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Afghanistan wird zum Ballast

NATO will 2013 Einsatz ihrer Kampftruppen beenden *

Die NATO will den Einsatz ihrer Kampftruppen in Afghanistan ab Mitte nächsten Jahres beenden. Die »Mission« solle dennoch bis 2014 dauern.

»Der Übergang wird im Verlauf des Jahres 2012 fortgesetzt, und wir erwarten, dass die letzten Provinzen an die afghanischen Sicherheitskräfte bis Mitte des Jahres 2013 übergeben werden«, sagte NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am Donnerstag in Brüssel. An einem Ende der Mission im Jahr 2014 solle aber festgehalten werden.

Rasmussen sprach am Rande eines Treffens der NATO-Verteidigungsminister im Brüsseler Hauptquartier der Militärallianz von »Fortschritten« am Hindukusch. Die afghanischen Sicherheitskräfte führten inzwischen rund 40 Prozent aller Kampfeinsätze und seien für den Schutz der Hälfte der afghanischen Bevölkerung zuständig. Mitte des Jahres 2013 werde die NATO daher die Kampfeinsätze ihrer Truppen verringern, fügte Rasmussen hinzu: »Ab diesem Zeitpunkt wird sich die Rolle unserer Kampftruppen nach und nach von Kampfeinsätzen zur Unterstützung ändern.«

US-Verteidigungsminister Leon Panetta hatte zuvor auf der Reise zu den Beratungen in Brüssel angekündigt, dass die USA ein Ende ihres Kampfeinsatzes am Hindukusch für nächstes Jahr anstrebten. Er hoffe, dass die US-Truppen Mitte 2013 oder in der zweiten Hälfte kommenden Jahres auf eine »Ausbildungs- und Beraterrolle« umschwenken könnten.

Zugleich betonte Panetta, dass die auf dem NATO-Gipfel von Lissabon beschlossene Strategie zur Übergabe der Sicherheitsverantwortung an die afghanischen Kräfte bis Ende 2014 »respektiert« werde. Die Partnerländer seien gemeinsam nach Afghanistan gegangen und müssten es auch gemeinsam verlassen.

Derzeit sind noch 90 000 US-Soldaten am Hindukusch stationiert, bis zum Ende des Sommers sollen es noch 68 000 sein. Auch Frankreich hatte kürzlich angekündigt, seine Kampftruppen bereits im Jahr 2013 und somit ein Jahr eher als bisher geplant aus dem Krisenland abzuziehen.

Der deutsche Verteidigungsminister Thomas de Maizière sprach sich dagegen aus, die NATO-Pläne zum Truppenabzug aus Afghanistan zu beschleunigen. »Es bleibt bei der Strategie, dass wir die Mission bis Ende 2014 durchführen und bis dahin schrittweise abziehen im Blick auf die Lage, im Blick auf den Übergangsprozess«, sagte de Maizière. Das Zieldatum 2014 für ein Ende der Mission sei auch auf einem Treffen der Haupttruppensteller-Länder am Rande der Beratungen in Brüssel »ganz eindeutig« bestätigt worden.

»Bis dahin brauchen wir eine angemessene Truppenstärke, auch deutscher Soldaten, um die Übergabe in Verantwortung seriös durchführen zu können und um den Abzug geordnet zu organisieren«, erklärte de Maizière. »Der Weg bis zum Ende des Jahres 2014 vollzieht sich natürlich in Schritten.« Es müsse dabei jedoch ein Unterschied gemacht werden zwischen dem Einsatz von Kampftruppen und dem Einsatz von Soldaten, welche die afghanischen Kräfte bei Kämpfen unterstützen.

Die SPD forderte die Bundesregierung auf, einen Plan für den beschleunigten Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan vorzulegen. Es dürfe nicht sein, »dass Deutschland 2014 noch als einziges Land in Afghanistan eigene Soldaten mit Kampfauftrag im Einsatz hat«, kritisierte SPD-Fraktionsvize Gernot Erler am Donnerstag in Berlin. Angesichts der US-Ankündigung, den Kampfeinsatz in Afghanistan schon bis Ende 2013 zu beenden, müsse die Bundesregierung »ihre selbst auferlegte Zurückhaltung bei den eigenen Abzugsplänen aufgeben«.

Derweil hat Pakistan nach mehr als zwei Monaten ein baldiges Ende der Blockade der NATO-Nachschublieferungen für die Truppen in Afghanistan in Aussicht gestellt. Das Parlament in Islamabad werde dazu »hoffentlich« in der kommenden Woche zusammentreten, erklärte die pakistanische Außenministerin Hina Rabbani Khar am Donnerstag. Sie werde sich dafür einsetzen, dass die Abgeordneten eine entsprechende Entscheidung verabschieden, so die Politikerin.

* Aus: neues deutschland, 3. Februar 2012


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