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Brutaler Überfall auf Touristen in Äthiopien

Offenbar zwei Deutsche unter getöteten Reisenden

Von Philipp Hedemann, Addis Abeba *

Im schwelenden äthiopisch-eritreischen Konflikt sind erstmals Touristen Opfer der Auseinandersetzungen geworden: Bei einem Überfall auf eine Touristengruppe in der Danakil-Wüste im Nordosten Äthiopien kamen nach Angaben der äthiopischen Regierung fünf Menschen ums Leben.

Die Danakil-Wüste ist ein beliebtes Touristenziel, das bisher Abenteuer ohne Lebensgefahr bot. Bis zu dem brutalen Überfall auf eine Reisegruppe. Über die Opfer gibt es unterschiedliche Angaben, doch unter ihnen sollen zwei Deutsche, ein Österreicher und zwei Ungarn sein. Ein weiterer Deutscher wurde möglicherweise schwer verletzt. Laut äthiopischem Staatsfernsehen soll ein Urlauber unverletzt entkommen sein.

»Die Gruppe wurde in der Nähe des Vulkans Erta Ale überfallen. Nach derzeitigem Kenntnisstand wurden fünf Personen getötet, einige wurden verletzt und ins Nachbarland Eritrea entführt. Unter den Opfern befinden sich möglicherweise auch Deutsche und Österreicher«, sagte der äthiopische Regierungssprecher Bereket Simon gegenüber »nd«. Die äthiopische Regierung vermutet, dass Erzfeind und Nachbar Eritrea für den tödlichen Überfall mitverantwortlich ist.

»Hinter dem Überfall steckt eine subversive Gruppe, die von der eritreischen Regierung trainiert und mit Waffen ausgerüstet wurde«, glaubt Bereket Simon. In der nächsten Woche beginnt in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba der Gipfel der Afrikanischen Union. »Offensichtlich will die eritreische Regierung vor dem Treffen für Unruhe sorgen. Auch beim letzten Gipfel in Addis Abeba planten sie einen Anschlag, den wir vereiteln konnten. Die isolierte eritreische Regierung unterstützt Terroristen wie die Al-Shabaab und gefährdet den Frieden am gesamten Horn von Afrika. Wir fordern die internationale Gemeinschaft auf, jetzt schnell zu reagieren. Äthiopien behält sich das natürliche Selbstverteidigungsrecht vor. Unsere Soldaten sind vor Ort, haben die äthiopisch-eritreische Grenze bislang nicht überschritten«, so Bereket Simon.

Äthiopien annektierte Eritrea nach dem Zweiten Weltkrieg. 1991 gelang es äthiopischen und eritreischen Rebellen gemeinsam, das Derg-Regime unter Diktator Mengistu Haile Mariam zu stürzen, zwei Jahre später erlangte Eritrea friedlich die Unabhängigkeit. Doch bald setzten Grenzstreitigkeiten ein, die 1998 schließlich in einem zweijährigen Grenzkrieg gipfelten. Äthiopien siegte militärisch, 70 000 Menschen starben.

Die eritreische Regierung äußerte sich zunächst nicht zur tödlichen Entführung. Das international isolierte Regime beschuldigt die äthiopische Regierung jedoch regelmäßig, Vorwürfe gegen Eritrea zu erfinden, um dem kleinen Nachbarland zu schaden. Der Botschafter der eritreischen Regierung bei der Afrikanischen Union in Addis Abeba, Girma Asmeron, wies später die Vorwürfe »als widerliche und falsche Behauptung« zurück.

Trotz des äthiopisch-eritreischen Konfliktes bietet der in Addis Abeba lebende Italiener Luigi Cantamessa mit seiner Reiseagentur seit 20 Jahren Touren in die Danakil-Wüste an. »Ich habe von der Regierung der Afarregion gehört, dass zwei Deutsche erschossen, mehrere entführt worden sind. Möglicherweise gibt es mehr Opfer. Es ist sehr kompliziert, jetzt aus dieser entlegenen Region zuverlässige Informationen zu bekommen. Der Vulkan Erta Ale ist sehr schwierig zu erreichen. Ich verstehe nicht, warum die Entführer ausgerechnet dort zuschlugen«, sagt der erfahrene Reiseveranstalter. Seine Agentur wollte am Mittwoch mit einer internationalen Gruppe in die Danakil aufbrechen. Ein deutscher Tourist (32) aus dieser Gruppe sagte: »Ich wurde gegen 18.30 Uhr vom Tourveranstalter informiert, dass es in der Danakil einen Überfall mit mindestens zwei Toten gegeben hat. Die Tour wurde daraufhin gecancelt. Es ist ein Schock.«

Wer die Danakil-Wüste bereisen will, einen der tiefliegendsten und heißesten Orte der Welt, der für Salzseen, aktive Vulkane und bizarre Schwefelformationen bekannt ist, brauchte schon in der Vergangenheit bewaffneten Begleitschutz. Eine in Addis Abeba lebende Deutsche (31), die die Wüste im Februar 2011 bereiste, berichtete: »Unsere Gruppe wurde von mehreren schwer bewaffneten Soldaten und lokalen Führern begleitet. Wir hielten die Sicherheitsmaßnahmen für übertrieben. Es gab keine Zwischenfälle. Wir haben uns damals sicher gefühlt. Offensichtlich wiegten wir uns in falscher Sicherheit.«

Tourismus-Manager Luigi Cantamessa befürchtet, dass der Überfall schwerwiegende Folgen haben wird. »Dieser Vorfall könnte auch den gesamten Tourismus nach Äthiopien zum Erliegen bringen, auch wenn die anderen Landesteile sicher sind. Das wäre eine Katastrophe für Äthiopien.«

Regierungssprecher Bereket Simon hingegen versucht zu beschwichtigen: »Der Vorfall sollte keine Auswirkungen auf den Tourismus in Äthiopien haben. Dies war ein isolierter Zwischenfall. Die Sicherheitslage im Land ist gut.«

Das Auswärtige Amt warnt jedoch vor Reisen in die Danakil-Wüste. Auf der Webseite des Ministeriums hieß es gestern noch: »Trotz einer Zeit relativer Ruhe können Überfälle durch Banditen und örtliche Untergrundorganisationen sowie Entführungen nicht ausgeschlossen werden.« 2007 waren in der Danakil vier Briten und eine Französin entführt worden und nach knapp zwei Wochen nach einer Lösegeldzahlung unversehrt freigelassen worden.

Eine Mitarbeiterin der deutschen Botschaft in Addis Abeba wollte sich nicht zu dem Vorfall äußern und verwies auf den Krisenstab des Auswärtigen Amtes in Berlin. Der Krisenstab bemühe sich mit Hochdruck um Aufklärung, teilte das Ministerium mit. Das Bundeskriminalamt (BKA) entsandte inzwischen Ermittler nach Äthiopien. BKA-Chef Jörg Ziercke: »Wir kennen die Hintergründe noch nicht.«

* Aus: neues deutschland, 19. Januar 2011


> Zum bewaffneten Überfall auf eine Reisegruppe in Äthiopien sagte Außenminister Westerwelle am 18. Januar in Berlin:

"Nach dem gestrigen bewaffneten Überfall auf eine Reisegruppe in Äthiopien, habe ich gestern die Einrichtung eines Krisenstabes angeordnet. Der Krisenstab und die Botschaft in Äthiopien bemühen sich mit Hochdruck, den betroffenen Deutschen zu helfen.

Ich kann Ihnen mitteilen, dass eine Rettungsmaßnahme erfolgreich abgeschlossen wurde. An Bord des Hubschraubers konnten insgesamt zwölf Personen, darunter eine Anzahl Deutscher, in Sicherheit gebracht werden.Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass zwei deutsche Staatsangehörige identifiziert werden konnten, die bei dem Überfall getötet wurden. Mein Mitgefühl gilt den Angehörigen der Toten.

Ich muss Ihnen leider auch mitteilen, dass das Schicksal von weiteren Deutschen, die zu der Reisegruppe gehörten, noch ungeklärt ist. Der Krisenstab und die Botschaft sind weiter mit Hochdruck um Aufklärung und Hilfe für die betroffenen Deutschen bemüht."


Quelle: Website des Auswärtigen Amts; www.auswaertiges-amt.de




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