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Macht des Militärs gesichert

Ehemaliger Armeechef Abdel Fattah Al-Sisi gewinnt Präsidentschaftswahl in Ägypten

Von Sofian Philip Naceur, Kairo *

Rund eine Woche nach Ende der Präsidentschaftswahl in Ägypten hat das Präsidiale Wahlkomitee offizielle Endergebnisse vorgelegt. Demnach gewann mit 96,9 Prozent der Exarmeechef Abdel Fattah Al-Sisi das Rennen um Ägyptens höchstes Staatsamt, der bereits im Vorfeld als sicherer Wahlsieger gegolten hatte. Sein einziger Gegenkandidat, der sozialistische Linkspolitiker Hamdeen Sabahi, erreichte nur 3,1 Prozent. Elf Monate nach dem Sturz des islamistischen Expräsidenten Mohamed Mursi ist die vom Militär dominierte politische Ordnung am Nil damit faktisch vollständig restauriert.

Sabahi hatte beim Wahlkomitee Beschwerde gegen die vorläufigen Zahlen zur Wahlbeteiligung eingelegt und sich über die gesetzlich verbotene Werbung zugunsten Al-Sisis in zahlreichen Wahllokalen beklagt wie auch über die Verhaftungen seiner Anhänger während des Urnengangs und die scharf kritisierte Verlängerung der Wahl um einen weiteren Tag. Das Komitee lehnte jedoch alle Beschwerden ab. Die Wahlbeteiligung lag nach offiziellen Angaben bei 47,5 Prozent. Diese Zahl dürfte allerdings stark gefälscht sein. Lediglich am Morgen des ersten Wahltages bildeten sich Schlangen vor Wahllokalen, die Beteiligung nahm bereits im Laufe dieses Tages stark ab. Alternative Angaben zur Beteiligung bewegen sich zwischen 7,5 und 28 Prozent.

Die Wahlbeobachtermission der Europäischen Union (EU EOM) bescheinigte der Wahl derweil »im Rahmen der Gesetze ausgeführt worden« zu sein, auch wenn das Gremium deren Verlängerung bemängelte. Kritik an der offensichtlich manipulierten Zahl zur Wahlbeteiligung suchte man in Stellungsnahmen der EOM vergeblich. Letztlich hat die EU Al-Sisis Wahl die Legitimität zugesprochen die sich Ägyptens Interimsregierung und das Militär gewünscht hatten. Im Gegensatz dazu bezeichnete die US-Menschenrechtsorganisation Democracy International das politische Umfeld der Wahl als »repressiv« und kritisierte neben der fragwürdigen Verlängerung der Abstimmung unter anderem die parteiische und einseitige Medienberichterstattung zugunsten Al-Sisis.

Im Vorfeld hatte die EOM erklärt; sich nicht in den Wahlprozeß einmischen und weder den Wahlgang noch die Resultate legitimieren zu wollen. Eine erste Stellungsnahme der EOM nach der Abstimmung weist jedoch daraufhin, daß es der EU durchaus darum ging, Al-Sisis Wahl eine gewisse Rechtmäßigkeit zu verleihen, schließlich ignorierte die EOM Unregelmäßigkeiten während der Wahl ebenso wie strittige Entscheidungen des Wahlkomitees. Die EU hat bereits in der Vergangenheit internationale Beobachtermissionen genutzt, um fragwürdigen Urnengängen einen legitimen Anstrich zu geben. Im Falle Ägyptens hat die EU Interesse daran, das Land möglichst schnell zu stabilisieren. Mit der Wahl des Militärkandidaten Al-Sisi sind Ägyptens Streitkräfte auch institutionell wieder auf die politische Bühne am Nil zurückgekehrt, doch bleibt fraglich, ob dieser fähig ist, langfristig Frieden im Land zu schaffen. Ägyptens wirtschaftliche und soziale Probleme wird er mit seiner nationalistischen Rhetorik und der Dämonisierung der Muslimbrüder allein nicht lösen können.

Mit Al-Sisis verfügt die Armee nach dem Sturz Hosni Mubaraks 2011 erstmals wieder über einen demokratisch legitimierten Vertreter im Amt des Staatschefs. Ansätze der Demokratisierung sind mit der Wahl Al-Sisis zum Präsidenten zunächst ausgebremst. Kurzfristig wird sich das Land stabilisieren. Dennoch ist eine weitere Verschärfung der sozial, politisch und wirtschaftlich angespannten Gemengelage in Ägypten nur eine Frage der Zeit ist. Der neue Präsident wird sich daran messen lassen müssen, ob er die sozialen und wirtschaftlichen Probleme des Landes in den Griff bekommt – eine Aufgabe, der er angesichts einer fehlenden politischen Vision nicht gewachsen ist.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 5. Juni 2014


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