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UNO ruft auf zu einer weltweiten Waffenruhe für die Dauer der Spiele / NATO beginnt Großoffensive in Afghanistan

Erklärung des UN-Generalsekretärs Ban Ki-moon im Wortlaut / 12 afghanische Zivilpersonen starben bei NATO-Raketenangriff


UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon: Erklärung zur Olympischen Waffenruhe

BONN, 12. Februar (UNO-Informationszentrum) – Mit dem Beginn der XXI. Olympischen Winterspiele in Vancouver rufen die Vereinten Nationen und die Olympische Bewegung erneut zu einer weltweiten Waffenruhe für die Dauer der Spiele auf. Die Olympische Waffenruhe birgt die Hoffnung auf eine zumindest vorübergehende Pause von Gewalt und bewaffneten Konflikten. Sie macht auch auf einen schrecklichen Widerspruch aufmerksam: Bei den Olympischen Spielen und während des ganzen Jahres ehren wir zu recht die herausragenden Leistungen der Athleten und die positiven sozialen Werte des sportlichen Wettkampfs, wie etwa Teamgeist und Fairness. Allzu oft aber fügen wir in Kriegen Menschen und unseren gemeinsamen Werten fürchterlichen Schaden zu.

Frieden und Stabilität sind unabdingbar, damit Menschen ihr volles Potenzial entfalten können. Die Olympische Waffenruhe beruht auf dieser Sehnsucht und auf Ideen, die von den Vereinten Nationen und der Olympischen Bewegung geteilt werden: globale Freundschaft, Harmonie, Gewaltfreiheit und Nicht-Diskriminierung. Ich schließe mich daher der Generalversammlung der Vereinten Nationen, dem Internationalen Olympischen Komitee und der Olympischen Bewegung an und rufe alle kriegsführenden Parteien weltweit auf, ihre Waffen während der XXI. Olympischen Winterspiele niederzulegen. Lassen Sie uns mit der Olympischen Waffenruhe beginnen und sie auch nach dem Ende der Spiele und der Verleihung der Medaillen fortführen.

Quelle: Deutsche UNO-Website, UNRIC/315; www.unric.org/de


Gold für Obama

Appell der Vereinten Nationen zur Waffenruhe am schnellsten gebrochen: US-Armee startet Großoffensive in Afghanistan kurz vor Beginn der Olympischen Winterspiele

Von Rüdiger Göbel *

Barack Obama hat die erste Goldmedaille der XXI. Olympischen Winterspiele verdient. Pünktlich zur Eröffnungsfeier im kanadischen Vancouver gab der Oberkommandierende in der Nacht zum Samstag (13. Feb.) den Angriffsbefehl auf die südafghanische Stadt Marja. Der Appell von UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon, wenigstens für die Zeit des internationalen sportlichen Wettbewerbs die Waffen schweigen zu lassen, verhallte ungehört.

Die Operation »Muschtarak« (Gemeinsam) in der Provinz Helmand soll die Wende am Hindukusch bringen. Unter den 80000 Einwohnern in Marja hätten sich 1000 Aufständische versteckt, verbreitete die NATO im Vorfeld des Großangriffes. Spiegel online schwadronierte vom »Herzland der Taliban«. Nach NATO-Angaben sind 15000 Soldaten aus den USA, Afghanistan, Großbritannien, Dänemark, Estland und Kanada an der größten Offensive seit Beginn der Invasion im Jahr 2001 beteiligt. Sie sollen die unisono als »Taliban- und Opiumhochburg« bezeichnete Stadt zügig einnehmen, sie sichern und eine dem Besatzerregime loyale Verwaltung installieren.

Am Sonntag (14. Feb.) erklärte eine britische Armeesprecherin, die NATO-Kommandeure seien »sehr zufrieden« mit dem Beginn der Offensive. Die Hauptbevölkerungszentren und Infrastrukturen wie Polizeiwachen seien gesichert. Den Berichten zufolge soll es nur sporadischen Widerstand gegen die militärisch überlegenen Angreifern geben.

US-Marineinfanteristen und afghanische Soldaten gingen von Haus zu Haus und räumten Sprengfallen. Nach US-Militärangaben wurden bis Sonntag zwei NATO-Soldaten getötet. Ein Brite starb bei einem Bombenanschlag auf sein Militärfahrzeug nördlich von Marja, ein US-Soldat bei Gefechten. Zugleich war von 27 getöteten Aufständischen die Rede. Angaben über zivile Opfer und die Zahl der Flüchtlinge wurden nicht gemacht. Die Taliban erklärten dagegen, beim Angriff gegen US-Truppen auf einem Platz in Marja seien sechs Amerikaner getötet worden.

Mit den NATO-Truppen kommen Kabuls Kollaborateure. Laut New York Times steht ein großes Team afghanischer Beamter bereit, um sofort nach dem Ende der Kämpfe eine Stadtregierung zu bilden. »Wir haben eine komplette Regierung dabei, die sofort einrücken kann«, sagte US-General Stanley McChrystal, Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte in Afghanistan.

Für die Zeit nach der Einnahme werden blühende Landschaften in Aussicht gestellt, ausgerechnet von Vertretern der durch Korruption und Wahlfälschung im Amt gehaltenen afghanischen Regierung. »Diesmal machen wir alles richtig«, wurde Verteidigungsminister Abdul Rahim Wardak von den Agenturen zitiert. Nach der Offensive würden Schulen, Krankenhäuser und ein Rechtssystem in Marja aufgebaut. Die Bauern sollen dabei unterstützt werden, den Anbau von ­Opium auf Feldfrüchte umzustellen.

US-Präsident Obama läßt sich in Washington kontinuierlich über den Stand der Offensive in Südafghanistan unterrichten. Der Präsident werde laufend über Einzelheiten des Einsatzes informiert, betonte Regierungssprecher Tommy Vietor am Wochenende – ebenso natürlich über den Medaillenspiegel von Vancouver.

* Aus: junge Welt, 15. Februar 2010

Zwölf Zivilpersonen bei NATO-Angriff in Afghanistan getötet

Bei der Großoffensive der NATO im Süden Afghanistans sind versehentlich zwölf Zivilpersonen getötet worden. Zwei gegen Aufständische gerichtete Raketen hätten ihr Ziel verfehlt und ein Wohnhaus getroffen, teilte der NATO-Oberkommandierende in Afghanistan, General Stanley McChrystal, am Sonntag (14. Feb.) mit. Man habe sich bei Präsident Hamid Karsai für den bedauernswerten Zwischenfall entschuldigt. McChrystal rechtfertigte die gegenwärtige Großoffensive als notwendigen Beitrag zur Wiedererlangung von Sicherheit und Stabilität im Süden des Landes. Karsai erklärte, bei dem Angriff seien zehn Mitglieder derselben afghanischen Familie getötet worden.
Nachrichtenagentur AP, 14. Februar 2010




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