Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Drachen gegen Drohnen

Aktion am kommenden Samstag will auf die Gefahren der unbemannten Kriegsführung aufmerksam machen

Von Peter Nowak *

Drachen gehören in den herbstlichen Himmel. Drohnen hingegen haben dort nichts verloren, meint ein Antikriegsbündnis und protestiert mit den angeleinten Untieren gegen deren Einsatz.

Lass Deinen Drachen steigen, heißt es am 4. Oktober in vielen Städten in Deutschland. Damit übernehmen Gegner der Etablierung von Kampfdrohnen eine Aktionsform aus Afghanistan. In dem Land mit den meisten Drohneneinsätzen hat die kleine Zivilgesellschaft mit dem Steigenlassen von Drachen gegen den Tod aus der Luft protestiert. Am 4. Oktober wird sie nun erstmals nach Deutschland importiert. In einem Pressegespräch in Berlin machte Elsa Rassbach von der internationalen Frauenfriedensorganisation Code Pink deutlich, dass Deutschland eine wichtige Rolle beim Kampf gegen die Drohnen habe. In der nächsten Zeit werde sich entscheiden, ob es einen weltweiten Wettbewerb beim Bau von Drohnen gibt, oder ob die neuen Waffen geächtet werden.

In Großbritannien, Italien, Frankreich und den Niederlanden stehen Drohnen bereit. In Deutschland soll die Entscheidung in den nächsten Monaten fallen. Zurzeit stehen zwei Drohnenmodelle zur Auswahl, wie Lühr Henken von der Berliner Friedenskoordination ausführte. Die Luftwaffenführung in Deutschland favorisiere die US-Drohne mit dem bezeichnenden Namen Reaper (Sensenmann), führende Verteidigungspolitiker hingegen wollen das israelische Drohnenmodell Heron TP anschaffen. »Die bundesweite Kampagne lehnt die Etablierung einer Drohnentechnologie zur Kriegführung, Überwachung und Unterdrückung grundsätzlich ab«, betonte Henken.

Peter Strutynski vom Kasseler Friedensratschlag sieht die Gefahr, dass mittels Drohnen das Führen von Kriegen für wenige Staaten gefahrloser möglich ist. Die Bevölkerung lehne Kriege weitgehend ab, wenn damit die Gefahr für die eigenen Soldaten verbunden ist. Durch den Einsatz der Drohnen aber soll diese Gefahr vermindert werden. Strutynski wies darauf hin, dass der Libyeneinsatz von maßgeblichen NATO-Verantwortlichen als erfolgreichster Einsatz in der Geschichte des Militärbündnisses bezeichnet wird, weil kein NATO-Soldat getötet oder verwundet wurde. Über die Zahl der Toten auf libyscher Seite wird geschwiegen, wie auch über die Opfer der Drohneneinsätze in Pakistan, Afghanistan und Jemen.

Der Aktionstag am 4. Oktober ist Teil einer längeren Kampagne gegen die Etablierung der Kampfdrohnen. Bereits am 3. Oktober demonstriert ein Antikriegsbündnis in Kalkar. Am Stadtrand in der Seydlitz-Kaserne ist ein NATO-Luftkommando untergebracht, das Drohneneinsätze koordiniert. Auch von der Air Base Ramstein werden Drohneneinsätze vorbereitet. Für die Gegner werde damit Beihilfe zur Todesstrafe geleistet, was im Widerspruch zur Politik der EU-Staaten stehe.

drohnen-kampagne.de

* Aus: neues deutschland, Donnerstag 2. Oktober 2014


Über Recht und Parlament hinweg

Kampagne gegen Drohnen will Anschaffung des Waffensystems in Deutschland verhindern

Von Johannes Supe **


Die BRD braucht kein neues Mordwerkzeug. Das sagt die »Kampagne gegen Etablierung der Drohnentechnologie für Krieg, Überwachung und Unterdrückung«. Am Mittwoch stellte sie in Berlin ihre Vorbehalte gegen das Waffensystem vor, am 4. Oktober sollen bundesweit über 20 Protestveranstaltungen im Rahmen eines globalen Aktionstags gegen das Waffensystem folgen. Kontext der Kampagne ist die geplante Anschaffung von 16 bewaffnungsfähigen Drohnen durch die Bundesregierung bis 2025.

»Drohnen ermöglichen es, sich zum Ankläger, Ermittler, Richter und Henker aufzuspielen«, erklärte Peter Strutynski vom Bundesausschuß Friedensratschlag. Die in einiger Höhe agierenden unbemannten und ferngelenkten Flugobjekte lassen sich sowohl zur Überwachung wie auch zur Tötung einzelner einsetzen. »Eindeutig völkerrechtswidrig« sei letzteres außerhalb von Kampfgebieten, so Strutynski. Den ahnungslosen Opfern der Waffe bliebe jede Chance verwehrt, sich zu verteidigen. Etwa in Pakistan geschähen derartige »gezielte Tötungen« trotzdem in großem Ausmaß durch das US-Militär.

Von einer schleichenden Aushöhlung des nationalen und internationalen Rechts warnte auch Elsa Rassbach, die in deutschen Friedenskreisen und in der pazifistischen US-amerikanischen Bewegung »Code Pink« aktiv ist. So sei, sagte Rassbach, die gezielte Tötung von Verdächtigen in fremden Ländern für die USA im »Kampf gegen den Terror« normal geworden. Ein Verfahren, das sie einst Israel angekreidet hatten. Mit dem deutschen Grundgesetz ließe sich derartiges kaum vereinbaren. »Aber die Rechte werden geändert«, sagte Rassbach, »durch die Verletzung der Rechte«.

Zudem werde die Souveränität der Staaten durch den Einsatz von Drohnen in fremden Ländern untergraben. Allerdings bleibe auch diejenige Nation kaum von Änderungen verschont, die das Waffensystem einsetzt. Für Deutschland befürchtet Rassbach, sollte sich die Bundesregierung tatsächlich zur Anschaffung von Drohnen entschließen, eine weitere Entrechtung des Bundestags: »Die Tendenz wird dann nämlich sein, daß statt des Parlaments die Geheimdienste über den Einsatz entscheiden.«

In anderer Form passiert das in der BRD schon jetzt. Die Schaltzentrale der US-Drohneneinsätze befindet sich im rheinland-pfälzischen Ramstein. Auf diese Weise gingen sämtliche Drohneneinsätze der USA von deutschem Boden aus, so Rassbach. Ähnlich hatte es im April bereits die »Tagesschau« formuliert, die die Militärbasis als »Dreh- und Angelpunkt« der US-amerikanischen Aktivitäten bezeichnete. Der Bundestag wird in etwaige Aktionen allerdings dann nicht einbezogen, wenn es sich um Tötungen handelt. Im vor etwa einer Woche öffentlich gewordenen Fall der US-Drohneneinsätze gegen Osama Bin Laden stritt auch die Bundesregierung ab, von der starken Involvierung des Stützpunktes Ramstein gewußt zu haben.

Gemäß Peter Strutynski liegt diese Tendenz zur Verschleierung dem Waffensystem zugrunde. Die unmittelbare Betroffenheit bleibe aus – in der Gesellschaft, die die Drohnen einsetzt. Die Verheerungen fänden meist an weit entfernten Orten statt. Zudem werde von den USA, Großbritannien und Israel, den einzigen Staaten, die bislang Drohnen als Waffen eingesetzt haben, versucht, die Opferzahlen möglichst unter Verschluß zu behalten.

Kriegsmüdigkeit der eigenen Bevölkerung dürfte ein Grund der Geheimnistuerei sein. Strutynski spricht diesbezüglich von einer Atmosphäre, in der die Ablehnung von Kriegen für weite Teile der Bevölkerung selbstverständlich ist. Also müsse es für jene, die mehr Außeneinsätze fordern, darum gehen, daß ein Krieg im eigenen Land möglichst wenig Spuren hinterlasse. »Für gewisse Kreise«, sagte Strutynski, »ist es dann gut, eine Waffe zu haben, die verdeckt in der Ferne eingesetzt werden kann«.

** Aus: junge Welt, Donnerstag 2. Oktober 2014


"Die USA geben den Takt vor, sie entfachen ein Wettrüsten"

Am Samstag findet ein weltweiter Protesttag gegen Kampfdrohnen statt, 25 Aktionen allein in Deutschland. Ein Gespräch mit Lühr Henken ***

Lühr Henken ist Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag und Mitglied der Berliner Friedenskoordination.

Am kommenden Samstag findet ein globaler Aktionstag gegen Kampf- und Überwachungsdrohnen statt. Was ist das Ziel der in mehreren deutschen Städten geplanten Proteste?

Die Bundesregierung verfolgt zwei Pläne: Bis 2025 will sie 16 Kampfdrohnen von den USA oder von Israel entweder kaufen oder leasen und ab dann über in Europa hergestellte Kampfdrohnen verfügen, die am zivilen Luftverkehr teilnehmen und sich selbst verteidigen können. Wir wollen auf diesen sehr gefährlichen und tödlichen Irrweg aufmerksam machen. Wir wissen die Bevölkerung hinter uns, die mehrheitlich gegen Kampfdrohnen eingestellt ist. Wir sammeln weiter Unterschriften unter unseren Appell »Kampfdrohnen ächten«. Die Aktionsform, »Drachen statt Drohnen« steigen zu lassen, haben wir gewählt, weil in Afghanistan das Steigenlassen von Drachen Volkssport ist und dort etwa 85 Prozent aller weltweiten Drohnenopfer zu beklagen sind. Das sind weitgehend vergessene Opfer, weil über Opfer von Drohneneinsätzen in Afghanistan kaum berichtet wird. Das wiederum liegt daran, daß die USA aus der Zeit vor 2009 keine Zahlen über Waffeneinsätze mit Kampfdrohnen veröffentlicht und sie seit Februar 2013 wieder eingestellt haben. Zahlen über Drohnentote wurden von Amts wegen nie veröffentlicht. Alle Zahlen darüber stammen aus der Zivilgesellschaft – aus Pakistan, dem Jemen und Somalia. Wendet man diese dokumentierten Zählungen auf Afghanistan an, dürften es dort allein von 2009 bis 2012 etwa 10000 durch Kampfdrohnen getötete Kombattanten und Zivilpersonen sein.

Sie fordern, daß die Bundesregierung sich für die weltweite Ächtung von Kampfdrohnen einsetzt. Ist diese Forderung nicht etwas illusorisch?

Nein, ganz und gar nicht. Chemiewaffen, Biowaffen, Streubomben sind auch erst nach ihrer Einführung weltweit geächtet worden. Im übrigen setzt sich die Bundesregierung selbst für die weltweite Ächtung von Kampfdrohnen ein. Allerdings nur von autonomen, das heißt von solchen, die selbständig die Entscheidung zum Waffeneinsatz fällen. Sie glaubt offensichtlich daran, Killerroboter weltweit verbieten zu können. Wir halten das für eine Illusion, weil es zu spät käme. Im Zuge der Softwareentwicklung werden dem einzelnen Soldaten immer mehr Entscheidungen abgenommen, indem Assistenzsysteme zum Beispiel die Ziele selbständig erfassen.

Aber ist die weitere Technisierung von Kriegen überhaupt noch aufzuhalten?

Sie muß aufzuhalten sein, weil sonst Roboterschwärme nicht nur Luftkriege ausführen, sondern weil auch Drohneneinsätze innerhalb und außerhalb des Landes ohne menschliche Entscheidung möglich werden. Will das irgend jemand?

Und doch nutzen ja nicht nur die USA bereits Drohnen als gezieltes Tötungsinstrument …

Richtig, außer den USA sind es bisher Israel und Großbritannien, die Kampfdrohnen einsetzen. Aber auch China verfügt über diese Technik. Italien und Frankreich haben schon Drohnen, die Niederlande und Polen wollen welche bestellen. Aus Rußland, Südafrika, Pakistan, Iran, Südkorea und den Emiraten gibt es Berichte über entsprechende Entwicklungen. Es wird zunehmend ein weltweites Problem. Die USA geben den Takt vor und haben ein Wettrüsten entfacht. Ihr Ziel ist es zum Beispiel, bis 2020 sämtliche ihrer elf Flugzeugträger mit jeweils sechs bis acht Tarnkappen-Kampfdrohnen auszurüsten, die selbständig starten und landen können. Ihre Reichweite beträgt jeweils 6500 Kilometer.

Haben Sie Informationen darüber, welche Aktionen die Friedensbewegung am Samstag in anderen Ländern durchführt?

Es ist unser erster Aktionstag, wir versuchen, uns weltweit zu vernetzen. Neben unseren mindestens 25 Aktionen hierzulande, die auch aktiv von der Linkspartei unterstützt werden, haben wir Informationen von Veranstaltungen und Demonstrationen in Großbritannien, Indien, Japan, Schweden und in den USA.

Interview: Markus Bernhardt

*** Aus: junge Welt, Donnerstag 2. Oktober 2014


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