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Rüstungslobbyisten unter sich

Berlin: Ratlose Krieger auf "Sicherheitskonferenz" rufen nach Aufrüstung

Von Frank Brendle *

Antworten für Konfliktregionen, speziell für Afghanistan« versprach die Sicherheitskonferenz, die das Handelsblatt am Dienstag und Mittwoch (9./10. Sept.) zum fünften Mal in Berlin durchführte. Die Antworten fielen so aus, wie man es von Teilnehmern aus dem Umfeld des Militär-Industrie-Komplexes erwarten kann: Auf »Sicherheitsprobleme« reagieren sie mit technischer und personeller Aufrüstung der Streitkräfte.

Kennzeichen der Konferenz ist, wie Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) im Grußwort schrieb, der »Dialog zwischen Politik und Industrie«. Dieser besteht vor allem darin, daß die Militärs ihre Beschaffungswünsche äußern und die Politiker sich von der Industrie die neuesten Entwicklungen vorstellen lassen. Anwesend waren neben Jung mehrere Verteidigungsminister aus NATO-Ländern, hochrangige Vertreter der Bundeswehr und die Manager von Rüstungsschmieden wie EADS, Rheinmetall, Krauss-Maffei Wegmann, der Lürssen Werft und Thales Deutschland.

Der afghanische Außenminister Rangin Dadfar Spanta beklagte, man habe sich in seinem Land bislang zu sehr »auf die Bekämpfung von Symptomen des Terrors« konzentriert. Im gleichen Atemzug kündigte er an, die afghanische Armee von 80000 auf 130000 Mann auszubauen. Er reklamierte »eine afghanische Führungsrolle« und will einen größeren Anteil an den Fördergeldern, von denen seine Regierung bislang nur 20 Prozent verwalten darf. Es liege zwar vieles im argen, räumte Spanta ein und nannte die wachsende Macht von Drogenbaronen, bürokratische Inkompetenz und Korruption. Bestechlichkeit gebe es aber auch in den Reihen der Hilfsorganisationen. Jung nutzte die Gelegenheit, um die Aufstockung des Bundeswehrkontingents um 1000 Soldaten und die Verdreifachung der Ausbildungshilfe, um mehr afghanische Hilfstruppen auszubilden, zu bekräftigen. Der Vizegeneralsekretär der NATO, Claudio Bisogniero, beschränkte sich auf Durchhalteparolen: Scheitere die NATO in Afghanistan, drohe das Bündnis zu einer zweitrangigen Allianz zu werden. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sang sein altes Lied von der islamistischen Bedrohung – deretwegen Bundeswehreinsätze im Inland ermöglicht werden müßten. Allerdings mußte er einräumen, daß er das geplante »Seesicherheitsgesetz«, das der Bundeswehr bei »Terroralarm« das Recht zum Schiffeversenken geben sollte, in dieser Legislaturperiode nicht mehr werde durchsetzen können.

Zeugten die Beiträge zu Afghanistan eher von der militärischen Krise, in der sich die NATO befindet, durfte sich zumindest die Rüstungsindustrie optimistisch zeigen. Ein Schwerpunkt des gestrigen Tages waren »Aktuelle Rüstungsprojekte zur Unterstützung im Einsatz«, über die sich der »Hauptabteilungsleiter Rüstung« im Verteidigungsministerium mit dem Geschäftsführer von Krauss-Maffei Wegmann unterhielt. Auf der Tagesordnung stand außerdem die profitträchtige Anschaffung »unbemannter Systeme«, d. h. vor allem von Aufklärungs- und Kampfdrohnen, die in Zeiten kriegsbedingten Personalschwunds immer wichtiger werden. Der Hauptgeschäftsführer der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA) beklagte in diesem Zusammenhang, die Protektion der nationalen Rüstungsindustrien sei vielen EU-Staaten immer noch wichtiger als die Kooperation.

* Aus: junge Welt, 11. September 2008

Siehe auch:
"Dem Militär-Industrie-Komplex in die Suppe spucken"
Friedensbewegung gegen Sicherheitskonferenz in Berlin. Im Wortlaut: Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag (9. September 2008)



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