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Poker um die Zukunft

Afghanistans Präsident Karsai trifft sich heute in Washington mit Barack Obama

Von Knut Mellenthin *

Zum Abschluß eines fünftägigen Besuchs in den USA trifft sich der afghanische Präsident Hamid Karsai am heutigen Freitag (11. Jan.) mit seinem Amtskollegen Barack Obama. Eine Fülle von Streitthemen steht auf der Tagesordnung, aber mit der Bekanntgabe konkreter Ergebnisse wird zunächst nicht gerechnet.

Dokumentation des Staatsbesuchs:

'The ANSF is expected to have the lead in securing nearly 90% of the Afghan population' / "Die Afghanischen Sicherheitskräfte werden für die Sicherheit von fast 90 Prozent der Bevölkerung sorgen"
Karsai in Washington - Große Worte, aber alle Fragen offen. Gemeinsames Statement und Pressekonferenz / Joint Statement and Joint Press Conference (13. Januar 2013)



Obama will vor allem erreichen, daß die Regierung in Kabul den US-Truppen über den »NATO-Abzug« Ende 2014 hinaus Handlungs- und Straffreiheit gewährleistet. Das künftige Kontingent, über dessen Umfang noch keine Festlegungen getroffen worden sind, soll hauptsächlich aus Angehörigen der Spezialeinheiten bestehen, die unter dem Titel »Terrorismusbekämpfung« gezielte Morde an Kommandeuren der Aufständischen begehen und sehr viel seltener auch Gefangene machen. Zur Unterstützung dieses Programms sollen verstärkt mit Raketen ausgerüstete unbemannte Flugkörper zum Einsatz kommen. Schon im vergangenen Jahr griffen amerikanische Drohnen mehr Ziele in Afghanistan an als in Pakistan, Jemen und Somalia zusammen. Zur Rechtfertigung läßt Washington das schon mehrfach für geschlagen erklärte Gespenst Al-Qaida wiederbeleben. Karsai hat dagegen erklärt, die USA sollten endlich aufhören, »Krieg in Afghanistans Städten und Dörfern zu führen«. Er zweifle ohnehin an der Existenz von Al-Qaida, und zumindest in Afghanistan spiele sie keine Rolle mehr.

Genau zum Beginn von Karsais Besuch ließ die Obama-Administration am Dienstag durch die Mainstream¬medien verbreiten, man wolle nach 2014 nur noch ein sehr kleines Kontingent, vielleicht etwa 2500 Soldaten, in Afghanistan belassen und schließe nicht einmal einen vollständigen militärischen Abzug aus. Das widerspräche allerdings allen Ankündigungen Obamas und ist folglich unwahrscheinlich. Bisherige Prognosen gingen von mindestens 6000 bis 9000 Mann, vielleicht sogar bis zu 20000 aus. Afghanische Politiker und Medien argwöhnen daher, daß die neuen Spekulationen nur dazu dienen sollen, Karsai den Washingtoner Forderungen gefügig zu machen.

Tatsächlich liegt der Kabuler Regierung nicht in erster Linie daran, unbegrenzt lange ausländische Truppen im Lande zu behalten. Wichtig ist ihr die Unterstützung der USA für die afghanischen Streitkräfte. Denn diese sind ohne amerikanische Logistik, Kommunikationstechnologie und Luftwaffenunterstützung nicht einsatzfähig. Karsai hat bisher vergeblich zu erreichten versucht, daß die USA seinen Truppen Artillerie mit größerer Reichweite, Kampfflugzeuge und Überwachungsdrohnen zur Verfügung stellen. Kabul ist außerdem für die Finanzierung seiner 350000 Mann starken Sicherheitskräfte, die über vier Milliarden Dollar jährlich kosten, hundertprozentig auf die USA und ihre Verbündeten angewiesen.

Darüber hinaus will Karsai von Obama fordern, daß das US-Militärgefängnis im Luftwaffenstützpunkt Bagram den afghanischen Behörden übergeben wird. Das hatten die Amerikaner zwar bereits im vergangenen Frühjahr versprochen, bisher aber nicht eingelöst.

* Aus: junge Welt, Freitag, 11. Januar 2013


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