Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Sechs Hundertschaften kontra Militärgegner

Demoverbot und Straßensperren – Sachsen-Anhalts Polizei und Behörden wappnen sich gegen Antikriegsproteste

Von Susan Bonath *

Die Polizei plant einen einwöchigen Großeinsatz in der Colbitz-Letzlinger Heide in Sachsen-Anhalt. An diesem Wochenende will sie mit rund 600 Beamten aus fünf Bundesländern sowie der Bundespolizei dort anrücken. Der Grund ist das internationale antimilitaristische Camp »War starts here«, das am Sonntag auf einem Privatgrundstück zwischen den Altmarkdörfern Parleib und Potzehne bei Letzlingen eröffnet wird (jW berichtete). Damit protestieren die Friedensaktivisten gegen das angrenzende Gefechtsübungszentrum (GÜZ), wo Bundeswehr- und NATO-Soldaten für Kriegseinsätze trainieren. Das teilte die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Nord am Freitag mit.

Ferner weist die Polizei darauf hin, daß die sogenannte Heidestraße, welche die Bundesstraßen 71 und 189 miteinander verbindet, vom 25. bis 28. Juli voll gesperrt wird. Das macht ein weiträumiges Umfahren eines Teils der Heide einschließlich des 232 Quadratkilometer großen Truppenübungsplatzes notwendig. In GÜZ-Nähe will die Polizei zudem verstärkt Personen und Fahrzeuge kontrollieren. Auch auf diese Weise wollen die Behörden »das Entern des GÜZ durch militante Bundeswehrgegner verhindern«. Die Kriegsgegner planen am Samstag, dem 27. Juli, einen zentralen Aktionstag mit Ausgangspunkt Letzlingen. Sie rufen dazu auf, den militärischen Normalbetrieb kreativ zu stören. Geplant sind außerdem vielfältige Aktionen und Mahnwachen.

Die Polizeidirektion rechnet bei den Aktionen, die zum zweiten Mal in Folge an diesem Ort stattfinden, mit etwa 300 Teilnehmern. Viele davon seien »der militanten antimilitaristischen Szene« zuzuordnen, warnt sie. Und noch »schlimmer«: Diese wollten mit Demonstrationen und Mahnwachen dazu aufrufen, »gegen die kriegerische Normalität und die zahllosen zivilmilitärischen Verflechtungen aktiv zu werden«. Zugleich lobte sich die Polizei selbst. So sei es ihr im vergangenen Jahr gemeinsam mit der Bundeswehr weitgehend gelungen, Störaktionen und Anschläge auf Bahnstrecken zu verhindern. Lediglich einzelne hätten es geschafft, »in den militärischen Sicherheitsbereich einzudringen und Sachbeschädigungen in Form von Farbschmierereien zu begehen«.

Bereits am 11. Juli hatte der zuständige Altmarkkreis Salzwedel ein weiträumiges Versammlungsverbot für den gesamten Umkreis des GÜZ verhängt. Im vergangenen Jahr gab es eine ähnliche Allgemeinverfügung. Dagegen hatten die Organisatoren der Proteste geklagt. Das Oberverwaltungsgericht hatte schließlich eine Kundgebung innerhalb der Verbotszone gestattet; allerdings ließ die Polizei später trotzdem kaum jemanden ohne umfängliche Leibesvisitation zu dieser durch.

Am Donnerstag hatte der Campanmelder kritisiert, daß er und weitere Aktivisten in der diesjährigen Verfügung, die öffentlich ausgehängt werden muß, namentlich genannt werden und er selbst als »bekannter gewaltbereiter, linksmotivierter Straftäter« dargestellt wird. Auf jW-Nachfrage hat die Kreisbehörde nun reagiert und eine aktuelle Fassung ohne persönliche Daten erstellt

* Aus: junge Welt, Samstag, 20. Juli 2013


Zurück zur Friedensbewegungs-Seite

Zurück zur Homepage