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NATO instrumentalisiert Konflikte

Friedensratschlag konstatiert Rückkehr des Krieges in die Politik

Von Michael von Glaßer, Kassel *

Unter dem Titel »Die Rückkehr des Krieges in die Politik - Eine Welt ohne Krieg ist möglich« fand am Wocheneden im nordhessischen Kassel der 19. Friedensratschlag statt.

»Zwei Jahre nach den Aufständen des arabischen Frühlings stehen die Zeichen auf Sturm«, so Peter Strutynski bei seiner Eröffnungsrede in der mit knapp 400 Zuhörern vollen Aula der Universität Kassel am Samstag. Der Organisator des jährlichen Friedensratschlags warnte in seiner Rede angesichts der instabilen Lage in der arabischen Welt vor voreiligen Parteinahmen für eine der Bürgerkriegsparteien - insbesondere mit Blick auf den Konflikt in Syrien. Strutynski sprach sich gegen jede Gewalt aus und forderte stattdessen Solidarität mit den leidtragenden Zivilisten. Die Bundesregierung müsse die Waffenexporte in den Nahen und Mittleren Osten stoppen.

Auch die Journalistin Karin Leukefeld beschäftigte sich in einem sehr persönlich gehaltenen Vortrag mit den Umbrüchen in der arabischen Welt. Sie berichtete im Frühjahr 2011 vom besetzten Tahrir-Platz in der ägyptischen Hauptstadt Kairo: »Weite Teil der Gesellschaft waren dort vertreten«, so die Journalistin: »Die Menschen schmiedeten Pläne, wie das neue Ägypten gestaltet werden soll.« Besonders nach dem erfolgreich erzwungenen Rücktritt des ägyptischen Machthabers Husni Mubarak habe es große Hoffnungen gegeben. Ein Merkmal der Bewegung in Ägypten sei dabei die Gewaltfreiheit gewesen - in anderen Ländern des arabischen Frühlings sei dies anders gewesen: »Schnell wurde zu den Waffen gegriffen«, erinnerte Leukefeld etwa an die Proteste in Libyen. Leukefeld zog darüber hinaus Parallelen zwischen Libyen, wo die NATO den Gegnern von Diktator Muammar al-Gaddafi den Weg freigebombt hatte, zum Konflikt in Syrien. Die Lösung des Konflikts sei den Syrern bereits aus den Händen genommen. Der berechtigten inländischen Opposition gegen Machthaber Baschar al-Assad sei von westlichen Staaten kein Gehör geschenkt worden. Stattdessen würde nur die »Freie Syrischen Armee« von westlichen Regierungen unterstützt. Dabei gehe es den westlichen Staaten um eigene, geostrategischen Interessen wie etwa die Sicherung von Transportwegen und Rohstoffen.

Der emeritierte Hochschullehrer Norman Peach stellte seinen Vortrag unter die Überschrift »Was sagt das Völkerrecht zu den drohenden Kriegen?« Auf die UN-Charta berufe sich das westliche Bündnis heute bei nahezu jedem Konflikt - selbst wenn gegen die Charta verstoßen werde. Statt gegen Kriege zu protestieren, folgten Völkerrechtler heute »den Trommeln und Töpfen ihrer Regierungen« und legitimierten Militäreinsätze durch eine gewünschte Deutung der UN-Charta.

Der Wirtschaftswissenschaftler Conrad Schuhler referierte über den neuen EU-Imperialismus, der Soziologe Hermannus Pfeiffer setzte sich mit der Finanzmarktkrise auseinander. Der Theologe Eugen Drewermann handelte in einem beeindruckenden Vortrag die Geschichte von Kriegen ab, und der venezolanische Botschafter Rodrigo Oswaldo Chaves Samudio plädierte in seinem Gastvortrag für mehr soziale Gerechtigkeit: »Frieden in der Welt wird man nicht nur durch die Beendigung physischer Gewalt und von Kriegen erreichen.« Zudem bot der diesjährige Friedensratschlag 29 Workshops und Diskussionsrunden - von »Drohnen-Kriegen« über »Militärwerbung an Schulen« bis hin zu den heutigen Spätfolgen des Vietnamkrieges.

* Aus: neues deutschland, Montag, 3. Dezember 2012


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