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Heckler & Kochs Wende in Afghanistan

"Wunderwaffen" für die US-Armee und andere seltsame Unterstützungen im "Endkampf"

Von René Heilig *

Wenn Afghanistan demnächst so befriedet ist, dass die heimischen Sicherheitskräfte für wachstumsfördernde Stabilität sorgen können, ist das auch der deutschen Waffenschmiede Heckler & Koch zu danken. Denn die hat eine Wunderwaffe speziell für die US-Armee entwickelt.

Der konservative US-Nachrichtensender FOX flippte fast aus, als er jüngst von einer Wunderwaffe berichtete. Das Gerät sei »revolutionär«, geradezu ein »game chan- ger«– was man wohl am besten durch den Satz übersetzt: Die Waffe bringt die Wende.

Es ist – wie man aus leidvoller Erfahrung weiß – so ein Ding mit der Wende, die von deutschen Wunderwaffen herbeigeführt wird. Im aktuellen Fall handelt es sich jedoch weder um eine V 1 noch um einen Messerschmitt-Jäger. Gelobt wird der XM25. Das ist ein High-Tech-Granatwerfer. Der Schütze benutzt die Waffe wie ein Gewehr. Verschossen wird unter anderem intelligente Munition, deren Chip berührungsfrei über Induktionsspulen programmiert wird. Die Granate explodiert in der Luft in vorher bestimmter Entfernung. Dafür zählt die Elektronik die Rotationen, welche die Granate zum Erhalt ihrer Kreiselstabilisierung vollführt. Hierzu werden die periodischen Schwankungen des Erdmagnetfeldes gezählt. Gezündet wird die Granate, wenn die errechnete Anzahl von Drehungen erfolgt ist, die zuvor von einem integrierten Ballistikcomputer errechnet wurden. Rund 35 000 US-Dollar kostet so ein Granatwerfer. Viel Geld, doch damit, so sagt Programm-Manager US-Oberstleutnant Chris Lehner, nehmen wir dem Feind für immer die Deckung.

Und wem ist das Wunderding zu danken? Wieder einmal der Firma Heckler & Koch. Made in Germany. Ganz bescheiden findet sich das Signet der Firma auf einem Werbezettel der US-Firma Alliant Techsystems (ATK). Dem Vernehmen nach ist das Gerät seit ein paar Wochen bereits bei der 101. Airborn Division in Afghanistan eingesetzt. 12 500 XM25 will die US-Armee kaufen.

Das ist natürlich teuer. Doch offenbar hat man eine Möglichkeit gefunden, fremdes Geld zu beschaffen. Dass der Trick öffentlich wurde, ist Wikileaks zu danken. Unter den veröffentlichten Dokumenten ist auch eine Demarche von Ulrich Brandenburg. Am 3. Februar beschwerte sich der deutsche NATO-Botschafter bei seinem US-Kollegen Ivo Daalder, dass Deutschland zwar pflichtgemäß in einen Fonds zum Aufbau der afghanischen Armee (ANA) einzahle – jedoch nicht das gesamte Geld beim Empfänger ankomme. Nun ist es durchaus üblich in Afghanistan, dass ein Gutteil Entwicklungshilfe »abgezweigt« wird. Neu ist jedoch, dass die US-Militärbürokratie die Hand aufhält. Sie zockt von den deutschen ANA-Einzahlungen 15 Prozent als Verwaltungsgebühr ab.

2009 zahlte Deutschland angeblich 50 Millionen Euro in den ANA-Trust-Fund ein. Absender war das Auswärtige Amt. 2010 kamen aus dem Verteidigungsetat 40 Millionen Euro, für 2011 sollen abermals 40 Millionen Euro aus dem Hause Guttenberg überwiesen werden.

* Aus: Neues Deutschland, 9. Dezember 2010


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