Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

General Sisi will auf Nummer sicher gehen

Der ägyptische Präsidentschaftsanwärter lässt mit den Wahlbestimmungen für Konkurrenten wenig Raum

Von Oliver Eberhardt *

Im Präsidentschaftswahlkampf gilt Ägyptens starker Mann Abdelfattah al-Sisi als sicherer Sieger. Doch tatsächlich ist die Bevölkerung gespaltener denn je. Weitere Gewalt droht.

Generalmajor Hani Abdel Latif gibt sich zuversichtlich: »Sehen Sie«, sagt der Sprecher des ägyptischen Innenministeriums, »es ist ein schwieriger Prozess, aber wir sind absolut dazu in der Lage, für Sicherheit zu sorgen.« Insgesamt zwölf Bomben, deponiert in den Gebäuden von Al-Azhar und Ain Schams, zwei Universitäten in Kairo, wurden von den Sicherheitskräften, »hoch ausgebildeten Spezialisten«, seit Dienstagnachmittag entschärft. Nun habe man dort die Polizei- und Militärpräsenz verstärkt, mit Zustimmung der Universitätsrektoren, wie Abdel Latif betont. Eine Entscheidung, die umgehend zu neuen Studentenprotesten führte: Im Jahr 2010 hatte ein Gericht die ständige Anwesenheit von Sicherheitskräften an den Universitäten untersagt.

Trotz Abdel Latifs Euphorie sind die Sicherheitskräfte weit davon entfernt, die Oberhand zu gewinnen: Ägyptens Regierung denkt nach monatelangen Kämpfen auf der Sinai-Halbinsel darüber nach, Sperranlagen zu errichten, die die Touristenorte am Roten Meer vom Hinterland abschneiden sollen. Und im Süden Ägyptens wurden am Dienstag für mehrere Stunden Telefon und Internet abgeschaltet, während das Militär gegen zwei verfeindete Familien vorging, deren Privatkrieg in den vergangenen Tagen 25 Menschen zum Opfer gefallen sein sollen. Was während des dreistündigen Blackouts geschah, ist unklar. Zu deutlich will sich die Übergangsregierung nicht in die Karten schauen lassen – man versucht, den Mythos vom starken Mann Abdelfattah al-Sisi zu pflegen. Denn der gilt zwar als sicherer Gewinner der Präsidentschaftswahl am 26. und 27. Mai. Doch die Zustimmung in der Öffentlichkeit sinkt. Einer Umfrage von Ende März zufolge würden derzeit 39 Prozent der Befragten den ehemaligen Generalstabschef wählen. 59 Prozent gaben an, sie seien noch unentschieden. Einen Monat zuvor hatten sich noch 51 Prozent auf die Seite Sisis gestellt.

In der Zwischenzeit ist die Kritik am Führungsstil der Übergangsregierung im Lande wieder lauter geworden. So wird nach wie vor das Wahlgesetz heftig kritisiert, das Anfang März von Übergangspräsident Adly Mansur per Dekret erlassen worden war. Im Kern geht es dabei vor allem um zwei Punkte: Die personelle Besetzung der Wahlkommission wird von der Übergangsregierung festgelegt, die Entscheidungen der Kommission sind unanfechtbar. Außerdem: Wer wegen eines Verbrechens »von moralischer Verwerflichkeit« verurteilt wurde, darf auch dann nicht kandidieren, wenn er später wieder entlastet oder begnadigt wurde. Damit ist ein Großteil der Oppositionspolitiker von einer Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen ausgeschlossen. Sie waren nach dem Umsturz im vergangenen Juli in Massen vor Gericht gestellt worden, und anders als zu Hosni Mubaraks Zeiten stellte man sicher, dass man sie wegen Korruption, Terrorismus oder Steuerhinterziehung anklagt.

So kann Hamdeen Sabahi, stellvertretender Vorsitzender des Parteienbündnisses Nationale Befreiungsfront und einer der beiden bereits feststehenden Konkurrenten Abdelfattah al-Sisis, nur aufgrund eines juristischen Schlupflochs kandidieren. Zwar hatte er unter Hosni Mubarak 17 mal im Gefängnis gesessen, war aber nie rechtskräftig verurteilt worden. Neben ihm hat bislang nur der Anwalt Mortada Mansur seine Kandidatur bekannt gegeben.

Die meisten anderen politischen Gruppierungen dagegen haben – stets unter Protest – erklärt, keinen eigenen Kandidaten ins Rennen schicken zu wollen. Diese Wahl, hieß es dazu stets in den Stellungnahmen, sei eine Farce.

* Aus: neues deutschland, Freitag, 11. April 2014


Zurück zur Ägypten-Seite

Zur Ägypten-Seite (Beiträge vor 2014)

Zurück zur Homepage