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"Das 'Nie wieder' von 1945 wurde nicht eingelöst"

Im Wortlaut: Aufruf des Arbeitskreises "Blumen für Stukenbrock" zu einer Mahn- und Gedenkveranstaltung auf dem Sowjetischen Soldatenfriedhof in Stukenbrock

"Der Arbeitskreis "Blumen für Stukenbrock" möchte die Erinnerung an das sowjetische Kriegsgefangenen Lager Stalag 326 in Stukenbrock-Senne wachhalten und damit dazu beitragen, dass Frieden bleibt. Frieden zwischen den Menschen und Frieden zwischen den Völkern."
So heißt es auf der Homepage des Arbeitskreises, der seit vielen Jahren mit Gedenkveranstaltungen die Erinnerung an die Geschichte wach hält.
Im Folgenden dokumentieren wir die Einladung zur diesjährigen Veranstaltung am 3. September, die gleichzeitig eine politische Erklärung zum Selbstverständnis des Arbeitskreises enthält.
Die Gedenkrede aus dem letzten Jahr, die Luc Jochimsen gehalten hat, dokumentieren wir hier: "Zu kämpfen gegen Kriege und jede Form des Faschismus"



Aufruf zur Mahn- und Gedenkveranstaltung am 3. September 2005 auf dem Sowjetischen Soldatenfriedhof in Stukenbrock

Als vor 60 Jahren mit dem militärischen Sieg der Truppen der Antihitlerkoalition über Deutschland und Japan der 2. Weltkrieg beendet wurde, bot sich der deutschen Bevölkerung mit seiner Befreiung von der NS- Diktatur die Chance, sein künftiges Schicksal neu zu bestimmen.

"Nie wieder Krieg - Nie wieder Faschismus" sollten die Grundsätze künftiger Politik sein!

Mit der Gründung der UNO vor 60 Jahren verpflichteten sich deren Mitgliedsstaaten feierlich, auf Gewalt in den internationalen Beziehungen zu verzichten und sich einer überstaatlichen Rechtsordnung zu unterwerfen.

60 Jahre danach stellen wir fest:

a. Das "Nie wieder" von 1945 wurde nicht eingelöst. Unter Verdrehung geschichtlicher Wahrheiten wurde Krieg wieder ein Mittel der Politik. Um angeblichen neuen Faschismus abzuwehren, führte die NATO mit Deutschland einen Angriffskrieg gegen Jugoslawien. Unter ähnlichen Vorwänden wurde durch die USA und einige ihr hörige Regierungen der Irak überfallen. Wieder gab es Tote, Not, Elend, Vertreibung, Zerstörung.

b. In der Wirtschaft, der Justiz, dem Militär und auch der Politik erhielten nach 1945 aus der NS- Vergangenheit schwer belastete Personen erneut führende Funktionen. Der Antikommunismus mit Frontstellung gegen die Sowjetunion blieb in Westdeutschland Staatsdoktrin. Elemente dieser Politik der Alt- BRD wurden lückenlos in das vereinte Deutschland übertragen.

c. Zunehmend wird in der Öffentlichkeit der Eindruck vermittelt, als sei die Befreiung Deutschlands vorwiegend ein Verdienst der USA bzw. der Westmächte. Tatsache aber ist, dass die UdSSR die Hauptlast bei der Niederringung des Faschismus trug. Die Rote Armee war es, die Auschwitz befreite. Sie hatte die meisten Opfer zu beklagen.

Wer die Einmaligkeit der Verbrechen des NS- Regimes heute nicht wahrhaben will, ja sie umbiegt in Propaganda für einen Krieg, zerstört die Chancen des Lernens aus der Vergangenheit. Es wiederspricht der Charta der UNO, dem Schwur der Überlebenden von Buchenwald und Stukenbrock, wenn unter dem Vorwand der Bekämpfung des "internationalen Terrorismus" wieder Kriege geführt werden, die dem Zugriff auf wichtige Rohstoffe und der Absicherung von Machtansprüchen dienen.

Es ist an der Zeit, statt über die Aufhebung von Rüstungsbeschränkungen zu debattieren, endlich weitere Beschlüsse zum Verbot von Rüstungsexporten zu fassen. Nicht eine weitere Hochrüstung, sondern Abrüstung macht die Welt und auch unser Leben sicherer! Es ist an der Zeit, endlich alle Atomwaffen abzuschaffen.

Getreu der Mahnung von Stukenbrock,
UND SORGET IHR, DIE IHR NOCH IM LEBEN STEHT, DASS FRIEDEN BLEIBT, FRIEDEN ZWISCHEN DEN MENSCHEN, FRIEDEN ZWISCHEN DEN VÖLKERN,
die wir auch als Präambel für die EU- Verfassung vorgeschlagen haben, fordern wir von den politisch Verantwortlichen in unserem Lande

a. eine Politik der strikten Einhaltung der UNO- Charta zu verfolgen. Wer einen Angriffskrieg vorbereitet, durchführt oder ermöglicht, muss strafrechtlich verfolgt werden;

b. die Umrüstung der Bundeswehr zu einer Interventionsarmee zu stoppen;

c. Deutschland zu einer atomwaffenfreien Zone zu machen;

d. den Militäretat des Bundes drastisch zu reduzieren und diese Mittel für zivile Zwecke zu verwenden;

e. sich der Verpflichtung zur "schrittweisen" Verbesserung der militärischen Fähigkeiten, wie es der EU- Verfassungsentwurf vorsieht, zu widersetzen

Anlässlich des Antikriegstages rufen wir auf zu einer Mahn- und Gedenkveranstaltung am Sonnabend, dem 3. September 2005 um 15.00 Uhr auf dem Sowjetischen Soldatenfriedhof in Stukenbrock. Wir legen Blumen und Kränze an den Gräbern der 65.000 sowjetischen Kriegsgefangenen und Zwangsverschleppten aus der UdSSR, aus Polen, Frankreich und Italien nieder, die in der Zeit von 1941 - 1945 im Stalag 326-VI/K in Verantwortung der deutschen Wehrmacht zu Tode gequält und im Sennesand verscharrt wurden.

Mahn- und Gedenkveranstaltung auf dem Sowjetischen Soldatenfriedhof in Stukenbrock / Kreis Gütersloh
Sonnabend, 3. September 2005
  • 15.00 Uhr Niederlegen von Kränzen und Blumen
  • Gedenkrede: Dr. Peter Strutynski, Kassel, Fachbereich Friedensforschung
  • 2.-4. September traditionelles Jugendcamp am Friedhof
  • Möglichkeiten zu Friedhofsführungen und zum Besuch der Dokumentationsstätte ab 13.30 Uhr.

Vor 60 Jahren - Befreiung des Stalag Stukenbrock
"Am 2. April 1945 war es endlich soweit! Während sich amerikanische Truppen dem Lager näherten, entwaffneten sowjetische Lagerinsassen nach einem gut vorbereiteten Plan die Lagerwache. ... Erfüllte sich für die Gefangenen mit der Befreiung ein Wunschtraum, so wurde er für die anrückenden Amerikaner zum Alptraum, als sie die Zustände im Lager kennen lernten." So schildern Überlebende des Stalag 326 VI/K Stukenbrock in einem Bericht an den Arbeitskreis Blumen für Stukenbrock den Tag ihrer Befreiung und der US- Kriegsberichterstatter John Mecklin überschrieb seinen Bericht über die Befreiung wie folgt " 8.610 vor Hunger wahnsinnig gewordene Gefangene, wie Tiere in Dreck und Elend gehalten" und fügte hinzu "wenn die Amerikaner, die heute hier waren, die Deutschen nicht sowieso schon hassten, dann tun sie es jetzt." 65.000 Gefangene hatten dieses Lager nicht überlebt. Ihre Körper wurden auf dem heutigen Sowjetischen Soldatenfriedhof in 36 Massengräbern verscharrt.
60 Jahre sind seitdem vergangen. Die Welt und auch unser Land haben sich verändert.
Dennoch ist es wichtig, die Zeit von 1933 bis 1945 und die hier von Deutschen zu verantwortenden Verbrechen nicht zu vergessen, ja sich stets daran zu erinnern, welche schlimmen Folgen Rassismus, Intoleranz und Völkerhass nach sich ziehen.




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