Bedroht und verdächtigt
Die Friedensbewegung in den USA hat wenig Rückhalt in der Bevölkerung
Von Konrad Ege
Im Oktober sollen in den USA grosse Demonstrationen
gegen die
Kriegspläne der US-Regierung stattfinden.
KriegsgegnerInnen haben in den USA einen schweren
Stand. Zwar sind die
US-AmerikanerInnen nicht gerade enthusiastisch, was
einen neuen Krieg
angeht, aber die Mehrheit sagt Ja zum «Krieg gegen
den Terrorismus» und
billigt Präsident George Bushs Pläne, Saddam Hussein
zu stürzen. Und
mehr noch: Nahezu sang- und klanglos hat die
Öffentlichkeit den Inhalt
eines kürzlich veröffentlichten offiziellen
Strategiepapieres hingenommen.
Darin gehen die US-Militärplaner vom Prinzip der
Abschreckung zu einer
Option des Erstschlags gegen feindliche Staaten
über. Die USA wollen es
nie wieder zulassen, dass ihre weltweite
militärische Überlegenheit infrage
gestellt wird.
Die Erfahrungen des Golfkrieges von 1991 zeigen in
der US-Bevölkerung
kaum Nachwirkungen. Zwar sind damals lediglich 148
US-Soldaten
gefallen, während tausende IrakerInnen ihr Leben
verloren. Doch
zehntausende von US-SoldatInnen leiden noch heute an
dem ungeklärten
Golfkriegssyndrom mit seinen diffusen Erscheinungen
von
Muskelschmerzen, Gleichgewichtsstörungen und
Gedächtnisverlust.
Doch es gibt Opposition zum Irak-Krieg. Manche
Abgeordnete und
SenatorInnen berichten, sie bekämen mehr
Telefonanrufe gegen als für den
Krieg. Vielerorts haben KriegsgegnerInnen bereits
demonstriert. Kürzlich
trafen sich mehrere hundert AktivistInnen in New
York zu einem
Vorbereitungstreffen für die «ganz grosse»
Antikriegskundgebung am 26.
Oktober in Washington. In San Francisco soll eine
Paralleldemo
stattfinden.
Aber David Cortright, zu Zeiten des Kalten Krieges
Direktor der
Friedensorganisation SANE, sieht keinen Grund zu
übermässigem
Optimismus. Unter dem Strich habe die Bewegung
keinen grossen
Rückhalt in der Bevölkerung. Das sei auf die
«ausserordentlich
erfolgreiche» Propagandakampagne der Regierung
zurückzuführen; sie
missbrauche die Empörung über den 11. September
2001. Ausserdem
habe Bush mit seinem Alarmruf von Anfang September,
Saddam Hussein
stelle für die Welt eine grosse Bedrohung dar, seine
KritikerInnen
regelrecht «überrumpelt». Auf der Liste der
Superbösen hat Hussein
inzwischen Bin Laden eingeholt. Cortright hält es
auch für einen klugen
Schachzug Bushs, auf eine Resolution des
Uno-Sicherheitsrates zu
drängen.
«Nackte Aggression ist unamerikanisch», erklärte die
demokratische
Abgeordnete Marcy Kaptur. Sie und etwa zwei Dutzend
ParteikollegInnen
riefen die «Koalition gegen einen Angriff auf den
Irak» ins Leben. Auch der
frühere Präsidentschaftskandidat Al Gore hat
verhaltene Kritik an den
Kriegsplänen angemeldet. Die allermeisten Promis der
Demokratischen
Partei dagegen – das heisst die möglichen
Präsidentschaftskandidaten
von Senatsführer Tom Daschle über Dick Gephardt, den
Chef der
DemokratInnen im Repräsentantenhaus, bis hin zu Joe
Lieberman – haben
an den Plänen des Präsidenten nichts Wesentliches
auszusetzen. Sie
wollen dereinst für Saddams Sturz mitverantwortlich
gewesen sein. Das ist
das Schlamassel der Friedensbewegten: Es gibt
abgesehen von Kapturs
Minderheit niemanden im politischen System, mit dem
die
FriedensaktivistInnen gemeinsame Sache machen
könnten. Und in der
US-Medienlandschaft zählt nicht viel, wer draussen
vor der Tür steht.
Protest kommt immerhin von religiöser Seite.
Prominente
KirchenvertreterInnen haben sich gegen einen
unilateralen Angriff
ausgesprochen; käme die Uno ins Spiel, wäre
allerdings mit weniger
Opposition zu rechnen. In Birmingham haben Pax
Christi, QuäkerInnen
und MuslimInnen kleinere Kundgebungen veranstaltet
und sind von der
Polizei «sehr unfreundlich» behandelt worden, wie
die Aktivistin Diane
McNaron erzählt. PassantInnen regten sich
gelegentlich auf. Anderswo
greifen SuperpatriotInnen zu illegalen Mitteln. In
Kalifornien haben mehrere
Friedensgruppen Bombendrohungen erhalten.
Ausserdem werden im Zuge der Terrorismusbekämpfung
DemonstrantInnen pauschal zu Verdächtigen erklärt.
Der Polizeichef von
Washington warnt im Vorfeld einer geplanten
Demonstration gegen
Internationalen Währungsfonds und Weltbank in der
US-Hauptstadt Ende
September, Terroristen könnten unter dem Deckmantel
der Aktionen
zuschlagen oder DemonstrantInnen würden die für
einen Terroranschlag
vorgesehenen Fluchtrouten für OrtsbewohnerInnen
blockieren. Da müsse
die Polizei entsprechend vorbeugen.
Der Artikel von Konrad Ege ist erschienen in der Schweizer Wochenzeitung WoZ, 26. September 2002
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