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Rüstungsexportbericht der Bundesregierung:

Friedensbewegung enttäuscht und erzürnt

Presseerklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag

Der Bundesausschuss Friedensratschlag ist teils enttäuscht, teils erzürnt über den gestern von der Bundesregierung vorgelegten Rüstungsexportbericht 1999.

Die Vorlage des ersten Berichts dieser Art geht auf eine entsprechende Festlegung in den Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung vom 19. Januar 2000 zurück. Der nun veröffentlichte Bericht wollte "zu einem höheren Maß an Transparenz" beitragen. Herausgekommen ist ein Bericht, dessen 120 Seiten eine große Informationsfülle versprechen, den äußerst spärlichen Gehalt dieser 120 Seiten aber nur mühsam verhüllen können. Der eigentliche Bericht besteht aus mageren 23 Seiten, alles andere sind Dokumentationen alter Beschlüsse und tabellarische Aufzählungen.

Geheimhaltung statt "Transparenz"

Die "Transparenz" endet da, wo die Rücksicht auf die Anonymität der Rüstungsproduzenten und -exporteure beginnt. Z.B. taucht kein einziger Firmenname auf, obwohl doch die beteiligten Lieferanten zu den Nutznießern staatlicher Exportgenehmigungen gehören. Dabei würde es keineswegs den Geheimhaltungsvorschriften und dem Vertrauensschutz gegenüber Unternehmen widersprechen, wenn der Wirtschaftsminister - der den Bericht erstellen ließ - wenigstens alle Rüstungslieferanten genannt hätte. Die Geheimhaltungsmanie des Wirtschaftsministers geht sogar noch weiter: Aus Angst, irgend jemand könnte aus der Aufschlüsselung der exportierten Güter "in bestimmten Fällen das Geschäftsfeld bestimmter Exporteure erkennen" (S. 13), wird bei rund 20 Prozent aller Waffenexporte auf einen Nachweis im vorliegenden Bericht von vorneherein verzichtet. Mit anderen Worten: Auskunft gegeben wird nur über rund 80 Prozent des Rüstungshandels.

"Genehmigungen" statt Realausfuhren

Ein Manko des Berichts besteht darin, dass nur über erteilte Exportgenehmigungen, nicht aber über den Umfang der tatsächlich exportierten Rüstungsgüter informiert wird. Dass es darüber Daten gibt, geht aus einer Untersuchung des US-amerikanischen Kongresses vom August d.J. hervor, in der für das Jahr 1999 deutsche Rüstungsexporte in Höhe von insgesamt über vier Milliarden Dollar aufgelistet sind. Damit setzte sich die Bundesrepublik auf Platz drei der weltgrößten Waffenexporteure. Der vorliegende Bericht aus Berlin handelt von Exportgenehmigungen bei den "Rüstungsgütern" in Höhe von 5,9 Mrd. DM und von realen Exporten von "Kriegswaffen" in Höhe von 2,8 Mrd. DM.

Regierung genehmigte (fast) alles

Da die neuen Rüstungsexportrichtlinien 1999 noch nicht vorlagen, hielt sich die Bundesregierung bei ihrer Exportgenehmigungspraxis an die alte Beschlusslage, d.h. an die politischen Richtlinien von 1982 sowie an den europäischen "Verhaltenskodex" vom 8. Juni 1998. Dieser Verhaltenskodex, an den die Bundesregierung sich zu halten versprach, verbietet Waffenexporte in Länder, über die ein Waffenembargo verhängt ist (Kriterium 1), die gegen grundlegende Menschenrechte verstoßen (2), die in innere bewaffnete Konflikte verstrickt sind (3), die in instabilen Regionen liegen (4) oder die keine zuverlässige Gewähr bieten, erhaltene Waffen nicht an Dritte weiter zu geben (7).

Würden diese Kriterien auch nur grob eingehalten, dürften Waffen in Krisen- und Spannungsgebiete überhaupt nicht exportiert werden. Der afrikanische Kontinent, Südasien, Mittelasien und Südostasien wären genauso tabu wie weite Teile Süd- und Mittelamerikas. Die Genehmigungspraxis der Bundesregierung sieht aber anders aus. Von den gestellten 9.458 Rüstungsexportanträgen wurden lediglich 85 (in Worten: fünfundachtzig) abgelehnt, das entspricht einer Ablehnungsquote von gerade einmal 0,9 Prozent!

Genehmigungen wurden erteilt in Länder wie Albanien, Algerien, Aserbeidschan, Bangladesch, Belarus (Weißrussland), Botsuana, Burkina Faso, Elfenbeinküste, Ecuador, Gabun, Georgien, Ghana, Guyana, Indien, Indonesien, Israel, Jemen, Jordanien, Kasachstan, Kenia, Kolumbien, (Süd)korea, Kuwait, Libanon, Malaysia Mazedonien, Nepal, Nigeria, Oman, Pakistan, Peru, Philippinen, Rumänien, Russland, Sambia, Saudi-Arabien, Simbabwe, Sri Lanka, Syrien, Taiwan, Tansania, Thailand, Tunesien, Uganda, Usbekistan, Vereinigte Arabische Emirate. Alles Länder, auf welche eines oder mehrere der o.g. Kriterien 2, 3, 4 und 7 zutreffend sind. Besonders skandalös ist, dass auch in Länder exportiert werden darf, gegen die 1999 ein international anerkanntes Rüstungsembargo bestand (Kriterium 1), z.B. Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Jugoslawien, Äthiopien und Sierra Leone.

Fazit

Von einer "restriktiven" Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung kann keine Rede sein. Das erste Prinzip, nach dem in Berlin Genehmigungen erteilt werden, lautet offenbar: Erlaubt wird, was der Wirtschaft nutzt. Das zweite Prinzip lautet: Transparenz herrscht, wenn wir etwas verlautbaren, egal wie viel es ist. Und das dritte Prinzip lautet: Menschenrechte machen sich gut bei der Begründung von Kriegseinsätzen, sie haben aber keinerlei Bedeutung für den Waffenexport.

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Dr. Peter Strutynski (Sprecher)
Kassel, 21. September 2000

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