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Segeln unter falscher Flagge

Kasseler Friedensforum protestiert gegen Bundeswehrwerbung an Schulen

Pressemitteilung an die regionalen Medien

In großer Aufmachung berichtete eine führende Zeitung in der Region Nordhessen über die Arbeit des neuen Jugendoffiziers der Bundeswehr. Er sei "auf Tour in Sachen Bildung" heißt es da. Sein "Bildungsangebot" richtet sich u.a. an Schulen. Dort wolle er, so seine erste Behauptung, über "deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie über die Aufgaben ... der Bundeswehr in aller Welt" informieren. Seine zweite Behauptung: Werbung für die Bundeswehr liege ihm fern.

Ersteres halten wir für unnötig; letzteres ist schlicht falsch.

(1) Politische Bildung ist ein grundgesetzlicher Auftrag, den die allgemeinbildenden Schulen in Eigenverantwortung zu erfüllen haben. Dies betrifft alle politischen Bereiche, also auch die Sicherheitspolitik. In einer gemeinsamen Erklärung des Präsidenten der Kultusministerkonferenz und der Bildungs- und Lehrergewerkschaften aus dem Jahr 2000 werden die Aufgaben präzisiert; es heißt dort: "Die Zukunftsaufgaben von Bildung und Erziehung werden vor allem geprägt sein durch (...) die Sicherung von Frieden und Gewaltfreiheit." Diese Inhalte kompetent, vorurteilsfrei und unabhängig von Interessen zu vermitteln, ist Aufgabe der hierfür ausgebildeten pädagogischen Fachkräfte. Sie erziehen ihre Schülerinnen und Schüler zu demokratischem Handeln, Kritikfähigkeit, Gewaltfreiheit und Toleranz und beteiligen sie an allen wichtigen Entscheidungen der inhaltlichen und methodischen Gestaltung des Lernens. - Es wäre ein Armutszeugnis für die Schulen, wenn sie bei der Erledigung dieser Aufgaben auf die Unterstützung der Bundeswehr angewiesen wäre.

Hinzu kommt, dass es seit dem "Beutelsbacher Konsens" (1976) für die Politische Bildung, also auch den Sozialkundeunterricht bzw. das Fach "Politik und Wirtschaft" allgemein anerkannte Regeln gibt, die vor Indoktrination schützen (das sog. "Überwältigungsverbot") und Ausgewogenheit bzw. "Kontroversität" sicherstellen sollen.

(2) Dass ein Jugendoffizier keine Werbung für die Bundeswehr betreiben würde, ist ein Ammenmärchen. Wer beobachtet, wie die Bundeswehr seit Jahren ihre Werbung im öffentlichen Raum, insbesondere unter Jugendlichen verstärkt hat, wie sie über "Kooperationsvereinbarungen" mit zahlreichen Länderregierungen sich den Zugang zu Schulen sichern möchte, oder wie sie mit Jahrmarktsauftritten und Schnupper-Events Kindern und Jugendlichen ein Bild der Bundeswehr von "Freiheit und Abenteuer" anpreist, weiß, dass die Auftritte von Jugendoffizieren an Schulen selbstverständlich auch der Nachwuchsrekrutierung dienen.

Das Kasseler Friedensforum schließt sich der Erklärung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft an, deren Hauptvorstand 2010 klarstellte: "Die GEW lehnt die Werbeversuche der Bundeswehr an Schulen und anderen Bildungseinrichtungen ab und verurteilt sie. (...) Die Schule ist kein Ort für Rekrutierung von Berufssoldatinnen und -soldaten." Die Friedensbewegung ist Teil einer bundesweiten Kampagne, die unter dem Titel "Lernen für den Frieden" Unterschriften unter einen Appell sammelt, in dem es u.a. heißt: Die Schulen sind als "zivile Einrichtungen zu erhalten und die politisch gewollte Beeinflussung der SchülerInnen und LehrerInnen durch die Bundeswehr zu beenden."

Nicht das Militär ist die Schule der Nation, sondern die Schule!

Für das Kasseler Friedensforum:
Dr. Peter Strutynski (Sprecher)


Und hier geht es zum Artikel in der HNA, auf den sich die obige Stellungnahme bezieht: www.hna.de [externer Link]




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