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"Israel muss Besetzung aufgeben"

Rolf Verleger, Mitglied im Direktorium des Zentralrats der Juden, fordert eine aktivere Rolle der EU in Nahost

Von Stefan Löwer *

Kassel. "Es ist an der Zeit, das Schweigen aufzubrechen", sagt Professor Rolf Verleger, Mitglied im Direktorium des Zentralrats der Juden. Deutschland und Europa müssten sich mehr einmischen und Israel und seine Regierung politisch wie auch wirtschaftlich stärker unter Druck setzen. Beim 13. Friedenspolitischen Ratschlag am Wochenende in Kassel plädierte Verleger für eine Umkehr zu einem friedlichen Nahen Osten.

Rolf Verleger gehört zu einer Minderheit von Juden in Deutschland, die in scharfer Weise die israelische Politik gegenüber den Palästinensern kritisiert. Er steht damit im Gegensatz zur jüdischen Mehrheit, die der Zentralrat vertritt. Anfang August hatte er den Zentralrat in einem Brief an dessen Präsidentin Charlotte Knobloch aufgefordert, die israelische Kriegsführung als Problem anzuerkennen und sich davon zu distanzieren. Rolf Verleger kritisierte, dass "der jüdische Staat andere Menschen diskriminiert, in Kollektivverantwortung bestraft, gezielte Tötungen ohne Gerichtsverfahren praktiziert ..." Er wurde daraufhin von seiner Lübecker Gemeinde als Vorsitzender der jüdischen Gemeinschaft in Schleswig-Holstein abberufen.

Der Schlüssel für die Bekämpfung des islamistischen Terrors, so Verleger im gespräch mit unserer Zeitung, liege in der Lösung des Palästina-Problems. "Der Tatbestand der Besetzung wird in der deutschen Öffentlichkeit nicht adäquat angesprochen", kritisierte der Neurophysiologe. Israel müsse seine Besetzung aufgeben. "Die Palästinenser müssen einen eigenständigen, lebensfähigen Staat bekommen", so seine Forderung.

Israel schafft es nicht allein

Der Sohn eines Auschwitz-Überlebenden hat die Unterschrifteninitiative "Schalom 5767" (5767 ist die Jahreszahl nach dem jüdischen Kalender) gestartet, in der Deutschland und die Europäische Union aufgefordert werden, Israels Politik nicht länger zu tolerieren und einen palästinensischen Staat anzustreben. "Die israelische Gesellschaft schafft aus sich allein heraus diese Umkehr nicht", sagt Verleger. Er vermisse von israelischer Seite seit dem Tod von Premierminister Itzhak Rabin jegliche Bereitschaft, zu einer Friedenslösung zu kommen. Palästinensische Infrastruktur werde heute mutwillig zerstört, der Bau der Mauer zwischen Israel und den palästinesischen Siedlungsgebieten sei zutiefst inhuman. Die Zahl der Toten durch palästinensische Raketenangriffe auf Israel nennt Verleger "eine vernachlässigbare Größe gegenüber der Zahl der Opfer der israelischen Anti-Terror-Politik".

Zum 13. Friedenspolitischen Ratschlag hatten sich an diesem Wochenende mehr als 400 Friedensaktivisten aus ganz Deutschland getroffen.

www.schalom5767

* Aus: Hessisch Niedersächsische Allgemeine (HNA), 4. Dezember 2006
Mit freundlicher Erlaubnis der Redaktion.

Link zum Artikel:
www.hna.de



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