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Obama ruft – Bundeswehr folgt

Deutsche Truppe soll Wahl in Afghanistan mit absichern / 600 Soldaten zusätzlich

Deutschland entsendet rund 600 Soldaten zusätzlich nach Afghanistan und folgt damit als eines der ersten NATO-Länder dem Ruf der USA. Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung begrüßte die von den USA geplante Aufstockung der Truppen in Afghanistan. Dagegen billigte Kirgistans Parlament mit überwältigender Mehrheit die Schließung eines US-Luftwaffenstützpunkts.

Krakow/Moskau (Agenturen/ND). Mit zusätzlichen 600 Soldaten für Afghanistan will die Bundesregierung die dort bereits stationierten rund 3500 Bundeswehrsoldaten dauerhaft verstärken. Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung sagte zu Beginn eines Treffens mit seinen NATO-Ressortkollegen am Donnerstag in Krakow (Polen), 200 der zusätzlichen Soldaten sollten die Präsidentenwahl in Afghanistan im August absichern helfen.

Die übrigen 400 sollten zur Verstärkung der bisher 200 Mann starken deutschen Schnellen Eingreiftruppe (Quick Reaction Force) im Norden des Landes, zur Ausbildung afghanischer Soldaten und zum zusätzlichen Schutz der Bundeswehrsoldaten eingesetzt werden.

Zur Frage, wie viele der 600 zusätzlichen Soldaten nach drei bis vier Monaten wieder abgezogen würden, wollte er sich vor Ende der Planungen im März nicht festlegen: »Wir haben einen Gesamtrahmen in der Obergrenze von 4500. Und wir werden nach der Lage und der Notwendigkeit im Hinblick auf die Sicherheit dann unsere Entscheidung treffen.«

Zu Beginn des NATO-Treffens zeichnete sich keine Einigung in der Frage ab, ob möglicherweise auch die Schnelle Eingreiftruppe der NATO (NATO Response Force/NRF) in Afghanistan eingesetzt werden soll. US-Verteidigungsminister Robert Gates forderte den Einsatz der Truppe zur Absicherung der Präsidentenwahl. Der deutsche Minister widersprach: »Ich denke, die NRF sollte nicht als Reserve in Betracht kommen.« Dazu Gates vor Journalisten: »Offen gesagt, es gibt da Uneinigkeit im Bündnis.«

Nach den Worten von NATO-Sprecher James Appathurai gehe der Aufbau der afghanischen Streitkräfte schneller voran als geplant. Bis Ende März werde die Armee des Landes über 86 000 Soldaten verfügen, sagte er in Krakow.

Die USA und die NATO haben einem Agenturbericht zufolge letzte Vorbereitungen für den ersten Versorgungstransport durch Russland in Richtung Afghanistan getroffen. Dies meldete die russische Agentur RIA Nowosti. Russland und die USA hatten zuletzt intensiv über die Transitvereinbarungen zur Versorgung der ISAF-Truppe mit nicht-militärischen Gütern verhandelt.

Dagegen müssen sich die USA mit dem Verlust der wichtigen Luftwaffen-Versorgungsbasis Manas in Kirgistan abfinden. Das Parlament der zentralasiatischen Republik stimmte am Donnerstag mehrheitlich für die Schließung des mit etwa 1000 Soldaten besetzten US-Stützpunktes nahe der Hauptstadt Bischkek, wie die Agentur Akipress meldete.

Die Entscheidung fiel, nachdem Russland der Ex-Sowjetrepublik Hilfen zugesichert hatte. US-Militärs verhandelten auf der Suche nach einer Alternative für Manas bereits mit der Nachbarrepublik Usbekistan. Laut Medien haben die USA den Stützpunkt Manas als Drehkreuz für den Transport von monatlich 15 000 Soldaten und 500 Tonnen Fracht genutzt.

Nach Inkrafttreten des Beschlusses muss Washington die Basis innerhalb eines halben Jahres räumen. Kirgistans Präsident Kurmanbek Bakijew hatte unlängst angekündigt, er werde die im Dezember 2001 in Manas begonnene Zusammenarbeit mit den Amerikanern aufkündigen. Washington zahle zu wenig für die Nutzung der Basis. Zudem lehne die Bevölkerung die US-Soldaten ab. Moskau sicherte Bischkek zuletzt Finanzhilfen in Höhe von 2,15 Milliarden Dollar zu.

* Aus: Neues Deutschland, 20. Februar 2009


NATO-Drang nach Osten

Von Rainer Rupp **

Einen Tag vor Beginn des »Informellen Treffens« der ­NATO-Verteidigungsminister am Donnerstag in der polnischen Stadt Krakow ließ der britische Verteidigungsminister John Hutton eine Bombe platzen. Vor seinem Abflug erklärte er gegenüber der Financial Times, er werde von seinen NATO-Kollegen die Schaffung einer ständig einsatzbereiten Truppe von 3000 Soldaten fordern, die in den osteuropäischen NATO-Mitgliedsländern stationiert werden solle. Damit komme man deren erhöhtem Sicherheitsbedürfnis nach dem russischen Einmarsch in Georgien im vergangenen August entgegen.

Die Absicht, Rußland westliche NATO-Truppen vor die Nase zu setzen, kann im Kreml nur als weiterer Beweis für die Fortführung der ­NATO-Expansions- und Einkreisungspolitik gesehen werden. Der britische Verteidigungsminister verfolgt aber noch einen anderen Plan: In Osteuropa soll mehr Kanonenfutter für Afghanistan mobilisiert werden. Denn -- so Hutton gegenüber der britischen Finanzzeitung -- wenn westliche ­NATO-Truppen in Osteuropa stationiert sind, könnten die dortigen Regierungen problemlos mehr Truppen an den Hindukusch schicken. Und noch ein weiterer, unausgesprochener Grund mag dahinter stehen: Die erst beginnende Wirtschaftskrise hat jetzt schon die osteuropäischen Länder besonders fest im Griff. Da liegt es nahe, daß die britische Initiative auch auf die innenpolitische Absicherung der neoliberalen osteuropäischen Regierungen abzielt. Deren Autorität ist bereits teilweise durch massive Unruhen von ungeahnter Stärke herausgefordert.

Noch vor Beginn des NATO-Rats in Krakow schworen deutsche Medien die Öffentlichkeit auf eine härtere Gangart der USA gegenüber den Verbündeten ein. So sprach die Tageszeitung Die Welt gestern »Ende des (US-)Schmusekurses gegenüber Europa«, und bei Spiegel online hieß es, daß »die US-Regierung ihren Kuschelkurs beendet und weitere europäische Soldaten für den Krieg in Afghanistan fordert«. US-Verteidigungsminister Robert Gates erklärte auf dem Flug zum polnischen Tagungsort: »Die Botschaft der neuen Administration ist, daß sie bereit ist, mehr in Afghanistan zu tun, aber es auch klare Erwartungen gibt, daß die Verbündeten ebenfalls mehr tun müssen«. Zugleich machte Gates klar, daß dies nicht unbedingt mehr Militär bedeuten müsse.

Die Bundesregierung allerdings ist zu einer Truppenaufstockung bereit. Verteidigungsminister Franz ­Josef Jung (CDU) erklärte in Krakow, die Bundeswehr werde weitere 600 Soldaten zur Absicherung der am 20. August in Afghanistan stattfindenden Wahlen entsenden. Es gehe aber auch um einen »zusätzlichen Schutz für unsere Soldaten«. Nach Jungs Angaben könnten 400 Soldaten längerfristig stationiert werden und unter anderem die Schnelle Eingreiftruppe (Quick Reaction Force -- QRF) im Norden des Landes verstärken. Die von den USA angekündigte Truppenverstärkung von 17000 Mann nannte Jung einen »richtigen Schritt« und behauptete: »Dies erhöht die Sicherheit.«

Auf die USA kommen dabei allerdings erhebliche praktische Probleme zu: Der für die Versorgung der US-Streitkräfte in Afghanistan wichtige Luftwaffenstützpunkt Manas in Kirgistan soll geschlossen werden. Das beschloß das kirgisische Parlament am Donnerstag mit nur einer Gegenstimme. Gates warf Rußland vor, Druck auf Kirgistan ausgeübt zu haben.

** Aus: junge Welt, 20. Februar 2009


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