"Wir sind unangenehme Beobachter"
Hilfsorganisation kritisiert Verhaftung italienischer Krankenhaus-Mitarbeiter in Afghanistan
Von Anna Maldini, Rom *
Im Süden von Afghanistan, in Lashkar Gah, sind am Wochenende (10./11.
April) in einem Krankenhaus drei italienische Mitarbeiter der
Hilfsorganisation Emergency verhaftet worden. Man wirft ihnen offenbar
vor, einen Anschlag auf den Gouverneur der Provinz Helmand vorbereitet
zu haben. Emergency spricht hingegen von einem »Einschüchterungsversuch«.
Der Fall der drei Italiener - ein Unfallchirurg, ein Krankenpfleger und
ein Verwaltungsmitarbeiter von Emergency - bleibt weiterhin unklar.
Bisher wurde offiziell keine Anklage erhoben, aber einige afghanische
Behörden und Medien sprechen von der Vorbereitung eines Attentats, von
Verbindungen zu den Taliban und Al Qaida. Der Arzt soll angeblich sogar
500 000 Dollar erhalten haben, um den Sprengstoff in einem Abstellraum
seines Krankenhauses zu lagern.
»Alles Blödsinn«, weist Emergency-Gründer Gino Strada die Vorwürfe
zurück. »Dies ist eine Kriegserklärung an das Krankenhaus, ein
Präventivkrieg. Denn wir sind unangenehme Augenzeugen.« Seit Jahren
arbeitet Emergency in Afghanistan und betreibt dort drei Krankenhäuser
und verschiedene Erste-Hilfe-Stationen. In Lashkar Gah wurden seit 2004
über 50 000 Menschen behandelt und fast 12 000 operiert. Ein Großteil
der Patienten sind Kinder und Opfer von Bombenangriffen und Minen.
Gino Strada ist davon überzeugt, dass man in Helmand nur einen Vorwand
gesucht hat, um das Krankenhaus zu schließen. »Wir zeigen der Welt Tag
für Tag, dass in Afghanistan Krieg geführt wird. Mit unseren Patienten
strafen wir all diejenigen Lügen, die weiterhin von einer
Friedensmission' sprechen.« Gerade jetzt, da offenbar eine große
Offensive im Süden des Landes bevorstehe, wolle man keine unabhängigen
Beobachter. Außerdem seien an der Verhaftung nachweislich auch
ISAF-Soldaten beteiligt gewesen und nicht nur afghanische Polizisten,
wie anfänglich auch Sprecher der NATO erklärt hatten.
Solche Äußerungen haben bei der italienischen Regierung, die mehrere
Tausend Soldaten im Land am Hindukusch stationiert hat, zu großer
Irritation geführt. Außenminister Franco Frattini erklärte, Gino Strada
solle sich um die Kranken kümmern und »nicht Politik« machen. Außerdem
»bete er zu Gott«, dass die Anschuldigungen nicht wahr sind, weil sonst
»das Ansehen Italiens in der Welt« geschädigt werde. Der
Fraktionsvorsitzende der Regierungspartei »Volk der Freiheit« Maurizio
Gasparri erklärte sogar, dass die »dubiosen Freundschaften rund um die
Welt« von Gino Strada doch allgemein bekannt seien.
An diesem Mittwoch (14. April) wird Außenminister Frattini in der
Abgeordnetenkammer über die Entwicklung Bericht erstatten. Samstag (17.
April) ist in Rom eine Solidaritätsveranstaltung mit Emergency geplant.
* Aus: Neues Deutschland, 14. April 2010
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