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Fliege über Berg und Tal

Friedenssymbol, Bibeltier, Nachrichtenbote und Kriegsteilnehmer: Die Taube im Wandel der Zeit

Von Kurt Pätzold *

Lernen irgendwo in einem der ostdeutschen Länder noch die Vorschulkinder das Lied von der »kleinen weißen Friedenstaube«, die übers Land mit dem Auftrag ausgeschickt wird, allen Menschen Frieden zu bringen? »Fliege übers große Wasser, über Berg und Tal; bringe allen Menschen Frieden, grüß sie tausendmal«.

Gegen den Text der Kindergärtnerin Erika Schirmer, geborene Mertke, ihr Lied entstand in Jahr und Monat der DDR-Gründung, dem Oktober 1949, läßt sich auch von harten Antisozialisten wenig einwenden. In den Versen kommen weder die DDR noch der Sozialismus, weder Stalin noch »die Partei« vor. Nur eben – sie wollen gerade deshalb in das Schreckensbild vom ostdeutschen Staat nicht passen.

In Paris 1949

Angeregt wurde die Autorin von Pablo Picassos berühmter Friedenstaube. Diese Lithographie prangte 1949 über dem I.Weltfriedenskongreß in Paris. An der Stirnseite des Saales sahen mehr als 2000 Teilnehmer aus 71 Ländern Picassos Bild, das sie als Symbol mit in ihre Heimat nahmen.

Im April 2009 waren 60 Jahre seit jenem Treffen vergangen. Hierzulande ist kaum irgendwo seiner gedacht worden. Das mag an der Vielzahl von 90., 70., 60., und 20. Jahrestagen gelegen haben. Die Mehrheit der Deutschen gibt bei Umfragen ihre Ablehnung des Krieges in Afghanistan und der Teilnahme der »eigenen« Truppen an ihm kund. Aber das ist ein Votum ohne Tat und daher folgenlos. Nicht anders im östlichen Nachbarstaat, wo 71 Prozent Polens Soldaten aus dem fernen Land zurückholen wollen.

Anders vor sechs Jahrzehnten. Die Erinnerung an den Krieg, dessen Ende mit dem Abwurf von Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki noch keine vier Jahre zurücklag, war frisch und die Verfestigung des Kalten Krieges spürbar. Es herrschte Furcht, ein 3.Weltkrieg könne mit eben jenen Waffen beginnen, mit denen der zweite geendet hatte. Die erkannte Gefahr alarmierte. In Gestalt mächtiger Parteien und Gewerkschaften, in wissenschaftlichen Gesellschaften, Zusammenschlüssen von Künstlern und in religiösen Institutionen existierten Kristallisationspunkte für die Sammlung von Menschen vieler Völker, Nationen und Hautfarben. Die Weltfriedensbewegung vereinte sie unter jener Fahne mit Abbild der Taube des spanischen Malers. Auf Fotografien, Plakaten und Fahnen wurde sie weltweit bekannt.

Mädchen mit der Taube

Im Schaffen des Künstlers besaß die Taube einen weltberühmt gewordenen Vorläufer, das aus dessen Blauer Periode stammende Bild »Mädchen mit Taube«, das 1901 entstanden war. Es zeigt ein in sich versunkenes Kind, selbst ebenso schutzbedürftig wie das weißgefiederte Tier, das es behutsam in seinen Händen birgt. Doch reicht die Geschichte der Beziehungen des Malers zu den Tauben weiter zurück. Der in Andalusien heranwachsende Knabe, Sohn eines Malers und Lehrers an einer Kunsthochschule in Malaga, lebte in einem Elternhaus, auf dessen Dach sich ein Taubenschlag befand. Dessen Bewohner waren ein bevorzugter Gegenstand der künstlerischen Arbeit des Vaters und wurden das auch, als der Sohn in seinem siebenten Lebensjahr mit seinen ersten Malübungen begann. Picasso und La Paloma, das blieb eine lebenslange Beziehung, ausgedrückt in Gemälden, Zeichnungen, Lithographien, Skulpturen und Keramiken des Künstlers, die sich auch in der Namenswahl für seine zweite Tochter ausdrückte, die Paloma geheißen wurde. So geschehen im Jahre ihrer Geburt 1949, als auch die »Friedenstaube« entstand.

»Man braucht Symbole für die Zusammengehörigkeit«, läßt sich bei dem britischen Historiker Eric Hobsbawm lesen. Picassos Taube wurde und blieb ein solches Symbol für alle, die sich zusammenfinden, Frieden von Dauer zu schaffen. Die in den Jahren des aufkommenden Faschismus Deutschland gegen den Weg in einen neuen Weltkrieg angekämpft hatten, vermochten Picassos Bild in Beziehung zu jener Fotomontage John Heartfields zu setzen, die 1932 in der Arbeiter Illustrierten Zeitung (Ausgabe vom 27. November 1932) erschienen war. Sie zeigte eine von einem Kriegsbajonett aufgespießte Taube, eine Darstellung, die in Publikationen der Friedensbewegung immer wieder reproduziert worden ist, als nicht mehr der zweite, sondern ein dritter Weltkrieg drohte.

Das Bild des in vielen Arten und Gattungen nahezu über den ganzen Erdball verbreiteten Vogels war auch vordem schon – nachweisbar im 14. Jahrhundert– als Friedenssymbol verwendet worden. Er ist auch in Märchen des Barock über den »Krieg der Vögel« als Friedensstifter anzutreffen. Doch der Siegeszug in dieser Rolle beginnt erst mit Picassos Lithographie. Sein Bild findet sich seitdem auf politischen Plakaten, Fahnen, Stickern und auch auf von der DDR herausgegebenen Briefmarken. Weitere Künstler ließen sich bei ihren Arbeiten durch den genialen Spanier anregen. Wer Brechts Ensemble am Berliner Schiffbauerdamm besuchte, blickte, bevor der Vorhang sich öffnete, auf dieses Symbol, das Sinn und Ziel der Arbeit dieses Hauses anzeigte. In der ostdeutschen Gesellschaft war in öffentlichen wie in privaten Räumen eine Reproduktion von Walter Womackas »Mädchen mit Taube und roter Blume« zu sehen. Vom gleichen Künstler stammte der Wandfries mit Tauben und der Weltkugel am Gästehaus der DDR-Regierung in Berlin-Niederschönhausen. Als Ostberlin durch den Weltfriedensrat 1979 den Titel »Stadt des Friedens« erhielt, wurde das mit einem Bild der Friedenstaube an einer Hauswand des wiedererrichteten Nikolai-Viertels in der Stadtmitte dokumentiert. Eisenhüttenstadt führt die Taube in seinem Stadtwappen.

Babylon und Bibel

Jahrtausende zurück reichen die Geschichten von der Taube und ihrem Leben in Legenden und Sagen. Die babylonische Liebesgöttin Ischtar hat eine Taube ebenso zu ihrer Begleiterin wie ihre griechischen und römischen Nachfolgerinnen Aphrodite und Venus. Früh galt die Taube, bezeugt unter anderem durch ein altsyrisches Rollsiegel, als Botin und auch als Signal der Liebe, eine Rolle, die ihr als Folge der Beobachtung zugedacht worden sein mag, daß Taubenpaare lange zusammenleben, sich ihre Zuneigung durch das als Kuß gedeutete Schnäbeln bekunden und einander beim Bebrüten der Eier ablösen. Mit der Taube verbanden sich vielerlei Vorstellungen, so die von Vertrautheit, Hingabe, Gnade, Glück und auch Arglosigkeit. Sie wurde als Heilige und Göttliche angesehen und verehrt und war Sinnbild für Friedfertigkeit, Unschuld, Frömmigkeit, Einfalt, weibliche Keuschheit und Kinderliebe.

Wieder und wieder wird von Tauben in der Bibel erzählt. So im Bericht von der Sintflut. Im Buch Moses läßt sich das Geschehene so lesen: »Dann ließ er eine Taube hinaus, um zu sehen, ob das Wasser auf der Erde abgenommen habe. Die Taube fand keinen Halt für ihre Füße und kehrte zu ihm in die Arche zurück, weil über der ganzen Erde noch Wasser stand. Er streckte seine Hand aus und nahm die Taube wieder zu sich in die Arche. Dann wartete er noch weitere sieben Tage und ließ wieder die Taube aus der Arche. Gegen Abend kam die Taube zu ihm zurück, und siehe da: In ihrem Schnabel hatte sie einen frischen Ölzweig. Jetzt wußte Noah, daß nur noch wenig Wasser auf der Erde stand. Er wartete weitere sieben Tage und ließ die Taube noch einmal hinaus. Nun kehrte sie nicht mehr zu ihm zurück.« (Mos. 1. Buch 8, 8-12)

Als Sinnbild des Heiligen Geistes erscheint eine Taube in der allen Evangelien anzutreffenden Erzählung von der Taufe Jesus durch Johannes. (»den Geist Gottes wie eine Taube herabfahren« (Matt. 3, 16-17), »in lieblicher Gestalt wie eine Taube«. (Luk., 3,22, und Mark.1, 10, Joh. 1, 32) Ein anderer Bibeltext wiederum läßt die Taube als Sinnbild der Flucht aus einer wildbewegten Welt erscheinen, so in einem klagenden Psalm: »Ich sprach: O hätte ich Flügel wie Tauben, daß ich wegflöge und Ruhe fände.« (55, 7) Im Hohelied des Salomon ist Taube das Kosewort für die Geliebte, und Liebende versichern sich gegenseitig ihre Schönheit durch die Beteuerung, sie hätten Augen wie Tauben. Wiederholt kommen die Taubenvögel im Buch der Bücher auch als Opfertiere vor, die sterben müssen, damit Sünder sich reinigen. Doch ihre Verkäufer (»die die Ochsen, Schafe und Tauben feilhielten«, Joh. 2, 14 und Matt5, 21, 12–13, Mark. 11, 16), auch »Taubenkrämer« genannt, verjagt Jesus mit den Wechslern und anderen Händlern aus dem Tempel in Jerusalem. Und dann ist da der Rat Jesus an seine Jünger, in der feindlichen Umwelt »unter den Wölfen« angesichts der zu erwartenden Verfolgungen »klug zu sein wie die Schlangen und ohne falsch wie die Tauben«. (Matth. 10, 16)

Mit dem Lamm ist die Taube das in der christlichen Ikonographie am meisten anzutreffende Tier. Zu ihren berühmten Darstellungen gehört die Heiliggeisttaube im Petersdom zu Rom. Ungezählt sind Rollen und Bedeutungen, die den Tieren zugeschrieben wurden, darunter die gegensätzlichsten. Im Aberglauben, figurieren sie zudem als Unglücks- und Totenvögel. Ungezählt auch das Vorkommen der Taube in den Dichtungen verschiedenster Zeiten und Völker. 1774 erschien Goethes Gedicht »Adler und Taube«, in dem eine Taube dem verletzten, darob nun unglücklichen Räuber mit Erfolg Genügsamkeit lehrt und von ihm darauf zu hören bekommt: »O Weisheit! Du redest wie eine Taube!« Und später im »Dilettant und Kritiker« warnte Goethe die Naiven mit der Geschichte vom Knaben (»Es hat ein Knab’ eine Taube zart«), der glaubt, der Fuchs könne sich wie er an einer Taube erfreuen, vor den Gerissenen auf der Hut zu sein.

Eine Delikatesse

Schon seit frühen Zeiten werden Tauben zugleich zu ganz pragmatischen Zwecken gezüchtet und gehalten. Ihr Fleisch galt auf Speisekarten der Feinschmecker als Delikatesse. So war im alten Rom, was auch Plinius berichtet und kritisiert, das Züchten und Mästen der Tauben weit verbreitet. In anderer Verwendung dienten sie als Köder, der Raubvögel anlocken sollte, auf deren Fang die Taubenhalter aus waren. Taubenkot, der zunächst als Dünger gedient hatte, wurde später wegen dessen Salpetergehalt auf seine Verwendungsfähigkeit für die Herstellung von Schießpulver geprüft.

Wann entdeckt wurde, daß Tauben über weite Strecken zu Orten und Nestern zurückzufinden verstehen, in denen sie gleichsam ihr zu Hause haben, hat niemand vermerkt. Nachdem jedoch die außergewöhnliche Fähigkeit der friedfertigen Tiere einmal festgestellt war, konnte es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis Menschen auf den Gedanken kamen, dies für ihre Zwecke zu nutzen. Die Tauben wurden zu Botengängern, zu Transporteuren von Nachrichten auf dem Luftwege. In diesem Gebrauch sind sie schon in vorchristlicher Zeit in Griechenland und früh auch im Zweistromland und in Ägypten verwendet worden. Anfangs geschah das wohl zur Übermittlung von Nachrichten in Friedenszeiten, wie aus Griechenland überliefert ist. Dort hätten Teilnehmer der Spiele in Olympia, bevor sie sich selbst auf den Heimweg aufmachten, Tauben voraus gesandt, um von ihren Siegen in den Wettkämpfen zu künden. Doch auch in Kriegen wurden die Tiere benutzt, um Meldungen zu transportieren, auf arabischer Seite u.a. schon in Kämpfen während der Kreuzzüge. Als Mutina, heute: Namen Modena, von Marc Aurelius belagert wurde, brachten sie Kunde aus der Stadt. So auch ihre Verwendung im Krieg der Niederländer gegen die Spanier unter Alba und dessen Nachfolger 1573/1574, als die Tiere den Belagerten in Leiden und Haarlem dienten.

Meldegänger

In den beiden folgenden Jahrhunderten sind Tauben in Feudalkriegen zu derlei Zwecken nicht gebraucht worden. Verwendet wurden sie wieder im Jahrhundert des sich ausbreitenden Kapitalismus zum raschen Transport von Wirtschafts- und Finanznachrichten, so unter anderem zwischen Antwerpen und London, wobei sie eine Strecke von mehr als 300 Kilometern zurückzulegen hatten. Nachgewiesen ist ihre Botenrolle sodann im deutsch-französischen Krieg 1870/71 als Nachrichtenübermittler aus dem eingeschlossenen Paris. Von da an war es in den Stäben mehrerer Armeen eine ausgemachte Sache, daß der Vogel auch künftig Kriegszwecken dienen sollte, namentlich dort, wo »Meldegänger« oder die in ihren Anfängen befindliche, unverläßliche verdrahtete Übermittlung versagten. Es entstanden spezielle militärische Abteilungen, die Tiere in dieser Absicht züchteten und trainierten. Wie in anderen Fällen auch das Wissen um die Existenz einer »Waffe« das Fragen und Suchen nach Gegenmitteln, deren Entwicklung und Erprobung anstachelte, so auch in diesem. Was lag näher als einen natürlichen Feind dafür zu bestimmen, der ebenfalls seit Jahrtausenden von Menschen gehalten und dessen Zwecken dienstbar gemacht wurde, den gemeinhin als Jäger oder Jagdgehilfen eingesetzten Falken.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entwickelte sich parallel dazu die Haltung von Brieftauben auch zu einem in Deutschland weit verbreiteten Sport, mit dem der Begriff Sporttauben aufkaum. Und wie hierzulande üblich, traten dessen Liebhager untereinander in Kontakt, tauschten die jeweiligen Erfahrungen aus, unterstützten sich bei der Zucht und trafen sich zu Wettkämpfen. In Köln wurde 1894 als Dachorganisation der »Verband deutscher Brieftaubenliebhabervereine« gegründet und dessen Protektorat gehorsamst Seiner Majestät dem Kaiser angetragen. Wilhelm II. verweigerte sich nicht. In dem 1914 beginnenden Krieg, dessen Zustandekommen zu einem erheblichen Teil auf das Konto des Taubenzüchterfreundes auf dem Thron kam, wurden dann auch die dafür trainierten Tauben mobilisiert. Im jahrelangen Stellungskrieg entlang der deutschen Westfront auf französischem und belgischem Boden wurden die Tiere auf beiden Seiten der Front als Übermittler von Nachrichten in das Hinterland benutzt und von der jeweils gegnerischen Truppe bekämpft. Manche Taube erreichte als unfreiwilliger Kriegsteilnehmer Berühmtheit. Eine mit Namen »Cher Ami«, die vom US Army Signal Corps an der französisch-deutschen Front eingesetzt worden war und ihren gefährlichen Auftrag überlebt hatte, wurde mit dem französischen Orden »Croix de Guerre« ausgezeichnet und in die Racing Pigeon Hall of Frame aufgenommen. Ihr wurde das Verdienst an der Rettung von Soldatenleben zugeschrieben.

In Deutschland erhielten diese »Frontkämpfer« ein eigenes Kriegerdenkmal. Das wurde in Berlin-Spandau errichtet, wohin die Zucht- und Lehranstalt für kriegsverwendungsfähige Tauben von Koblenz verlegt worden war. Der 3,80 Meter hohe Gedenkstein, ein Findlingsblock, wurde elf Tage vor Beginn des Zweiten Weltkriegs am 20. August 1939 eingeweiht. Auf einem Steinblock saßen da 25 aus Metall nachgebildete auffliegende Tiere. Indessen fielen sie schon wenig später, 1942, die deutschen »Blitzsiege« waren Geschichte, der rigorosen Metallsammlung zum Opfer, die diesen neuen Krieg verlängern helfen sollte. Die Nachbildung aus dem Jahre 1963, die bis heute an ihrem Platz, der Kreuzung Falkenseer Damm/Flankenschanze, zu besichtigen ist, zeigt eine reduzierte Vogelschar.

Biowaffe

Auch in diesem Zweiten Weltkrieg wurden Tauben als Nachrichtenübermittler noch an mehreren Fronten eingesetzt, so u.a. vom US Army Pigeon Service während der Kriegshandlungen in Tunesien und dann in Italien, wobei sich wiederum eine Taube besonders auszeichnete. »G.I. Joe«, so ihr Name, überlebte und starb dann betagt in einem Zoo in Detroit. Ihr wurde, da sie an der Rettung englischer Soldaten beteiligt war, britische Ehrung zuteil. Indessen brachten alle nachrichtentechnischen Fortschritte, die im Zweiten Weltkrieg erreicht worden waren, nicht sofort die militärische Außerdienststellung der Tauben. Wenn auch am Rande, sie blieben zunächst, so in den USA, in auf künftige Kriege gerichtete Planungen noch einbezogen. Erst vor wenigen Jahren, als bis dahin geheimgehaltene Dokumente aus dem britischen Nationalarchiv zugänglich und bekannt gemacht wurden, ließ sich am Beginn unseres Jahrhunderts verfolgen, daß und wie der Einsatz von Tauben in einem Dritten Weltkrieg mit dem Angriffsziel Sowjetunion vorgedacht worden war. In mehreren deutschen Presseorganen wurde unter Berufung auf die britische Zeitung The Independent über eine Studie von William Rayner, eines Offiziers der Royal Air Force, berichtet. Beabsichtigt war demnach, die Tatsache auszunutzen, daß Tauben von Radargeräten nicht geortet werden können und sie als Träger biologischer Waffen einzusetzen. Rayner hatte geschrieben: »Tausend Tauben jeweils mit einer 60 Gramm schweren Explosiv-Kapsel, die in Intervallen in einem spezifischen Ziel landen, können für eine ernste und unschöne Überraschung sorgen.« Eine besondere Kommission, die Großbritannien auch auf diesem Felde in einem unerklärten Wettbewerb um die wirkungsvollste Waffe vermutete, befaßte sich mit dem Vorschlag. Dann aber galt die Idee doch als ebenso unausführbar wie durch andere Möglichkeiten überholt. Der Ausschuß wurde aufgelöst.

In wievielerlei Gestalt, auf wie vielen Bildern und bei wie vielen Gelegenheiten uns das Bild oder der Name der Taube auch begegnen – als Bezeichnung eines Sternbildes (Columba), als Name von Personen, eines Nebenflusses der Saale in Sachsen-Anhalt, einer Kirche in Heidelberg, auch eines Reisebüros, in Titeln von Märchen, Romanen, Novellen, Filmen und in Liedern ist keines bekannter als das 1863 zuerst im Teatro National in Mexiko erklungene und zum Lied des 20. Jahrhunderts gekürte La Paloma – ja selbst als Name von Orden, weltweit wird sie als das Symbol des Friedens Menschen gegenwärtig bleiben.

Und, dies nicht zu vergessen: Johann Wilhelm Ludwig Gleim hat uns die Taube der Venus in einer Fabel noch in einer anderen Rolle, als Wißbegierige, gezeigt. Er läßt sie die Eule der Pallas Athene, Göttin der Klugheit, fragen »Die Weisheit aber soll die Menschen fröhlich machen?«, worauf sie zur Antwort erhält: »Zwar fröhlich – aber nicht bis zu dem lauten Lachen.«

* Aus: junge Welt, 24. Dezember 2009

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