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Rom streitet über Afghanistan

Regierung Prodi wegen italienischer Mission am Hindukusch unter Druck

Von Anna Maldini, Rom *

Das Problem der Erweiterung des USA-Stützpunktes im norditalienischen Vicenza ist noch lange nicht vom Tisch, und fast täglich gibt es pazifistische Demonstrationen gegen dieses Vorhaben, das Ministerpräsident Romano Prodi genehmigt hat. Nun taucht ein weiterer außenpolitischer Stolperstein für die Mitte-Links-Koalition auf: die Neufinanzierung der italienischen Mission in Afghanistan.

Entweder es gibt einen sichtbaren Politikwechsel oder aber wir werden dem Gesetz nicht zustimmen, sagen die beiden kommunistischen Parteien und die Grünen. Seit Tagen gibt es in Italien immer wieder geheime Sitzungen und Besprechungen, öffentliche Erklärungen und Stellungnahmen zur Präsenz der italienischen Truppen in Afghanistan. Die Mission muss innerhalb weniger Wochen vom Parlament neu finanziert werden. Nun fordern die drei pazifistischen Parteien in der Regierungskoalition – Rifondazione comunista, Comunisti italiani und die Grüne – eine radikale Trendwende. »Ohne eine klare Ausstiegsstrategie, ohne einen sichtbaren Bruch mit der vorhergehenden Politik werden wir der Neufinanzierung nicht zustimmen«, erklären sie einstimmig.

Romano Prodi und seine gemäßigten Partner hingegen sind der Überzeugung, dass Italien sowohl mit der UNO wie mit der NATO eine Verpflichtung eingegangen sei, der man sich nicht so einfach entziehen könne. »Wir werden unsere Truppen nicht aufstocken, aber wir werden unseren Verpflichtungen nachkommen. Wir halten die Abkommen ein«, sagte Ministerpräsident Prodi. Etwas differenzierter ist da Außenminister Massimo D’Alema, der gerade in Brüssel Gespräche im Hauptquartier der NATO führte: »Ich bin der Meinung, dass wir unsere zivile und humanitäre Präsenz in Afghanistan ausdehnen müssen. Was den Rückzug der Truppen anbetrifft, so glaube ich nicht, dass dieses Thema realistischerweise auf der Tagesordnung steht.«

D’Alema, zugleich Vizeministerpräsident, hat NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer allerdings mitgeteilt, dass Italien eine Trendwende in Afghanistan für absolut notwendig halte. Die erste Forderung Roms, die wohl von Teilen der Allianz und auch anderen Ländern unterstützt wird, ist die einer internationalen, von der UNO organisierten Konferenz. Dieses Thema, so D’Alema, werde am kommenden Freitag auf der Ministersitzung der NATO zur Sprache kommen, an der auch USA-Außenministerin Condoleezza Rice teilnehmen wird. »Und Italien wird in diesem Rahmen sicherlich nicht isoliert sein«, fügte er hinzu. »Andere Länder teilen unsere Besorgnis.«

Die Linke in der italienischen Regierung scheint – zumindest im Augenblick – nicht gewillt, die Koalition an der Afghanistan-Frage zerbrechen zu lassen. »Man muss ernsthaft damit beginnen, darüber nachzudenken, wie eine glaubwürdige Exit-Strategy aussehen kann«, erklärte Franco Giordano, Sekretär von Rifondazione comunista. Und er gab der Befürchtung Ausdruck, dass – auch in Bezug auf das Verhalten von Prodi zum USA-Stützpunkt in Vicenza – »das pazifistische Gesicht der Regierung immer undeutlicher wird«. Einen sofortigen Abzug der italienischen Soldaten forderte aber auch er nicht.

In den nächsten Tagen wird sich zeigen, ob der Kompromiss, an dem vor allem Außenminister D’Alema arbeitet, in der Koalition tragfähig sein kann. Prodi möchte aber auf jeden Fall verhindern, dass die Stimmen der Opposition bei der Neufinanzierung der Mission ausschlaggebend werden. Möglicherweise bahnt sich also im Parlament ein neues Vertrauensvotum an – das würde die Diskussion abkürzen und gleichzeitig den Pazifisten ermöglichen, für die Mission zu stimmen, ohne ihr Gesicht zu verlieren.

* Aus: Neues Deutschland, 24. Januar 2007


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