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"Sie haben wohl versucht, uns Spionage anzuhängen"

Der ägyptische Geheimdienst wird offenbar nervös, vor allem US-Bürger haben zur Zeit schlechte Karten. Ein Gespräch mit Jeremy Hodge *


Der US-Amerikaner Jeremy Hodge arbeitet in Kairo als Englischlehrer und Übersetzer.


Am 22. Januar wurden der aus Al-Arish im Sinai stammende ägyptische Dokumentarfilmer Hossam Meneai und Sie von Beamten der ägyptischen Staatssicherheit in Ihrer gemeinsamen Wohnung in Giza erst unter Hausarrest gestellt und dann verhaftet. Sie hatten bislang nie mit der Polizei zu tun, warum wurden Sie verhaftet?

Ich denke, es war die ungewöhnliche Kombination, die uns verdächtig gemacht hat. Warum wohnen ein aus Al-Arish stammender Journalist und ein US-Amerikaner, der für eine ägyptische Zeitung gearbeitet hat und gut arabisch spricht, in einer gemeinsamen Wohnung? Vor dem Hintergrund der Militäroffensive im Nord-Sinai gegen militante Islamisten sind für die Staatssicherheit alle Menschen verdächtig, die Verbindungen in den Nord-Sinai haben. Ausländer – vor allem aus den USA – werden in Ägypten schon seit langem, speziell seit dem Sturz Mohammed Mursis im Juli 2013, als potentielle Spione betrachtet. Ich habe zuletzt für die Berliner Nichtregierungsorganisation Transparency International Übersetzungsarbeiten gemacht, die Organisation hatte Ägypten jüngst wegen des harschen Vorgehens gegen Oppositionelle scharf kritisiert.

Was wirft man Ihnen überhaupt vor?

Zunächst ließ man uns im unklaren darüber. Sie brachten uns auf die Polizeiwache am Galaa-Platz in Dokki in Giza – auf eine Wache, die bekannt dafür ist, daß sie mit politischen Gefangenen nicht zimperlich umgeht. Sie warfen uns vor, Falschinformationen verbreitet und Ägyptens nationale Sicherheit gefährdet zu haben, ohne jedoch konkret zu sagen, worum es geht. Das war die offizielle Version. Während wir auf der Wache waren, haben uns die Beamten immer wieder als »Spione« bezeichnet. Der informelle Hintergrund war also ein anderer. Sie haben wohl versucht, uns Spionage anzuhängen – davon ist aber nur noch der Vorwurf der Veröffentlichung von »Falschinformationen« geblieben.

Sie wurden am Sonntag freigelassen, Meneai ist noch in Haft. Wie sind die Beamten mit Ihnen und Meneai umgegangen?

Nach den ersten Befragungen wurden wir in einem Büro mit Handschellen an einen Tisch gekettet und 36 Stunden sitzen gelassen. Kein Essen oder Trinken, sie haben uns die meiste Zeit ignoriert, sie wollten uns mürbe machen. Meneai wurde mehrfach geschlagen und anschließend in eine Zelle mit Kriminellen gesteckt, die meisten waren dort wegen Drogendelikten. Mich haben sie zu den politischen Häftlingen in eine Zelle gesperrt, in der Mehrzahl Anhänger der verbotenen Muslimbruderschaft. Deren Zellen waren viel sauberer und besser ausgestattet. Die Polizei hat mich besser behandelt, weil ich Ausländer bin. Später waren wir beide gemeinsam in der Zelle mit den Kriminellen eingesperrt.

Warum sind die Beamten mit Ihnen unterschiedlich umgegangen und wie hat sich das geäußert?

Sie brachten Meneai zu den Kriminellen, um ihn zu erniedrigen. Sie haben ihn immer wieder geschlagen und beleidigt, während sie mich nicht ein einziges Mal angefasst haben. Ein Polizist war extrem aggressiv gegenüber Meneai. Er hatte offenbar kürzlich einen Cousin im Sinai verloren, der im Zuge der Militäroffensive in der Region Al-Arish getötet wurde. Vor allem sein brutales Vorgehen gegen Meneai wirkte auf mich wie eine persönliche Rache – nur weil Meneai aus Al-Arish stammt.

Sie haben Meneai sogar die Haare abgeschnitten, eine der schlimmsten Erniedrigungen, die es in Ägypten gibt. Zudem glaube ich, sie wären noch heftiger mit ihm umgegangen, wenn nicht ein Ausländer bei ihm gewesen wäre. Bis zu meiner Entlassung hatten wir keinen Kontakt zu Anwälten – und ich weiß bis heute nicht, wie es Meneai geht.

Sie wollen schnellstmöglich abreisen, warum?

Wenn ich bleibe, droht mir ein Gerichtsverfahren. Man sagte mir in der US-Botschaft, ich solle das Land verlassen. Es gibt offenbar eine informelle Vereinbarung zwischen der Botschaft und ägyptischen Behörden, daß ich nur dann freigelassen werde, wenn ich umgehend aus Ägypten verschwinde. Die hiesigen Behörden wollen in dieser angespannten politischen Lage Menschen wie mich lieber loswerden.

Interview: Sofian Philip Naceur, Giza

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 30. Januar 2014


Al Dschasira angeklagt

USA rügen Ägypten wegen Journalistenverfolgung **

Die US-Regierung hat Ägypten wegen des geplanten Prozesses gegen 20 Journalisten des Fernsehsenders Al Dschasira scharf kritisiert.

Washington. Die juristische Verfolgung von Journalisten und anderen durch die Regierung in Kairo sei nicht nur ein »Fehler«, sondern auch eine »ungeheuerliche Missachtung des Schutzes der fundamentalen Rechte und Freiheiten«, sagte die Sprecherin des US-Außenamtes, Jennifer Psaki, am Mittwoch in Washington. Die USA erinnerten die ägyptische Führung daran, »dass die Pressefreiheit ein Eckpfeiler der Demokratie ist«, fuhr Psaki ihre ungewöhnlich scharfe Kritik fort.

Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft in Kairo mitgeteilt, dass 20 Al-Dschasira-Journalisten der Prozess gemacht werden soll, darunter vier Ausländern. 16 Ägypter wurden wegen Mitgliedschaft in einer »Terrororganisation« angeklagt. Außerdem wird ihnen vorgeworfen, der »nationalen Einheit und dem sozialen Frieden« geschadet zu haben.

Den vier Ausländern – zwei Briten, ein Australier und ein Niederländer – wirft die Staatsanwaltschaft vor, mit den angeklagten Ägyptern zusammengearbeitet zu haben. Von den 20 Angeklagten sitzen den Angaben zufolge acht in Haft.

Die Muslimbruderschaft, aus der auch der im Juli vom Militär gestürzte Staatschef Mohammed Mursi hervorgegangen war, war Ende Dezember von der Übergangsregierung als Terrororganisation eingestuft worden. Die Behörden werfen Al Dschasira vor, einseitig und parteiisch über die Proteste von Mursi-Anhängern und die gewaltsame Räumung ihrer Protestlager im August berichtet zu haben, bei der hunderte Menschen getötet worden waren. Das Golfemirat Katar, das Al Dschasira finanziert, hatte Mursi unterstützt und im Gegensatz zu den anderen Golfmonarchien seine Absetzung durch das Militär scharf verurteilt.

** Aus: neues deutschland, Freitag, 31. Januar 2014


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