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"Damit das 'Nie wieder!' auch in Zukunft Bestand hat"

Frieden und Antifaschismus: Rund um den Ostermarsch Gedenken an widerständige Menschen und Zwangsarbeiter in Dortmund. Ein Gespräch mit Willi Hoffmeister *


Willi Hoffmeister ist Sprecher des Ostermarsches Rhein-Ruhr und engagiert sich seit Jahrzehnten in der Friedens- und Antifabewegung.
www.ostermarsch-ruhr.de


Fernab des Ostermarsches Rhein-Ruhr, der am Ostermontag traditionell in Dortmund endet, sind rund um das Osterwochenende verschiedene Gedenkveranstaltungen in der Ruhrgebietsmetropole geplant. So soll am Karfreitag bereits zum elften Mal der Heinrich-Czerkus-Gedächtnislauf stattfinden. Was hat es damit auf sich?

Der gelernte Schlosser Heinrich Czerkus war Platzwart bei Borussia Dortmund. Er war Hitlergegner und Kommunist. Kurz vor dem Ende des faschistischen Zweiten Weltkrieges wurde er von den Nazischergen verhaftet und zwischen dem 7. März und 12. April 1945 mit weiteren rund 300 Widerstandskämpfern, Zwangsarbeitern und Deserteuren im Rombergpark, beziehungsweise der Bittermark ermordet. 2004 haben die Naturfreunde Dortmund-Kreuzviertel die Initiative zu einem Gedächtnislauf ergriffen. Dieser wird vom Fanprojekt Dortmund und dem BVB-Fanclub »Heinrich Czerkus« unterstützt und führt jeweils am Karfreitag vom Stadion Rote Erde zum Mahnmal in der Bittermark. Eingeladen sind Jogger, Walker, Spaziergänger und Radfahrer.

Borussia Dortmund hat sich in der jüngsten Vergangenheit auch klar gegen neofaschistische Umtriebe im Stadion positioniert. Hat die Sensibilität bei den Vereinsverantwortlichen tatsächlich zugenommen?

Ich möchte dies mit einem eindeutigen Ja beantworten! Nachdem vor Jahrzehnten noch die neonazistische »Borussenfront« in Dortmund und auch im Stadion ihr Unwesen trieb, wird heute jedes neonazistische und rassistische Vorkommnis verurteilt und entsprechend bekämpft. Außerdem unterstützt der BVB in den letzten Jahren auch gezielt den bereits erwähnten Gedächtnislauf.

Am Karfreitag findet, wie bereits von Ihnen erwähnt, in der Bittermark das Gedenken an die Widerstandskämpfer und Zwangsarbeiter statt, die dort von der Gestapo erschossen wurden. Warum sind derlei Gedenkveranstaltungen auch 70 Jahre nach der Befreiung Deutschlands vom Faschismus so wichtig?

»Die Verbrechen an der Menschheit niemals vergessen, der Opfer des Naziregimes immer gedenken«. Unter diesem Motto startet der Heinrich-Czerkus-Gedächtnislauf jedes Jahr. Wie notwendig jeder Einsatz gegen das Vergessen ist, zeigen die Neonaziaufmärsche immer wieder gerade in Dortmund. Wogegen Heinrich Czerkus gekämpft hat, das darf heute, höchstrichterlich abgesegnet, wieder sein Unwesen auf den Straßen treiben. Jedes Wort des Gedenkens, jeder Schritt gegen das Vergessen kann nicht hoch genug eingeschätzt werden, damit das verbrecherische Gestern nicht im Torjubel des Heute untergeht damit das »Nie wieder!« auch in Zukunft Bestand hat.

Für das Dortmunder Friedensforum beginnt der dreitägige Ostermarsch Rhein-Ruhr jedes Jahr bereits am Karfreitag mit einem Informationsstand am Eingang zur Bittermark und dem Mahngang zum Ehrenmal mit der Gedenkkundgebung der Stadt. Unter den Teilnehmern dieser Veranstaltung befinden sich vorwiegend diejenigen, die sich an der Zwischenkundgebung des Ostermarsches am Ostermontag nachmittag in Dortmund-Dorstfeld beteiligen. Es sind diejenigen, die auch in Dorstfeld den Neonazis keinen Platz lassen wollen.

Aber bei der Abschlussetappe des Ostermarsches im Stadtteil Dorstfeld kam es in den letzten Jahren stets zu Provokationen von Anhängern der Partei »Die Rechte«. Warum unterbindet die Polizei dieses Treiben nicht?

Bei einem Kooperationsgespräch zwischen Polizei und uns Ostermarsch-Anmeldern mussten wir erstmals seit Jahrzehnten in dieser Deutlichkeit erfahren, dass die Beamten keine Handhabe gegen »friedliche«, als »normale Bürger« auftretende Neonazis hätten. Zumindest unter freiem Himmel. Bei Störungen einer Veranstaltung in geschlossenen Räumen sei das anders.

Ja, so sagt es das Versammlungsgesetz. Nun kann man den Ordnungsbehörden vorwerfen, was man will, nur nicht fehlende Gesetzestreue. 1933 war das wohl ähnlich, oder?

Was wir in jedem Fall dringend – und keineswegs nur in Dortmund – brauchen, ist deutlich mehr Druck aus der Bevölkerung, damit die Neonazis endlich gestoppt werden und deren Treiben nicht weiterhin von Polizei, Gerichten und Teilen der Politik verharmlost wird.

Interview: Markus Bernhardt

* Aus: junge Welt, Dienstag, 24. März 2015


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