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Ehrenwerter Herr Mubarak

Ägyptisches Berufungsgericht kassiert Urteil gegen Exdiktator. Freispruch erwartet

Von Sofian Philip Naceur/Kairo *

Die juristische Rehabilitierung des 2011 partiell gestürzten Regimes in Ägypten geht in eine neue Runde. Am Dienstag ordnete das höchste Berufungsgericht am Nil die Revision des Verfahrens gegen Expräsident Hosni Mubarak an und folgte damit dem Appell von Staatsanwaltschaft und Mubaraks Anwälten. Mubarak wurde im Mai 2014 wegen Veruntreuung von rund 15 Millionen Euro aus dem Budget des Präsidentenpalastes zu drei Jahren Haft und einer Strafe von umgerechnet 17 Millionen Euro verurteilt. Seine zwei Söhne Alaa und Gamal Mubarak wurden im selben Verfahren zu je vier Jahren Gefängnis verdonnert. Ihre Anwälte legten im Juli Beschwerde gegen das Urteil ein und forderten ein Revisionsverfahren, dem nun stattgegeben wurde. Das Berufungsgericht kündigte an, den Prozess in einem anderen Gerichtsbezirk neu aufrollen zu lassen.

Mubarak und seine zwei Söhne waren im April 2011 verhaftet worden. Während Alaa und Gamal Mubarak seither ihre Strafe im Gefängnis absitzen, wurde Mubarak im Sommer 2013 aus gesundheitlichen Gründen in ein Militärkrankenhaus in Maadi im Süden Kairos verlegt und steht seitdem unter Hausarrest. Nach der umstrittenen Aufhebung des Urteils bleibt jedoch weiterhin unklar, ob Mubarak das Krankenhaus verlassen darf. Mit Verweis auf eine Mubaraks Familie nahestehende Quelle berichtet die ägyptische Internetzeitung Mada Masr, es sei möglich, dass Mubarak auch weiterhin im Militärkrankenhaus in Maadi verbleiben werde, da es für die Behörden schwierig sei, in einer Privatunterkunft für seine Sicherheit zu garantieren.

Sollten Mubarak und seine Söhne im Berufungsverfahren freigesprochen werden, wären sie von sämtlichen Strafanzeigen freigesprochen und juristisch vollständig rehabilitiert. Mit einem solchen Freispruch wird in den Reihen der Opposition allgemein gerechnet. Schon im November 2014 wurden Mubarak, seine Söhne und Ägyptens ehemaliger Innenminister Habib Al-Adly in einem Revisionsverfahren für unschuldig befunden, während der Zeit des 18tägigen Aufstandes gegen das Regime im Januar und Februar 2011 für den Tod Hunderter Demonstranten verantwortlich gewesen zu sein. Die Urteilsverkündung hatte Ende November für massive Verstimmungen im Land gesorgt. Bei der größten regimekritischen Demonstration seit über einem Jahr versammelten sich rund 5.000 Menschen in Kairos Stadtzentrum und protestierten gegen das Urteil. Bei der gewaltsamen Räumung der Demonstration durch ägyptische Sicherheitskräfte waren mindestens zwei Protestler getötet und Dutzende verhaftet worden.

Mit der Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Mubarak und seine Söhne setzt Ägyptens Justiz weiterhin konsequent ihre zuletzt immer wieder heftig kritisierte Linie fort. Während ehemalige Kader aus Mubaraks Machtapparat einer nach dem anderen reingewaschen werden, gehen die Gerichte im Land weiter unbeirrt gegen Oppositionelle und kritische Stimmen vor und verkünden politisch motivierte Urteile am Fließband. Neben zahlreichen prominenten Regimekritikern wie Alaa Abdel Fattah, Sanaa Seif oder Ahmed Maher, die wegen angeblicher Verstöße gegen das restriktive Protestgesetz zu Haftstrafen zwischen zwei und 15 Jahren verurteilt wurden, sitzen auch weiterhin zwölf Journalisten in ägyptischen Gefängnissen.

Das Innenministerium intensiviert zudem derzeit seine Kampagne gegen unerwünschte Meinungsäußerungen im Internet. Schon im Sommer kündigte das vom Regimehardliner Mohamed Ibrahim geführte Ministerium an, die staatliche Überwachung sozialer Netzwerke wie Facebook oder Twitter forcieren zu wollen und lässt derzeit seinen Worten Taten folgen. Seit November wurden Hunderte der islamistischen Muslimbruderschaft nahestehende Aktivisten wegen des Betreibens regimekritischer Facebook-Seiten verhaftet, aber auch die Aktivitäten säkularer Oppositioneller im Internet sind inzwischen zur Zielscheibe der Behörden geworden. Mit der systematischen Massenüberwachung sozialer Netzwerke attackiert Ägyptens restauriertes Regime nun auch die letzte noch verbliebe Plattform für freie Meinungsäußerung im Land.

* Aus: junge Welt, Donnerstag, 15. Januar 2015


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