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Rochade vor der Wahl

Nach dem Rücktritt von Ägyptens Regierung

Von Sofian Philip Naceur, Kairo *

In Ägypten wirft der am Montag überraschend erklärte Rücktritt der Übergangsregierung von Premierminister Hasim Al-Beblawi nach wie vor Fragen auf. Konkrete Gründe für die geschlossene Demission des Kabinetts nannte Al-Beblawi auch weiter nicht. Zahlreiche politische Kräfte am Nil vermuten jedoch, der Schritt hänge mit den Ambitionen von Armeechef und Verteidigungsminister Abdel Fattah Al-Sisi zusammen, der bei den im April anstehenden Präsidentschaftswahlen antreten will. Deshalb waren in Kairo eine Kabinettsumbildung und der Rücktritt Al-Sisis vom Amt des Verteidigungsministers seit Wochen erwartet worden, denn für eine Kandidatur muß er seine Militäruniform ausziehen. Die entsprechende offizielle Ankündigung wird nun in Kürze erwartet.

Der Vorsitzende von Al-Beblawis Sozialdemokratischer Partei, Mohammed Abu Ghar, sagte der Zeitung ­Mada Masr, der Rücktritt der Regierung hänge sicher mit den Vorbereitungen von Al-Sisis Präsidentschaftskandidatur zusammen. Er könne jedoch auch eine Reaktion auf die anhaltende Streikwelle im Land gewesen sein. Seit rund zwei Wochen erlebt Ägypten eine Vielzahl von Ausständen, und die Regierung zeigte sich bisher unfähig, die Lage in den Griff zu bekommen. Neben Zehntausenden Angestellten der Textilindustrie streiken seit knapp einer Woche nun auch die Busfahrer des staatlichen Nahverkehrs sowie Ärzte und Postangestellte. Mit der Erhöhung der Gehälter für Polizeibeamte hatte die Regierung erst in der vergangenen Woche versucht, die Proteste der Sicherheitsdienste einzudämmen. In Oppositionskreisen heißt es deshalb auch, die an der Regierung beteiligten Parteien seien mit den wirtschaftlichen Problemen am Nil schlicht überfordert. Sie wollten sich aus der Schußlinie bringen, um ihre Chancen bei der im Sommer anstehenden Parlamentswahl nicht schon im Vorfeld zunichte zu machen.

Viele politische Kräfte Ägyptens haben den Abgang des Übergangskabinetts begrüßt. Die liberale »Bewegung des 6. April« nannte den Rücktritt »überfällig«. Die Minister hätten weder sicherheitspolitische und wirtschaftliche noch soziale Probleme des Landes lösen können. »Die Regierung hat versagt. Jede liberale Regierung, die die Forderungen der Revolution und der derzeit im Land streikenden Arbeitnehmer ignoriert, ist zum Scheitern verurteilt«, erklärte Mamdouh ­Habaschi, Mitbegründer der Ägyptischen Sozialistischen Partei. Auch die Tamarud-Bewegung sah den Abgang des Kabinetts mit Wohlwollen und rief Wohnungsbauminister Ibrahim Mahlab auf, die Führung der neuen Regierung zu übernehmen. Dieser wurde am Mittwoch von Übergangspräsident Adli Mansur offiziell mit der Bildung eines neuen Kabinetts beauftragt. Das sorgte jedoch auch für heftige Kritik. Mahlab war vor dem Sturz von Präsident Hosni Mubarak Mitglied in dessen Nationaldemokratischer Partei gewesen und hatte im Oberhaus des ägyptischen Parlamentes gesessen. Ein weiterer Kandidat für das Amt des Regierungschefs ist Amr Moussa, Mubaraks ehemaliger Premierminister und Vorsitzender der verfassunggebenden Versammlung, die im Herbst 2013 beauftragt worden war, ein neues Grundgesetz zu entwerfen. Er gilt als politischer Verbündeter Al-Sisis, ist populär und wäre eine willkommene Rückendeckung für einen Präsidentschaftskandidaten Al-Sisi im bevorstehenden Wahlkampf.

Favorit für das einflußreiche Amt des Verteidigungsministers ist Generalstabschef Sedki Sobhi, während der seit Januar 2013 amtierende Innenminister Mohammed Ibrahim auf seinen Posten zurückkehren könnte. Ibrahim war 2013 eine Schlüsselfigur beim Sturz von Staatspräsident Mohammed Mursi und gilt als treibende Kraft hinter der Restaurierung des alten Polizei- und Militärstaates aus Mubaraks Zeiten. Die staatliche Tageszeitung Al-Ahram verweist jedoch auf anonyme Regierungsquellen, die sich skeptisch darüber geäußert hätten, den Posten des Innenministers in solch turbulenten Zeiten neu zu vergeben.

Inzwischen bringt sich auch die Salafistenpartei »Das Licht« von Younis Makhyoun für eine Regierungsbeteiligung in Stellung. Die Organisation war die einzige islamistische Kraft, die Mursis Sturz 2013 ausdrücklich begrüßt hatte. Sie versucht seither, aus dem Niedergang von dessen Muslimbruderschaft politisches Kapital zu schlagen.

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 26. Februar 2014


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