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"Lustiger Rüstungshandel" - "Öl ins Feuer bestehender Konflikte"

Zwei Erklärungen aus der Friedensbewegung zur Vorlage des Rüstungsexportberichts der Bundesregierung

Am 1. Dezember 2004 legte die Bundesregierung ihren Rüstungsexportbericht 2003 der Öffentlichkeit vor. Die Friedensbewegung reagierte darauf mit Kritik. Zwei Stellungnahmen vom selben Tag - einer von der "Kampagne gegen Rüstungsexport", die andere vom "Bundesausschuss Friedensratschlag" - wollen wir hiermit zur Kenntnis bringen. Vorangestellt ist die Presseverlautbarung des Wirtschaftsministeriums (federführend für den Rüstungsexportbericht).



Pressemitteilung: Rüstungsexportbericht 2003
Datum: 1.12.2004

Das Bundeskabinett hat heute den Bericht über die Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter im Jahr 2003 beschlossen. Damit erfüllt die Bundesregierung ihre Zusage, dem Deutschen Bundestag jährlich einen Rüstungsexportbericht vorzulegen. Die Berichte dienen der Information von Parlament und Öffentlichkeit über die Umsetzung der Grundsätze der deutschen Rüstungsexportpolitik.

Der Rüstungsexportbericht für das Jahr 2003 wurde gegenüber den vier vorangegangenen Berichten wiederum weiterentwickelt. Im Jahr 2003 wurden für Rüstungsgüter insgesamt Einzelausfuhrgenehmigungen im Wert von ca. 4,9 Mrd. € erteilt. Nach wie vor entfällt mit 67 % der Großteil auf EU-, NATO- und NATO-gleichgestellte Länder. Gegenüber dem niedrigen Niveau des Jahres 2002 haben sich damit die Genehmigungswerte im Berichtsjahr erhöht (2002: ca. 3,3 Mrd. €).

Der Anteil der tatsächlich exportierten Kriegswaffen an den Gesamtausfuhren lag bei nur 0,2 %, wenn auch gegenüber dem Vorjahr eine deutliche Steigerung zu verzeichnen ist. Deutschland hat im Jahr 2003 keine Kriegswaffen an die am wenigsten entwickelten Länder ausgeführt. Der erwähnte Anstieg der Genehmigungs- und Ausfuhrwerte erklärt sich durch einzelne Transaktionen von besonders hohem Wert. Zu nennen sind hier insbesondere die Lieferungen von Korvetten nach Südafrika und Malaysia. Auch diese Genehmigungen wurden erst nach umfassender Einzelprüfung erteilt. Entscheidungsmaßstab waren die Kriterien der Politischen Grundsätze und des EU-Verhaltenskodexes für Rüstungsexporte. Der Bericht verdeutlicht, dass die Bundesregierung eine restriktive Rüstungsexportpolitik verfolgt. Entscheidungen werden erst nach genauer Prüfung des Einzelfalls getroffen.



„Öl ins Feuer bestehender Konflikte“

Presseerklärung der Kampagne gegen Rüstungsexporte

Stuttgart, 01. Dezember 2004 –„Die Bundesregierung gießt weiterhin weltweit Öl ins Feuer bestehender Konflikte angesichts der Lieferung von Kriegsmaterial und militärisch verwendbaren Gütern in über 90 Länder“ kommentiert Holger Rothbauer, Sprecher der Kampagne gegen Rüstungsexport, den aktuellen Rüstungsexportbericht 2003 der Bundesregierung.

Von den exportierten Rüstungsgütern im Wert von 8 Milliarden Euro wurden nach Angaben der in Stuttgart ansässigen Kampagne mehr als 50 Prozent in Länder geliefert, die weder der NATO noch der Europäischen Union angehören: Darunter Länder wie die Vereinigten Arabischen Emirate, Thailand, Malaysa, oder Saudi-Arabien, „in denen die Menschenrechte mit Füßen getreten werden “ Dies zeige so Rothbauer auf, das die politischen Grundsätze der Bundesregierung zum Rüstungsexport „das Papier nicht wert sind, auf dem sie geschrieben stehen“. Kritisiert wird auch die Vergabe von staatlichen Hermes-Bürgschaften für Dual-use-Güter an den Iran im Wert von 16 Millionen Euro.

Zum ersten Mal in einem Rüstungsexportbericht wird zwar die Anzahl der exportierenden Firmen genannt, doch um welche Firmen es sich handelt, bleibt im Dunklen. Verschleiert wird, was genau sich hinter den Sammelausfuhrgenehmigungen im Gesamtwert von 1,8 Milliarden Euro verbirgt, für die nicht einmal Kategorien und Empfängerländer bekannt gegeben werden.

Die Kampagne gegen Rüstungsexport bei Ohne Rüstung Leben wird finanziell unterstützt von den deutschen Franziskanerprovinzen, dem Katholischen Fonds sowie dem Evangelischen Entwicklungsdienst (EED)

Kampagne gegen Rüstungsexport bei Ohne Rüstung Leben, Paul Russmann

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Pressemitteilung

Lustiger Rüstungshandel: Gut für die Rüstungswirtschaft - schlecht für die Menschheit

Bundesausschuss Friedensratschlag kritisiert Rüstungsexportbericht der Bundesregierung

Kassel, den 1. Dezember 2004 - Die Vorlage des Rüstungsexportberichts der Bundesregierung bestätigt auf traurige Weise einen Trend, der von den großen Friedensforschungsindtituten SIPRI und BICC in den letzten Jahren festgestellt wurde: Die Ausgaben für Rüstung und Militär steigen weltweit wieder an, die Länder der Dritten Welt sind an dieser Entwicklung beteiligt und beziehen den größten Teil ihrer Kriegswaffen aus den reichen Ländern der Ersten Welt.

Hierzu gehörte immer schon auch die Bundesrepublik Deutschland. Doch eine solche Steigerung der Rüstungsexporte, wie sie der Bericht für das Jahr 2003 belegt, hat es noch nie gegeben. Während im Jahr 2002 der Export von Rüstungsgüter im Wert von 3,3 Mrd. Euro genehmigt worden waren, sind es 2003 rund 4,9 Mrd. Euro, eine Steigerung um fast 50 Prozent. Und was noch schlimmer ist: Die Steigerung der Ausfuhren in Entwicklungsländer fiel mit 116 Prozent noch viel deutlicher aus: von 0,745 Mrd. Euro auf 1,612 Mrd. Euro.

Auch wenn aus diesen Exportzahlen Großaufträge über Kriegsschiffe an Südafrika und Malysia herausragen, bleibt doch die Tatsache, dass die Bundesregierung mit Rüstungsexporten in Dritte-Welt-Länder nicht eben zurückhaltend ist. Dass sich Länder wie Kolumbien, Kambodscha, Kasachstan, Namibia* oder Pakistan unter den Empfängern deutscher Waffen befinden, ist schon an sich ein Skandal. Völlig ins Zwielicht gerät die Exportpraxis indessen, wenn man sieht, dass es kaum ein Land im Nahen Osten gibt, das nicht beliefert würde. Genehmigungt werden regelmäßig Exporte nach Ägypten, Iran, Israel, Jordanien, Kuwait, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate u.a. Länder dieser Kriegs- und Krisenregion.

Aus verschiedenen Gründen verstößt die Bundesregierung damit gegen ihre eigenen Exportrichtlinien vom 19. Januar 2000:
  1. Exporte in Spannungsgebiete sind nicht erlaubt (Kap. II Ziff. 4: "Exporte in Länder, in denen ein Ausbruch bewaffneter Auseinandersetzungen droht oder bestehende Spannungen und Konflikte durch den Export ausgelöst, aufrechterhalten oder verschärft würden"); der Nahe Osten ist das "Spannungsgebiet" schlechthin;
  2. Nach Kap. II Ziff. 4 sind Rüstungsexporte zu versagen, wenn die Empfängerländer "in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind, sofern nicht ein Fall des Artikels 51 der VN-Charta vorliegt" (Art. 51 beinhaltet das Recht auf Selbstverteidigung gegen einen äußeren Angriff); auf die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern z.B. ist der Art. 51 nicht anwendbar.
  3. Im Kapitel 1 "Allgemeine Prinzipien" wird festgehalten, dass der Beachtung der Menschenrechtssituation in den Empfängerländern bei der Erteilung von Rüstungsexporten ein "besonderes Gewicht beigemessen" werden soll (Ziff. 2). Wenn "hinreichender Verdacht besteht, dass (die Waffen) zur internen Repression" eingesetzt werden, ist eine Exportgenehmigung zu versagen, heißt es in Ziffer 3. Und Ziffer 4 besagt, dass bei der "Prüfung der Menschenrechtsfrage .. Feststellungen der EU, des Europarates, der Vereinten Nationen (VN), der OSZE und anderer internationaler Gremien" sowie die Berichte von "Menschenrechtsorganisationen" einbezogen werden. Die Berichte etwa von amnesty international über viele Staaten des Nahen Ostens, denen systematische Menschenrechtsverletzungen nachgewiesen werden, ist Legion.
  4. Des weiteren hat die Bundesregierung ausdrücklich versprochen, sich an den europäischen "Verhaltenskodex" vom 8. Juni 1998 zu halten. Dieser Kodex verbietet u.a. Waffenexporte in Länder, die gegen grundlegende Menschenrechte verstoßen (Kriterium 2) und/oder die in innere bewaffnete Konflikte verstrickt sind (Kriterium 3). Beides trifft auf die zuvor genannten Nahost-Länder sowie auf die israelische Politik in den besetzten Palästinensergebieten zu. Israel wurde im Juli 2004 vom Internationalen Gerichtshof bescheinigt, dass es mit dem Bau der Mauer gegen elementares internationales Recht verstößt.
Die Behauptung der Bundesregierung, sie würde eine "restriktive" Rüstungsexportpolitik betreiben, ist also nicht aufrecht zu erhalten. Das Gegenteil ist heute der Fall. Offenbar soll auch der Rüstungsmarkt von den Segnungen der globalen Handelsliberalisierung profitieren. Die interessierte Rüstungswirtschaft wird Gewinn daraus ziehen, die Menschheit insbesondere in den verarmten Krisengebieten kann nur darunter leiden.

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski, Sprecher


* Zur Nennung von Namibia schrieb uns die Botschaft in Berlin u.a.: "Bei genauer Betrachtung des Exportberichts (Liste der Drittländerexporte), handelt es sich bei den Exporten nach Namibia um Revolver, Pistolen, Jagdgewehre und Sportwaffen, inkl. –teile und Munition." (e-mail von Frau Dagmar Honsbein, Commercial Counsellor, Embassy of Namibia vom 6.12.2004). Wir danken für die Aufklärung. Da die Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag aber in der oben dokumentierten Fassung veröffentlicht wurde, dürfen wir an dem Text selbst nichts ändern, haben aber volles Verständnis für den Einwand.


Der Rüstungsexportbericht der Bundesregierung kann von der Homepage des Wirtschaftsministeriums heruntergeladen werden: www.bmwa.bund.de




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