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Strategiewechsel

Obama will mit Taliban reden

Von Werner Pirker *

Nachdem es den Anschein hatte, der neue US-Präsident wolle das Land am Hindukusch zum Schauplatz amerikanischen Kriegsruhmes machen, lassen seine jüngsten Äußerungen eher auf die Einsicht schließen, daß der Afghanistan-Konflikt mit militärischen Mitteln allein nicht lösbar sei. Also bekundete Barack Obama seine Bereitschaft, mit »gemäßigten Taliban« in Verhandlungen einzutreten. Das dürfte leichter gesagt als getan sein. Gibt es sie überhaupt, die gesprächsbereiten Taliban, die sich gegen ihre Kampfgenossen ausspielen lassen? Über Kontaktanzeigen werden sie sich wohl kaum ausfindig machen lassen.

Klug aber ist es allemal, für Afghanistan eine Lösung ins Auge zu fassen, die nicht ausschließlich von außen aufgezwungen ist. Die geschichtliche Erfahrung hat längst unter Beweis gestellt, daß die Afghanen keine Fremdherrschaft zu akzeptieren bereit sind, mit welchen edlen Absichten die Invasoren auch immer vorstellig geworden sein mögen. Das hatte erst in den 1980er Jahren die damals zweite Supermacht erfahren müssen, die nach ihrem Afghanistan-Abenteuer - wenngleich nicht nur deshalb - keine Supermacht mehr war. Es hätte deshalb auch zu denken geben müssen, als der Westen die erste Front im »Krieg gegen den Terror« ausgerechnet auf dem afghanischen Minenfeld eröffnete. Aber die Herren Imperatoren waren damals derart von sich eingenommen, daß sie die Lektionen, die Eroberern am Hindukusch stets erteilt wurden, vergessen hatten. Mit der im Bodenkrieg eingesetzten Nordallianz als Verbündete zwang die US-Luftwaffe die Taliban 2001 in die Knie. Doch erobert bedeutet noch lange nicht beherrscht. Schon gar nicht in Afghanistan. Die Besatzer saßen auf einem Pulverfaß. Und die noch nicht gestorben sind, sitzen da noch heute.

Zum Zeitpunkt der Afghanistan-Invasion war die ganze »internationale Gemeinschaft« auf den US-Feldzug gegen den Terrorismus eingeschworen. Afghanistan war das Land, wo man sich den schnellsten Sieg erwartete, wo man am leichtesten Revanche für den 11. September 2001 zu nehmen glaubte. Der Waffengang in Mittelasien war mehr als Propagandavorführung - das Gute besiegt das Böse - gedacht, denn als wirklicher Krieg. Doch es lief nicht wie in Hollywood.

Nun wird offenbar nicht nur für den Irak, sondern auch für Afghanistan nach einer Exit-Strategie gesucht. In beiden Fällen handelt es sich um Ordnungskriege, gedacht als exemplarische Bestrafung von Ländern, die sich dem Diktat des westlichen Hegemonialkartells nicht unterwerfen wollen. Diese Kriegspolitik, die sich gegenüber Jugoslawien als letztlich erfolgreich erwies, ist vorerst gescheitert. Doch der im Irak vollzogene Strategiewechsel, der in der Korrumpierung von Teilen des Widerstandes bestand, zeigt, daß die Besatzer es auch anderes können. Was Obama nun gegenüber den Taliban probiert, hat Bush gegenüber den sunnitischen Rebellen vorgeführt. Eine neue Strategie der Unterwerfung.

* Aus: junge Welt, 10. März 2009

US-Vizepräsident Biden ruft NATO zu Eintracht in Afghanistan auf

US-Vizepräsident Joe Biden hat das westliche Bündnis zu einem gemeinsamen Vorgehen in Afghanistan aufgerufen. Die vom Terrornetz Al Kaida und anderen extremistischen Gruppen ausgehende Instabilität bedrohe alle Mitglieder der NATO gleichermaßen, sagte Biden am 10. März vor dem Nordatlantikrat der Militärorganisation in Brüssel.

Vor den Botschaftern der 26 Mitgliedsstaaten sagte Biden: "Die sich verschlechternde Situation in der Region stellt aus unserer Sicht nicht nur für die Vereinigten Staaten eine Sicherheitsbedrohung dar, sondern für jeden einzelnen Staat an diesem Tisch." Der Regierung von US-Präsident Barack Obama sei sehr daran gelegen, die Verbündeten in die Diskussionen über die globale Sicherheit einzubeziehen, und grenzte die neue Strategie von der Politik der Bush-Administration ab.

"Präsident Obama und ich sind der NATO eng verbunden", sagte Biden. "Lasst uns dies von Anfang an deutlich machen."" Ein Terroranschlag in Europa wäre für die US-Regierung auch ein Angriff auf die Vereinigten Staaten, sagte der Gast aus Washington.

Biden sagte, er sei nach Brüssel gekommen, um von den Verbündeten Vorschläge zur Afghanistan-Strategie anzuhören. Aus seiner Delegation verlautete, der Vizepräsident werde keine konkreten Forderungen nach der Entsendung zusätzlicher Truppen seitens der europäischen Verbündeten stellen. Die USA wollen 17.000 zusätzliche Soldaten nach Afghanistan schicken. Dort sind bereits 38.000 US-Soldaten sowie 25.000 Soldaten aus weiteren NATO-Staaten im Einsatz.

Nach Meldungen von Nachrichtenagenturen, 10. März 2009

The Vice President on Afghanistan at NATO

In Brussels today at NATO Headquarters, Vice President Biden stated his purpose at the meeting: "I came to listen."

"What we want to learn is what your countries believe are working, what you think is not working, how we can do a better job in stopping Afghanistan and Pakistan from being a haven for terrorists. And the United States believes that we share a vital security interest in meeting that challenge."

The Vice President emphasized how much value he and the President see in America’s alliances, and explained from experience how consensus can be built not just amongst international governments, but amongst the peoples of those countries:

"I had been a United States senator for 36 years before becoming Vice President. I have made multiple trips to this building. I've observed when we consult, when we genuinely consult, when we internally argue and bang out our differences, we generate the kind of consensus that our political leadership needs to take to our own people to make the case about what we've decided."

The Vice President was also asked about the new strategy being considered by the President in Afghanistan of talking with moderate elements of the Taliban:

"Well, let me just say -- and to paraphrase Secretary Holbrooke, our Special Envoy, and I agree with his assessment after numerous visits to the region and throughout the country -- 5 percent of the Taliban is incorrigible, not susceptible to anything other than being defeated. Another 25 percent or so are not quite sure, in my view, the intensity of their commitment to the insurgency. And roughly 70 percent are involved because of the money, because of them being -- getting paid."

"To state the obvious, as you know, the Taliban, most of whom are Pashtun -- you have 60 percent of the Pashtun population in Pakistan; only 40 percent live in Afghanistan. The objectives that flow from Kandahar may be different than Quetta, may be different than the FATA. So it's worth exploring."

"The idea of what concessions would be made is well beyond the scope of my being able to answer, except to say that whatever is initiated will have to be ultimately initiated by the Afghan government, and will have to be such that it would not undermine a legitimate Afghan government. But I do think it is worth engaging and determining whether or not there are those who are willing to participate in a secure and stable Afghan state."

Source: Website of the White House; www.whitehouse.gov




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