle in Frankfurt am Main betreten, werden sie aller Voraussicht nach auf die Mitverantwortung ihres Unternehmens an Kriegen weltweit hingewiesen. Antimilitaristen rufen anlässlich der Hauptversammlung zu Protesten auf.

Die DHL-Kampagne begann im Oktober 2008 während der Mobilisierung gegen den NATO-Gipfel in Straßburg. Sie informiert über die zivil-militärische Zusammenarbeit in der Logistikbranche: Deutsche Post DHL ist für das US-Militär in Irak und Afghanistan im Einsatz und transportiert seit 2002 weltweit für die Bundeswehr leichte militärische Ausrüstung. Die Antimilitaristen wollen mit ihrer Kampagne den Konzern dazu bewegen, vollständig aus dem Kriegsgeschäft auszusteigen.

Zahllose Flugblätter, Aufkleber und Plakate, Kundgebungen vor Postfilialen, olivgrün angemalte Postbriefkästen und mehrere durch Brandanschläge zerstörte Post- und DHL-Fahrzeuge haben der Kampagne zur bundesweiten Bekanntheit verholfen. Der Slogan »Deutsche Heeres Logistik«, wie DHL von den Kriegsgegnern bezeichnet wird, findet sich in der Berichterstattung bürgerlicher Medien wieder.

Der gute Ruf des Konzerns ist angeknackst. Das Logistikunternehmen sieht es nicht gern, dass es in der öffentlichen Wahrnehmung mit Kriegsführung verknüpft wird und versucht zu verharmlosen: »Für uns ist die Bundeswehr ein Kunde wie jeder andere auch«, antwortete Konzernchef Frank Appel auf eine Frage nach den Problemen, die der Konzern aktuell mit Antimilitaristen habe.

Auch seine Mitarbeiter musste Appel über das militärische Engagement ihres Arbeitgebers informieren. Der Konzern hat ein neues Sicherheitskonzept erarbeitet und darüber in seiner Mitarbeiterzeitung berichtet: DHL-Fahrzeuge müssen fortan in einem Abstand von mindestens 1,5 Metern voneinander entfernt geparkt werden, damit die Anzahl der beschädigten Fahrzeuge durch Übertritt des Feuers bei Brandstiftung möglichst gering gehalten wird. Bei Protesten vor oder in Postfilialien sollen die Beschäftigten nicht mit den Demonstranten das Gespräch suchen, sondern die Polizei rufen.

Im November 2009 konnten die Antimilitaristen zum ersten Mal jubeln: Deutsche Post DHL zog seine Bewerbung um einen Milliardenauftrag der Bundeswehr zurück. Das Unternehmen sah in der geplanten Privatisierung von Lagerung und Transport von Bundeswehrmaterialien kein lukratives Geschäft mehr, weil die mit dem Auftrag verbundenen Risiken als zu groß galten.

»2009 war ohne Zweifel ein schwieriges Jahr für Ihr Unternehmen«, schrieb Vorstandsvorsitzender Appel den Aktionären. Der Konzernumsatz ist im Vergleich zum Vorjahr gesunken. In zwei Wochen werden die Aktionäre mit einer weiteren unangenehmen Botschaft konfrontiert. Sie werden unmittelbar erfahren, dass Kriegsgegner das Image des Konzerns zu beschmutzen versuchen.

Ähnliche Kampagnen wie gegen das Abschiebegeschäft der Lufthansa und Proteste zu Aktionärsversammlungen brachten die Konzerne in Bedrängnis und verschafften den Kritikern eine breite und internationale Öffentlichkeit.

* Aus: Neues Deutschland, 14. April 2010


Zurück zur Seite "Friedensbewegung"

Zur Bundeswehr-Seite

Zurück zur Homepage