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Doppelagent als Attentäter

"New York Times" zum Anschlag auf US-Basis in Afghanistan

Ein jordanischer Arzt und Doppelagent mit Verbindungen zu Al Qaida soll laut US-Medien den jüngsten Selbstmordanschlag auf eine US-Geheimdienstbasis in Afghanistan verübt haben.

Der Mann, der sieben CIA-Agenten mit in den Tod riss, wurde demnach unkontrolliert in das Lager gelassen, weil er Informationen über Top-Al-Qaida-Terroristen liefern sollte. Wie die »New York Times« unter Berufung auf westliche Regierungsbeamte berichtete, hatte der jordanische Geheimdienst den Doppelagenten darauf angesetzt, Al Qaida zu unterwandern und deren »Nummer Zwei«, den ägyptischen Arzt Eiman al-Sawahiri, aufzuspüren.

Der Anschlag sei ein »verheerender Schlag« für die Bemühungen der Geheimdienste, in das Al- Qaida-Netz im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet einzudringen. Die geplante Unterwanderung von Al Qaida werde sich dadurch erheblich verzögern. Der Anschlag sei zugleich ein weiterer Beweis dafür, dass Al Qaida nach wie vor in der Lage sei, zurückzuschlagen und die USA empfindlich zu treffen. Es war der schwerste Anschlag gegen die CIA seit Anfang der 80er Jahre.

Bei dem Doppelagenten handele es sich um den 36-jährigen Humam Khalil Abu-Mulal al-Balawi, der für den jordanischen Geheimdienst gearbeitet habe. Der jordanische Dienst habe den Mann vor über einem Jahr wegen Al-Qaida-Kontakten festgenommen und inhaftiert. Die Jordanier seien später davon ausgegangen, sie hätten den Mann auf ihre Seite gezogen. Darauf hätten sie ihn als Undercover-Agenten nach Pakistan und Afghanistan geschickt. Der Mann habe sich kürzlich bei seinen jordanischen Agentenführern mit dem Wunsch gemeldet, CIA-Agenten in dem Lager in der Khost-Provinz an der Grenze zu Pakistan zu treffen. Bei dem Anschlag kam außer dem Attentäter und den sieben CIA-Agenten auch noch ein jordanischer Spion ums Leben.

Bisher hieß es, der Täter habe eine afghanische Armeeuniform getragen, sei als Informant eingeladen gewesen und entgegen den Sicherheitsvorschriften bei seiner Ankunft auf der schwer bewachten Basis nicht durchsucht worden. Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff. Der Attentäter hatte die Bombenweste in einem Fitness-Raum der Anlage gezündet.

Der Stützpunkt Forward Operation Base Chapman soll eine Schlüsselrolle bei der Steuerung unbemannter Drohnen spielen, mit denen die US-Streitkräfte Taliban im Grenzgebiet beschießen. Unterdessen hat der oberste Geheimdienstvertreter der USA in Afghanistan, Michael Flynn, ein verheerendes Bild des US-Nachrichtendienstes am Hindukusch gezeichnet.

Die US-Agenten in Afghanistan seien »noch immer unfähig, fundamentale Fragen zu beantworten über das Umfeld, in dem wir im Einsatz sind, sowie über die Menschen, die wir versuchen zu schützen und zu überzeugen«, schreibt der Generalleutnant in einem Bericht, der auf der Internetseite des Instituts Center for a New American Security veröffentlicht wurde. Die Probleme der US-Aufklärung seien »einstellungsbedingt, kulturell und menschlich«. In der ungewöhnlich kritischen Beschreibung der US-Aufklärungsaktivitäten zählt Flynn eine Reihe von Schwachpunkten auf. Die US-Agenten wüssten wenig über die Wirtschaft, seien ahnungslos über die Machtcliquen sowie nicht interessiert an der Zusammenarbeit mit den Dorfbewohnern beim Aufbau des Landes.

* Aus: Neues Deutschland, 6. Januar 2010

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