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"Kriege beenden - 'Einsatzkräfte' auflösen"

Aktionskonferenz der Friedensbewegung beschließt Fahrplan für Kampagne

Presseerklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag
Frankfurt a.M./Kassel, 18. Juni 2001


Am Wochenende trafen sich in Frankfurt a.M. ca. 70 Vertreterinnen und Vertreter von über 30 Friedensorganisationen -initiativen zu einer Aktionskonferenz ("kleiner friedensratschlag"), um über den Fortgang einer gemeinsamen Kampagne der Friedensbewegung zu beraten. Veranstalter waren die ausrichtende Frankfurter "Friedens- und Zukunftswerkstatt e.V." und der "Bundesausschuss Friedensratschlag, der ansonsten die einmal im Jahr (Anfang Dezember) stattfindenden Strategietreffen der deutschen Friedensbewegung in Kassel organisiert. Nach zwei einleitenden Referaten von Prof. Dr. Ulrich Albrecht (Berlin), Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Friedens- und Konfliktforschung, und Tobias Pflüger (Tübingen) von der Informationssstelle Militarisierung-IMI e.V. diskutierten die Teilnehmer/innen einen Aktionsplan, der bis zu den Bundestagswahlen im Herbst 2002 reichen soll.

Dr. Peter Strutynski, Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, fasste am Ende der Veranstaltung die vereinbarten Eckpunkte der bundesweiten Kampagne zusammen. Es gehe nach seinen Worten um nicht mehr und nicht weniger als um die Zukunft des Selbstverständnisses der Bundesrepublik Deutschland und deren Rolle in der Welt. Die Umwandlung der Bundeswehr von einer Armee der Landes- und Bündnisverteidigung in eine Armee mit Interventions- und Angriffsfähigkeiten sei weder mit dem Grundgesetz noch mit dem Völkerrecht vereinbar. Schon jetzt werde außerdem deutlich, dass die "neue Bundeswehr" mehr Geld kosten werde, als der Bundeshaushalt vertragen kann. Nach Berechnungen von Tobias Pflüger und anderen Experten müsse in den nächsten 15 Jahren für Beschaffungsmaßnahmen zum Zweck der Umrüstung der Bundeswehr in Höhe von bis zu 210 Mrd. DM gerechnet werden.

Mit dem Appell "Kriege verhindern - Einsatzkräfte auflösen" , dem sich seit Ostern dieses Jahres so gut wie die ganze Friedensbewegung in der Bundesrepublik angeschlossen hat, soll genau dieser Zusammenhang hergestellt werden: Die Aufstellung einer 150.000 Soldaten starken Truppe von "Einsatzkräften" solle verhindert bzw. schon aufgestellte Truppenteile wieder aufgelöst und die damit verbundene Beschaffung neuer Waffen und Ausrüstungen gestoppt werden. Die Friedensbewegung erhofft sich dadurch eine Umschichtung der eingesparten Milliarden zugunsten "ziviler Projekte", also z.B. Investitionen in Bildung und Ausbildung, Umweltschutzmaßnahmen und soziale Sicherungssysteme. Die Friedensbewegung wird deshalb auch auf die Gewerkschaften und auf die öffentlichen Bildungsträger zugehen, um mit ihnen evtl. gemeinsame Plattformen und Aktionen gegen die "Militarisierung der Außenpolitik" zu verabreden.

Der "kleine friedensratschlag" verständigte sich laut Strutynski auf eine konzentrierte bundesweite Kampagne mit drei zeitlich/inhaltlichen Schwerpunkten:
  • Erstens sollen der kommende 1. September ("Antikriegstag") sowie die im Herbst anstehenden Haushaltsberatungen im Bundestag dazu genutzt werden, den Skandal angeblich leerer Kassen bei gleichzeitiger großzügiger Alimentierung einer Angriffsarmee öffentlich zu machen. Wenn heute Verteidigungsminister Scharping und seine Generalität davon sprechen, die Bundeswehr sei chronisch unterfinanziert und könne ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen, so ist dies eine faustdicke Lüge. Strutynski: "Kamen nämlich in den 80er Jahren, also noch in der Hochzeit der militärischen Blockkonfrontation, rechnerisch 1,1 Millionen DM Verteidigungsausgaben auf einen Soldaten, so sind es heute, ohne dass ein gegnerisches Militärbündnis existiert oder in Sicht wäre, 1,4 Millionen DM. Soll man da nicht erwarten können, dass mit einem derart gestiegenen 'Pro-Kopf-Verbrauch' ein gewisser Ausrüstungsstandard zu halten ist?" Die Friedensbewegung wird vor der Haushaltsabstimmung eine erste Rate ihrer Unterschriften unter den bundesweiten Appell "Kriege verhindern - Einsatzkräfte auslösen" in Berlin überreichen.
  • Zweitens wird der Verfassungstag im kommenden Jahr, der 23. Mai 2002 (am 23. Mai 1949 war das Grundgesetz in Kraft getreten), dazu genutzt, auf die Verfassungswidrigkeit der Bundeswehrreform aufmerksam zu machen. Um den 23. Mai 2002 herum sollen an ausgewählten Bundeswehr-Standorten der "Einsatzkräfte" Aktionen der Friedensbewegung stattfinden. Nach Möglichkeit sollen auch Rüstungsbetriebe einbezogen werden, die an der Produktion von "Angriffswaffen" beteiligt sind. Ein "zweite Rate" an Unterschriften soll dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags überreicht werden. Die rot-grüne Bundesregierung wird daran zu erinnern sein, dass sie ihr Versprechen, stärkere plebiszitäre Elemente in die politische Willensbildung auf Bundesebene einzubauen, noch nicht eingelöst hat.
  • Drittens wird das Thema von Seiten der Friedensbewegung in den Bundestagswahlkampf 2002 eingebracht: mit Diskussionsveranstaltungen mit Abgeordneten und Wahlkreiskandidaten, örtlichen Aktionen, Aufklärungsveranstaltungen und Zeitungsanzeigen u.v.a.m. Der Bundesausschuss Friedensratschlag wird hierfür rechtzeitig Wahlprüfsteine und Forderungen an die Parteien vorlegen.
Insgesamt, so hofft Bernd Guß von der einladenden "Friedens- und Zukunftswerkstatt", könne es der Friedensbewegung gelingen, mit dem Appell und der Kampagne gegen die Umwandlung der Bundeswehr in eine Angriffs- und Interventionsarmee wieder auf größere Resonanz in der Öffentlichkeit zu stoßen. "Wozu die Bundeswehr der Zukunft da sein soll, ist eine politische Frage", sagte er in Frankfurt. "Und die Politik muss eine Angelegenheit der Bevölkerung sein." Er würde es deshalb auch sehr begrüßen, wenn künftig über Grundfragen der Politik, und der Auftrag der Bundeswehr ist so eine Grundfrage, auch in Deutschland das Volk direkt befragt werden könnte.

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Bernd Guß, Dr. Peter Strutynski

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