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"KSK-Rambos auf dem Vormarsch"

Eskalationsszenarium in Afghanistan mit deutscher Beteiligung

Von Claudia Haydt und Tobias Pflüger*

Klammheimlich wurden am Pfingstwochenende Voraustruppen des deutschen Kommando Spezialkräfte (KSK) aus Calw nach Afghanistan geschickt. Die Hauptkräfte folgen dieser Tage.

Ein kleinerer Teil des KSK soll die ISAF-Truppen im Norden Afghanistans unterstützen, während ein größeres Kontingent im Südwesten die USA-Truppen beim Kampf gegen Aufständische im Grenzgebiet zu Pakistan verstärken soll. Besonders dort hat sich die Lage in den letzten Wochen dramatisch zugespitzt. Der Einsatz der deutschen Elite-Soldaten soll mindestens bis zur afghanischen Parlamentswahl im September, höchstens aber sechs Monate dauern. Offizielle Informationen zum Einsatz gibt es nicht.

Formal stützt sich die Bundesregierung auf den am 16.November 2001 nach den Anschlägen vom 11.September gefassten Bundestagsbeschluss, deutsche Soldaten im »Krieg gegen Terror« einzusetzen. Im Rahmen von »Enduring Freedom« ist auch der Einsatz von bis zu 100 Spezialkräften möglich. Die Bundesregierung nutzt das seither als Vorratsbeschluss, um je nach politischer Opportunität für wechselnde Ziele und ohne jede öffentliche Diskussion ihre Elitetruppe zu entsenden. Das Parlament wird dabei nicht informiert, weder vor und während noch nach den Einsätzen. Nach § 6 des Parlamentsbeteiligungsgesetzes (ParlBetG) hat die Regierung zwar eine Unterrichtungspflicht gegenüber dem Parlament, doch wie schon bei früheren Einsätzen von Spezialkräften ignoriert sie diese Vorgaben. Selbst die Obleute der Fraktionen kennen den genauen Auftrag und den militärischen Befehl nicht. Faktisch ist damit das KSK eine Truppe der Exekutive, auf keinen Fall aber mehr Teil einer Parlamentsarmee.

Der von deutschen Elitesoldaten unterstützte »Vormarsch der Freiheit« (Georg W. Bush) findet zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt statt. Die Öffentlichkeit in Afghanistan ist aufgebracht über Berichte von »Koranschändungen« in Guantanamo. Proteste haben bereits zu massiven Unruhen und Opfern in der Zivilbevölkerung geführt. »Freiheit« und »Rechtsstaatlichkeit« sind für sie zur Zeit erlebbar in Form von willkürlichen Verhaftungen, Misshandlungen, Folter und Tötungen von Gefangenen in USA-Gefängnissen. Hier stellt sich in der Tat auch die Frage nach der Glaubwürdigkeit des »Antiterror-« und »Antidrogeneinsatzes« der KSK-Soldaten.

Die deutschen Soldaten werden laut Spiegel-Online in ihrem Einsatzgebiet die »Coordinating Authority« besitzen und somit die Ziele weitgehend selbst bestimmen. Diese Feststellung ist irreführend, denn das Oberkommando für »Enduring Freedom« liegt nach wie vor beim Central Command der USA. Die KSK-Soldaten müssen sich im Zweifelsfall immer nach den Befehlen des CentCom richten. Anders könnte es sich in Zukunft bei einem eigenen deutschen Besatzungssektor im Norden verhalten – wenn dieser nicht als Teil von »Enduring Freedom« geführt wird. Das grundsätzliche Dilemma des Umgangs mit Gefangenen bleibt aber.

Auch ohne Folterskandale besteht zudem das Problem, dass in den USA die Todesstrafe existiert und dass eine Auslieferung somit gegen deutsches Recht verstößt. Die »deutschen« Gefangenen sollen deswegen nun an afghanische Sicherheitskräfte übergeben werden. Nur – von rechtsstaatlichen Grundsätzen ist das afghanische Justizsystem weit entfernt, und die Todesstrafe gibt es auch dort. Das Foltern und Morden an afghanische Behörden zu delegieren, ist jedoch viel »eleganter« und sorgt für wesentlich weniger schlechte Presse. Es weist viel darauf hin, dass die Entsendung des KSK ein zentraler Baustein beim Aufbau eines effektiven Besatzungsregimes ist, das sich auf das gesamte afghanische Territorium erstreckt. Zudem ist davon auszugehen, dass sich zukünftig der deutsche Sektor über den gesamten Norden Afghanistans erstrecken soll. Ziel ist möglicherweise weniger der »Kampf gegen Drogen« als vielmehr die Zerstörung der Drogenökonomie, aus der sich der Widerstand in Afghanistan finanziert. Da der Mohnanbau auch für Teile der Bevölkerung eine wichtige Einnahmequelle ist, kann sowohl von starkem Widerstand der Gruppen ausgegangen werden, die am Drogenanbau verdienen, als auch von verstärktem Rückhalt dafür in der Bevölkerung.

Die Befürchtungen des Verteidigungsministeriums, dass deutsche Soldaten so vermehrt Ziel von Anschlägen werden könnten, sind da berechtigt. Die Unterscheidung zwischen den ISAF-»Friedenstruppen« und den Soldaten, die im Rahmen von »Enduring Freedom« Krieg führen, wird dabei vor Ort wohl kaum vorgenommen werden. Der Einsatz einiger KSK-Soldaten zum »Schutz« von ISAF-Truppen in Faisabad wird zur weiteren Verwischung der Grenzen zwischen den verschiedenen Einsätzen beitragen.

Dass mit einer Eskalation der Lage gerechnet wird, zeigen die Pläne, die Anzahl der britischen Soldaten von 500 auf 5500 zu erhöhen. Der britische Schwerpunkt wird vor allem im Süden liegen. Die Einsätze der Koalition gegen den Terror in allen Teilen Afghanistans stehen unter dem Vorzeichen zunehmender Kampfhandlungen. Der Ausbruch eines offenen Krieges wird dann wohl mehr als 100 deutsche KSK-Soldaten nötig machen. Die deutsche Regierung lässt sich ganz bewusst auf ein Eskalationsszenario ein. Eine Information oder gar Beteiligung von Parlament und Öffentlichkeit ist nicht vorgesehen.

* Claudia Haydt und der Europaabgeordnete Tobias Pflüger sitzen im Vorstand der Tübinger Informationsstelle Militarisierung (IMI) e. V.

Aus: Neues Deutschland, 28. Mai 2005



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