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"Eine Firma, die der Vizeminister favorisiert": Von Wikileaks veröffentlichte Depesche legt Vetternwirtschaft bei KfW-Projekt in Afghanistan nahe

Von Marvin Oppong *

Die Wirtschaft in Afghanistan liegt am Boden, doch auch aus Trümmern läßt sich Geld machen. Deutsche Behörden und Banken mischen im Norden des zentralasiatischen Landes, in dem die Bundeswehr im Rahmen des ISAF-Mandats das Kommando hat, fleißig mit. Nicht immer scheint es bei der Auftragsvergabe korrekt zuzugehen.

Ein als vertraulich (»confidential«) eingestuftes Telegramm vom Mai 2009 der US-Botschaft in Kabul legt nahe, daß es offenbar Vetternwirtschaft beim millionenschweren Bau einer der zahlreichen Brücken gab, die unter deutscher Beteiligung in Afghanistan errichtet wurden.

In einer der 250000 Depeschen von US-amerikanischen Botschaften, die von der Enthüllungswebsite Wikileaks veröffentlicht worden waren, findet sich im Zusammenhang mit dem Bau einer Brücke über den Fluß Kundus eine Aussage, die nach Begünstigung unter Beteiligung des deutschen Staates klingt. Nach jW-Recherchen hielt in der Depesche ein Mitarbeiter der US-Botschaft in Kabul unter anderem fest, daß »die Deutschen« den später bei einem Bombenattentat getöteten Gouverneur von Kundus, Mohammed Omar, für »durch und durch korrupt« hielten. Und weiter: »Die Deutschen sagen auch, daß sie den Bauvertrag für die Brücke neu ausschreiben mußten«. Das kommt vor, doch der Grund war laut US-Botschaft ein besonderer: Die Neuvergabe des Auftrages sei nämlich deshalb erfolgt, damit eine »Firma, die der Vizeminister im [afghanischen, jW] Ministerium für Ländlichen Wiederaufbau und Entwicklung (MRRD) favorisiert, den Zuschlag erhält«, heißt es in dem auf Wikileaks publizierten Kabel. Das BMZ äußerte sich trotz Anfrage bis zum jW-Redaktionsschluß nicht zum Sachverhalt.

Der deutsche Staat war insgesamt an mehreren Projekten, die den Bau von Brücken über den Kundus zum Gegenstand hatten, beteiligt. »Unseres Wissens werden entlang des Kundus-Flusses an mehreren Stellen Brückenbauvorhaben verfolgt«, so Michael Helbig, Direktor für Kommunikation der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), die – als Anstalt öffentlichen Rechts – mit der KfW Entwicklungsbank auch in Afghanistan tätig ist. Neben dem in dem Wikileaks-Kabel genannten Projekt führte die GIZ auch Sanierungsmaßnahmen an der Bangi-Brücke im nordafghanischen Scher­khan durch, diesmal im Auftrag des Auswärtigen Amtes.

Die KfW finanziert in Afghanistan das Vorhaben »Ausbau wirtschaftlicher Infrastruktur im Norden«. Teil dieses Programms ist unter anderem der Bau einer Brücke von Kundus nach Char Darah. Hier sei ein Auftrag über die Vergabe einer Bauleistung »nochmals international ausgeschrieben« worden, so der KfW-Sprecher. Bei der »erneuten Ausschreibung« sei die Vergabe an ein »kasachisch-afghanisches Joint-venture« erfolgt. Nachdem dieses »keinen Baufortschritt erzielt« habe, sei der Vertrag am Ende »gekündigt« worden; die Arbeiten wären an das bei der Ausschreibung zuvor »zweitplazierte Unternehmen« vergeben worden. Die KfW teilte zwar mit, daß es sich bei der zweitplazierten Firma um die »Haji Khalil Construction Company« handelt, wollte aber auch auf mehrfache Nachfrage hin nicht verraten, wie der Name des kasachisch-afghanischen Joint-ventures lautet, dem gekündigt worden war.

Bei einer weiteren Brücke, die schließlich unter deutscher Beteiligung gebaut wurde, handelt es sich um eine 142 Meter lange Überquerung des Flusses Kokcha, der durch Nordafghanistan fließt. Das Bauwerk wurde unter Federführung der Vorläuferorganisation der GIZ, der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), und des Bundesverteidigungsministeriums errichtet. Die GTZ existierte von 1975 bis 2011, danach ging sie in der neu gegründeten GIZ auf. Diese Gesellschaft beschäftigt laut Geschäftsbericht von 2011 in über 130 Ländern etwa 17000 Mitarbeiter. Mit dem Projekt war die Entwicklungsorganisa­tion GIZ, das Durchführungsorgan des Entwicklungsministeriums von Dirk Niebel (FDP), betraut.

Wie die GIZ auf Anfrage mitteilte, war die Entwicklungsorganisation im ersten der beiden Bauabschnitte »mit der Planung, Ausschreibung und Vergabe sowie der Durchführung beauftragt«. Der erste Bauabschnitt hatte ein Auftragsvolumen von drei Millionen Euro. Der Auftrag für die Brücke kam vom deutschen Verteidigungsministerium. Nach Auskunft der GIZ erhielten im Zusammenhang mit dem ersten Bauabschnitt lediglich zwei Firmen einen Auftrag: Die Firma »Ahmet Waly Construction Company« mit Sitz in Kundus und die Firma »GEO Technique« aus Kabul. Die Firma »Ahmet Waly« erhielt Zahlungen im Wert von umgerechnet 2,3 Millionen Euro für die »Ausführung von Ingenieur- und Wasserbauarbeiten für den beauftragten Unterbau der Brücke«. »GEO Technique« führte lediglich Vermessungsarbeiten im Gegenwert von rund 15000 Euro durch. Da man nur den ersten Bauabschnitt der Brücke »übernommen« habe, könne man »leider nichts über den zweiten sagen«, heißt es bei der GIZ. Wer den zweiten Abschnitt ausführte, wollte die Entwicklungsorganisation auch auf mehrfache Nachfrage hin nicht mitteilen. Das Verteidigungsministerium war ebenfalls nicht bereit, im Zusammenhang mit dem zweiten Bauabschnitt Auskunft zu geben.

* Aus: junge Welt, Freitag, 20. September 2013


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