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Kämpfe um Kontrolle der Bodenschätze in Äthiopien

Geschwächte äthiopische Armee drangsaliert östliche Ogadenregion

Von Anton Holberg *

In Ostäthiopien ist ein Kampf zwischen Regierungstruppen und nationalen Befreiungskämpfern entbrannt. Journalisten und Hilfsorganisationen wird der Zugang von der Regierung verwehrt.

Der Einmarsch äthiopischer Truppen ins benachbarte Somalia droht inzwischen, beide Länder zu destabilisieren. Im Dezember 2006 hatte die Intervention zum Sturz der angeblichen Dschihadisten und Al-Qaida-nahen Union Islamischer Gerichtshöfe (UIC) geführt; es wurde eine Addis Abeba und den USA genehme Regierung installiert. Seit Jahresbeginn nun sind die im Osten Äthiopiens operierenden nationalen Bewegungen der Oromo und der Somali verstärkt militärisch aktiv.

Äthiopien wird gesellschaftlich vom Volk der christlich-orthodoxen Amharen dominiert. Seit dem Sturz des »sozialistischen« Militärdiktators Mengistu (1991) allerdings wird das Land de facto von der einst pro-albanischen Tigray Volksbefreiungsfront (TPLF) regiert. Die Tigray leben nördlich der Amharen, denen sie religiös, sprachlich und kulturell eng verwandt sind. Die Amharen stellen ca. 30 Prozen der Bevölkerung, die Tigray 10 Prozent. Die größte Ethnie des Landes sind die früher unter dem abfälligen Namen Galla bekannten Oromo mit rund 45%. Sie leben seit dem 16. Jahrhundert an der Süd- und Ostgrenze Äthiopiens. Im Osten sind sie Nachbarn der Somali, die etwa sechs Prozent der Bevölkerung stellen. Die von Oromo und Somali besiedelten Gebiete, die Ogaden, wurden Anfang des 20. Jahrhunderts von Kaiser Menelik II. für das damalige Abessinien erobert.

Unterbrochen vom gemeinsamen Kampf gegen das faschistische Italien (1935-1941), folgten verschiedene Oromo-Aufstände, nachdem Großbritannien 1948 die Ogaden Äthiopien zuschlug und einseitig den Schutzvertrag kündigte, den es 1886 mit den Oromo-Häuptlingen unterzeichnet hatte.

Die TPLF kam 1991 an die Macht, ihr damaliger Führer Meles Zanawi ist heute äthiopischer Ministerpräsident. Weil die TPLF zunächst für die Anerkennung der nationalen Rechte von Eritreern, Somalis und Oromo eintrat, wurde sie sowohl von der eritreischen Volksbefreiungsfront (EPLF) als auch von der Oromo Befreiungsfront (OLF) aktiv unterstützt. Die Organisationen wurden später Koalitionspartner in der Regierung. Ebenfalls dabei war die 1977 gegründete Nationale Befreiungsfront der Ogaden (ONLF). Innerhalb eines Jahres jedoch zeigte sich, dass Zenawis Vorstellungen von den Rechten dieser Völker sich deutlich von denen der Betroffenen unterschied. Die einstigen Koalitionspartner verließen die Regierung und gingen erneut in den bewaffneten Widerstand. Eritrea wurde 1993 unabhängig.

Der aktuelle Einsatz der äthiopischen Truppen in Somalia dauert inzwischen länger als geplant, die Heimattruppen sind geschwächt. Sowohl ONLF als auch OLF nutzen die Schwäche, um ihren Kampf zu intensivieren. Im Falle der ONLF handelt es sich um einen Kampf für staatliche Unabhängigkeit der Ogaden bzw. den Anschluss an Somalia. Entgegen der äthiopischen Propaganda ist nicht davon auszugehen, dass die Offensive der beiden nationalistischen Organisationen etwas mit einer besonderen Sympathie für die gestürzte islamistische UIC oder gar Al-Qaida zu tun hat, insbesondere, da ein Großteil der Oromo christlich ist oder Naturreligionen anhängt. Der Kampf hat eine zusätzliche Dynamik dadurch erhalten, dass in der ostäthiopischen Ogadenregion inzwischen Bodenschätze gefunden wurden, besonders Erdöl.

Bereits im November 2006 hatte die ONLF die dort tätige schwedische Erdölfirma Lundin Petroleum vor der weiteren Förderung gewarnt, am 24. April 2007 schritt sie zur Tat. Bei einem Angriff auf das Büro der chinesischen Zhongyuan Petroleum Exploration Company in Abale wurden neun Chinesen und 65 Äthiopier getötet, sieben Chinesen wurden entführt. Im Mai meldeten ONLF und OLF, sie hätten in gemeinsamen Operationen über 150 äthiopische Soldaten getötet, was die Regierung als Propaganda zurückwies. Im August startete die äthiopische Armee eine Gegenoffensive und behauptet nun ihrerseits, den Feind weitgehend aufgerieben zu haben. Das wiederum wurde von der ONLF dementiert, die darauf verwies, dass ausländische Journalisten und das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) aufgrund einer Regierungsanordnung nicht in die Region fahren dürften.

Ausländische Hilfsorganisationen und die britische BBC verweisen auf Augenzeugen, die berichtet hätten, in großen Teilen der Ogaden sei die Versorgung zusammengebrochen, es sei extrem gefährlich. Die ONLF wirft der Armee vor, sich wie eine Besatzungstruppe zu verhalten, die Bevölkerung zu drangsalieren und bestimmte Gebiete aushungern zu wollen. Es würden auch Zwangsumsiedlungen durchgeführt. Internationale Menschenrechtsorganisationen halten es nicht für ausgeschlossen, dass die Region sich ähnlich wie in Darfur destabilisieren könnte

* Aus: Neues Deutschland, 27. August 2007


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