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Dienst am Hindukusch auf Abruf

Hessische Polizei-Personalräte fordern Einspruchsmöglichkeit / Klage vorerst gescheitert

Von Hans-Gerd Öfinger, Wiesbaden *

Eine Klage gegen den Afghanistan-Einsatz hessischer Polizisten vor dem hessischen Verwaltungsgericht ist gescheitert. Grund ist ein »Formfehler«.

Mit der Einstellung des Verfahrens endete am Freitag der Rechtsstreit, den der Personalrat der hessischen Bereitschaftspolizei angestrengt hatte. Zuvor hatte sich das zuständige Polizeipräsidium seit Jahresbeginn zweimal über dessen Einwände gegen eine Abordnung hessischer Polizeibeamter nach Afghanistan hinweggesetzt. Stattdessen hatte die Behörde jeweils neue vorläufige Abordnungsverfügungen für den Einsatz ausgestellt.

Der Personalrat sah darin eine Missachtung seiner Mitbestimmungsrechte. So habe er im vergangenen Februar erst Tage nach dem Einsatzbeginn eines hessischen Polizisten in Afghanistan und rein zufällig von dem Vorgang erfahren, beklagte der Personalratsvorsitzende bei der hessischen Bereitschaftspolizei, Roland Kramer, in der Gerichtsverhandlung. Der Personalrat habe sich zur Klage entschlossen, um grundsätzlich klären zu lassen, dass deutsche Polizeibeamte in einem solchen Kriegsgebiet nichts zu suchen hätten. Eine Ausbildung afghanischer Polizeikräfte könne in Deutschland oder in einem sicheren Drittland stattfinden, argumentieren sie.

Nach Eingang der dritten vorläufigen Verfügung hatte der Personalrat der Bereitschaftspolizei allerdings auf Anraten des übergeordneten Hauptpersonalrats auf fristgemäßen Widerspruch verzichtet. Er habe darauf gesetzt, dass die Angelegenheit im gestrigen Hauptverfahren vor dem Verwaltungsgericht entschieden werde und ein zusätzlicher Widerspruch nicht erforderlich sei. Dieses als »Verfahrensfehler« gewertete Versäumnis bot dem Verwaltungsgericht am Freitag Anlass zur Einstellung des Verfahrens.

Gleichwohl bescheinigte der Vorsitzende Richter dem zuständigen Polizeipräsidium und dem seit elf Jahren vom designierten hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) geleiteten Landesinnenministerium schwere Fehler und Schlampereien bei der Einhaltung von Fristen und im Umgang mit den gesetzlich verankerten Mitbestimmungsrechten des Personalrats. Der Richter forderte das Innenministerium auf, die vom Personalrat in einem Fragenkatalog aufgelisteten Belange der Polizeibeamten im Zusammenhang etwa mit schweren Verletzungen bei einem Afghanistan-Einsatz »gesetzlich sauber zu regeln« und Fürsorgeregelungen in das Hessische Beamtengesetz aufzunehmen.

Der Konflikt um die Entsendung hessischer Polizisten ist nun weiter Gegenstand eines Stufenverfahrens. Dabei werden die zwischen Personalräten und Dienststellen offenen Fragen auf die nächsthöhere Dienstebene, also Hauptpersonalrat und Innenministerium, übertragen.

* Aus: Neues Deutschland, 14. August 2010


Formalie mit Folgen

Von Uwe Kalbe **

Zwar ist es nur eine Formsache, für die ein hessischer Polizei-Personalrat gestritten hat, um an einer anderen Formsache zu scheitern. Seine Mitbestimmung bei der Entsendung von Polizisten nach Afghanistan hätte nur die Spielregeln verfeinert. Die Ausbildung afghanischer Polizisten ist das Feigenblatt für die Apologeten des NATO-Einsatzes, die unter der Wucht der Erkenntnis ihres Scheiterns nun wenigstens das Gesicht wahren wollen – seht, wir haben alles für ein zivilisiertes Rechtssystem getan, nur die Afghanen nutzen es nicht. Für eine nach westlichen Regeln organisierte Polizei in Afghanistan mag manches sprechen. Aber die Afghanen hatten sie nicht bestellt und auf den Trümmern eines Krieges ist es sehr fraglich, was sich durchsetzt – westliche Sicht auf Ordnung und Sicherheit oder althergebrachtes Selbstverständnis.

Die Klage ist dennoch ein Signal. An (nicht nur) hessische Behörden, deren Umgang mit ihren Untergebenen die gleiche Arroganz ausstrahlt, mit der die Politik den Afghanistan-Einsatz von Anfang an behandelt hat. Dass mit Hessens Innenminister Bouffier ein künftiger Ministerpräsident ins Rampenlicht gerät, ist dabei besonders pikant. Vor allem jedoch steht die Frage der Kläger noch im Raum: Wird die Ausbildung nicht Teil des Militäreinsatzes, wenn sie vor Ort statt auf neutralem Boden geschieht?

** Aus: Neues Deutschland, 14. August 2010 (Kommentar


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