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Gaspoker in Afghanistan

Von Rainer Rupp *

Westliche Energiekonzerne wittern in Afghanistan Morgenluft. Noch in diesem Jahr soll mit den Vorbereitungen für die Pipeline TAPI (Turkmenistan--Afghanistan--Pakistan--Indien) begonnen werden. Das vom US-Ener­giekonzern Unocal entwickelte Projekt genießt die tatkräftige Unterstützung Washingtons -- es war schon lange vor der im Oktober 2001 gestarteten Afghanistan-Invasion geplant. Neben dem Ziel, China vom Zugang zu den zentralasiatischen Energieressourcen auszuschließen, geht es den Amerikanern laut US-Wirtschaftsblatt ­Forbes vom Dienstag darum, mit Hilfe der TAPI-Pipeline »Rußlands Einfluß in der Region zu schwächen und Iran zu marginalisieren«.

Ein mit TAPI rivalisierendes Pipeline-Projekt droht allerdings, die US-Pläne zunichte zu machen. Es handelt sich dabei um das 7,5 Milliarden Dollar teure und 1700 Meilen lange Projekt IPP (Indien-Pakistan-Pipeline), durch das iranisches Gas nach Pakistan und Indien gepumpt werden soll. Trotz ständiger US-Versuche, das Vorhaben zu torpedieren, soll es noch in diesem Monat von den drei Ländern unterzeichnet werden. Dies würde laut Forbes »einen bedeutenden Rückschlag für die US-Sanktionen gegen Iran und eine Schwächung des amerikanischen Einflusses in der Region darstellen«. Deshalb will Washington jetzt das TAPI-Projekt forcieren. Laut der kanadischen Globe and Mail hat die afghanische Marionettenregierung in Kabul bereits Mitte letzten Monats ein entsprechendes Abkommen mit den drei Ländern über das 7,6 Milliarden teure und 1600 Meilen lange Röhrenprojekt unterzeichnet. Bis zum Beginn der Bauarbeiten 2010 will die afghanische Regierung alle Minen entlang der Trasse geräumt haben.

Bereits 1998 hatte ein von Unocal geführtes Konsortium mit der damaligen Taliban-Regierung einen Pipeline-Deal vereinbart, um turkmenisches Gas nach Pakistan zu bringen. Damals verwöhnte der US-Konzern die Taliban mit Geld und Aufmerksamkeiten und heuerte dafür einen Afghanen als Berater an: Hamid Karsai, den heutigen Präsidenten Afghanistans von US-Gnaden. Der aus Saudi-Arabien kommende Osama bin Laden schließlich überzeugte die Talibanführung, das US-Angebot zurückzuweisen und mit dem argentinischen Konsortium Bridas einen günstigeren Deal abzuschließen. Washington war äußerst verärgert und begann Vorbereitungen, die Lage zu »korrigieren«. Wie 2003 bekannt wurde, hatte die Regierung von Präsident George W. Bush sechs Monate vor den Anschlägen vom 11. September 2001 die Entscheidung getroffen, in Afghanistan zu intervenieren und das Taliban-Regime zu stürzen. Die US-Invasion am Hindukusch begann schließlich im Herbst 2001.

Das Wiedererstarken der Taliban hat seither das TAPI-Projekt jedoch verzögert. Daß es nun forciert werden soll, dürfte mit dem iranisch-pakistanisch-indischen Konkurrenzprojekt zusammenhängen. Allerdings verläuft die TAPI-Trasse im Südwesten Afghanistans durch heftig umkämpftes, von den Taliban kontrolliertes Gebiet, das bis zum Baubeginn von US- und ­NATO-Soldaten freigekämpft werden müßte. Das aber erweist sich als zunehmend schwieriger. So gelang es Besatzungsgegnern am Mittwoch bei Kabul, einen US-Militärhubschrauber abzuschießen.

* Aus: junge Welt, 3. Juli 2008


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