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Exit für Polizisten

Ausbildung von Sicherheitskräften in Afghanistan ein "Desaster". Bund Deutscher Kriminalbeamter kritisiert Korruption und westliche Arroganz. Abzug bis 2016 gefordert

Von Frank Brendle *

Kurz vor der Afghanistan-Konferenz in London hat der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) ein Positionspapier zum Einsatz von Polizisten in Afghanistan veröffentlicht. Während die Bundesregierung noch mehr deutsche Beamte zur Ausbildung afghanischer Kollegen entsenden will, äußert der BDK starke Vorbehalte und benennt »Gründe des Scheiterns« der Mission. Der Verband fordert, bis zum Jahr 2016 alle Polizisten abzuziehen.

Zwar wird konzediert, der Einsatz sei »sehr wichtig und notwendig«. Jedoch sei die Sicherheitslage schlechter geworden, und mit zunehmender Dauer schwinde die Zustimmung bei der zivilen afghanischen Bevölkerung, genauso wie in Deutschland.

Eines der Hauptprobleme sieht der BDK in der »allumfassenden Korruption«. Die Afghanische Nationalpolizei (ANP) genieße nur geringes Ansehen und sei für »Straßenräuber-Abzockerei« an Checkpoints bekannt. Die Grenzpolizei verdiene am Drogengeschäft mit und lasse Lastwagen voller Opium ungehindert passieren. Der im Jahr 2009 verzeichnete leichte Rückgang der Opiumanbaufläche und -produktion sei kein Erfolg der Polizei, sondern auf einen »Verfall des Marktpreises« infolge früherer Überproduktion zurückzuführen.

Das schlechte Ansehen der ANP drohe, auf die deutsche Polizei abzufärben, etwa wenn sie in verarmten Regionen »ein neues schickes Polizeigebäude« baue oder Uniformierte unterstütze, die dafür bekannt seien, »die Bevölkerung abzukassieren«. »Da haben die Taliban leichtes Spiel«, so der BDK. In der Provinz Kundus hätten »wir« bereits die meisten Distrikte verloren.

Halbwegs positiv beurteilt der Verband lediglich die sogenannte Distrikt­ausbildung, bei der ein Jahr lang Polizeiposten vor Ort ausgebildet und Infrastrukturprogramme in den umliegenden Ortschaften durchgeführt werden. Dabei werden gemischte Teams aus Polizisten und Feldjägern eingesetzt. Damit müsse jedoch Schluß sein, fordert der BDK. Aus Sicherheitsgründen sollten deutsche Polizisten nur noch in gesicherten Trainingszentren arbeiten und dort geeignete afghanische Beamte nach dem Motto »Train the Trainer« ausbilden. Der BDK verweist auf andere Besatzungszonen, in denen afghanische Polizisten von NATO-Soldaten oder von Söldnerfirmen wie Blackwater begleitet werden - wie das auf die Bevölkerung wirkt, darüber sagt der Verband allerdings nichts.

Einer der Gründe für das »Desaster« der bisherigen Ausbildungsarbeit sieht der BDK in »westlicher Arroganz«. Außerdem mischten in der Polizeiausbildung etliche Organisationen und Staaten mit, es gebe aber weder ein koordiniertes Vorgehen noch überprüfbare Zielfestlegungen. Der BDK fordert nun einen »Masterplan«. Bis Januar 2016 müßten die internationalen Polizisten abgezogen werden.

* Aus: junge Welt, 25. Januar 2010


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