Militär-Rettung für überflüssigen Flughafen?
Kassel-Calden ist ein riesen Flop, doch wenigstens die Bundeswehr scheint Interesse zu haben
Von Michael Schulze von Glaßer, Kassel *
Im April wurde in Nordhessen der neue Verkehrsflughafen Kassel-Calden eröffnet – und scheint bereits wieder kurz vor der Schließung zu stehen. Im Winter werden den Flughafen wahrscheinlich nur noch drei Flugzeuge in der Woche anfliegen – wenn es gut läuft. Dafür findet die Bundeswehr an dem Flughafen zunehmend gefallen.
»Was brachte die in der Nähe von Kassel gelegene 7000-Einwohner-Gemeinde Calden im April in die Schlagzeilen?«, fragte Günther Jauch im Mai eine Kandidatin der Sendung »Wer wird Milionär?« – Antwort »B – leerer Flughafen« war die richtige Lösung. Seit seiner Einweihung sorgt der neue Verkehrsflughafen Kassel-Calden im äußersten Norden Hessens für viel Häme und Spott. Der letztlich 271 Millionen Euro teure Flughafen, dessen Baukosten sich mit der Zeit verdoppelt hatten, sei überflüssig und werde sich niemals rechnen, so die einhellige Meinung von Experten.
Schon am Eröffnungstag stand fest, dass die ersten geplanten Flüge nicht stattfinden würden – es gab zu wenige Passagiere. Mit dem Bus ging es für die wenigen Reisenden daher zum nahe gelegenen Flughafen Paderborn um abzuheben.
Es folgten weitere Pannen: die ersten Linienflüge fielen wegen einer »Massenerkrankung« bei »Croatia Airlines« aus; ein Pilot der Fluggesellschaft »Germania« manövrierte sein Flugzeug auf dem Gelände versehentlich in eine Sackgasse; wegen eines totalen Stromausfalls im Tower konnte ein Flugzeug aus Antalya nicht planmäßig in Calden landen; unzählige Flüge fielen bisher ersatzlos aus. Mit nur noch drei bis vier Abflügen pro Woche rechnen die Flughafenbetreiber ab November. Zwar haben die großen Reiseveranstalter schon vor einiger Zeit ihre Winterkataloge veröffentlicht, Flüge ab Kassel-Calden sind darin aber nicht zu finden.
Die schwarz-gelbe Landesregierung hält trotzdem an dem von Subventionen abhängigen Projekt fest. Und zumindest einen Interessenten scheint es für den nordhessischen Flughafen zu geben: die Bundeswehr.
Mitte April landete ein »Transall«-Flugzeug der Armee in Kassel-Calden und nahm Fallschirmspringer der Einheit »Division Spezielle Operationen« für eine Militärübung auf dem nahe gelegenen Truppenübungsplatz Senne bei Paderborn auf. Anfang Juni dann landete ein »Eurofighter«-Kampfjet der Luftwaffe. Laut Flughafenleitung sei die Landung nötig, um zu testen ob der Flughafen für Notlandungen des Kampfjets geeignet sei. Zudem sollten das Flughafenpersonal, also Feuerwehr, Rettungsdienst, Vorfeldabfertigung und übrige Techniker mit den Besonderheiten eines Militärflugzeuges vertraut gemacht werden. Anfang August waren es dann ein Kampfjet vom Typ »Tornado« und ein Luftwaffen-Airbus, die in Nordhessen testweise landeten. Zuletzt probte am 9. August ein Airbus A340 der Flugbereitschaft des Verteidigungsministeriums die Landung.
Die Pressesprecherin des Flughafens reagiert auf Anfragen zur Nutzung des Flughafens durch die Bundeswehr gereizt. Zunächst wurde eine Presseanfrage trotz mehrmaliger Nachfragen zwei Monate lang nicht beantwortet. Auch versprochene Rückrufe gab es nicht. Nun hat die Flughafen-Sprecherin immerhin verkündet, dass man sich zu Fragen rund um die Bundeswehr in Kassel-Calden offiziell nicht äußern werde.
Das könnte auch daran liegen, dass die zunehmende Militärpräsenz an dem leeren Zivilflughafen mittlerweile sogar Thema im Bundestag ist. In einer kleinen Anfrage wollte die Linksfraktion wissen, in wie weit der nordhessische Flughafen militärisch genutzt werden soll. Die Antworten der Bundesregierung fielen kurz aus: »Das Heer sowie die Marine planen derzeit keine Nutzung des Flughafens Kassel-Calden. Die Luftwaffe plant den Flugplatz Kassel-Calden als Ausweichflugplatz zu nutzen.« Auch die »Division Spezielle Operationen« plane keine weitere Nutzung des Flughafens, so die Bundesregierung. Von der Armee-Einheit selbst hört sich das allerdings anders an. Es sei auch zukünftig ein mögliches Szenario Kassel-Calden für Übungen zu nutzen, wurde der Pressesprecher der Bundeswehr-Truppe kürzlich in der Kasseler Lokalzeitung zitiert.
Auch die Linksfraktion ist trotz der Antworten der Bundesregierung weiter skeptisch: »Warum der Aufwand, wenn man nicht mehr vorhat? An keiner Stelle wurde erklärt, dass diese Tests negativ verlaufen seien«, merkt die Linke-Bundestagsabgeordnete Christine Buchholz zur Armeepräsenz an. Mit Blick auf die wenigen Flüge, die von dem neuen Flughafen starten, wundern die hessische Bundestagsabgeordnete die Bundeswehrtests aber nicht: »Klar, dass die Flughafenbetreiber nun auf die Idee kommen, sich der Bundeswehr anzudienen, die unter Einsparungsdruck leidet und kostengünstige Alternativen gerne ausprobiert. Weder für die Landung des »Tornados« noch jene des »Eurofighters« musste das Verteidigungsministerium etwas an den Flughafenbetreiber in Calden entrichten«, erklärt Buchholz. Und so war die Besucher-Plattform am Flughafen bei den angekündigten Landungen der Militärflugzeuge auch immer prall gefüllt.
Einige Bundeswehr-Aktionen in Nordhessen fanden aber auch schon unbehelligt statt: zwischen der Eröffnung Anfang und April und einschließlich Juni hat es bereits zwölf militärische Flugbewegungen an dem Flughafen gegeben – mehr als bisher öffentlich bekannt.
* Aus: neues deutschland, Dienstag, 27. August 2013
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