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Nachschub für Erben des Untergangs

Moskau lässt US-Basis schließen und schafft selbst Güter nach Afghanistan

Von René Heilig *

Noch am Sonntag (15. Feb.) hatte Russlands Präsident Dmitri Medwedjew die Afghanistan-Veteranen zum 20. Jahrestag des Abzugs der Sowjet-Truppen beglückwünscht. Nun hilft Russland seinen Erben dabei, dieselben Fehler zu wiederholen.

Nein, Russland kämpft nicht selbst.

Es hilft nur anderen beim Kämpfen. So wie es Deutschland tat und tut, wenn es seine Logistik- Kapazitäten in den Dienst der US-Truppen in Irak stellt. In den nächsten Tagen, so der russische Außenminister Sergej Lawrow in Moskau, startet in Lettland ein NATO-Nachschub-Zug, der »nichtmilitärische « Güter quer durch Russland in Richtung Afghanistan befördert.

Die USA hatten unlängst um die Beförderung ihres Nachschubs ersucht und Russland habe dies zugelassen, »weil das unseren Vereinbarungen mit der NATO entspricht«, sagte Lawrow. Russland und die NATO hatten im April 2008 ein entsprechendes Rahmenabkommen über den Transit nach Afghanistan geschlossen.

Dass die USA Schwierigkeiten beim Afghanistan-Nachschub haben, bestätigte in der vergangenen Woche auch der US-Geheimdienstdirektor Dennis Blair vor dem einschlägigen Senatsausschuss in Washington. Moskau habe, so Blair, die USA vom Luftwaffenpunkt Manas in Kirgistan verdrängt. Die US-Basis war im Dezember 2001 mit Zustimmung der UNO zur Unterstützung der Operation »Enduring Freedom« eingerichtet worden. Derzeit sind dort neben Transportmaschinen und Logistik- Technik rund 1000 US-Soldaten stationiert.

Doch Russland mag keine westlichen Stützpunkte an seinen Grenzen dulden. Also hatte man Kirgistans Präsident Kurmanbek Bakijew Anfang Februar bei Verhandlungen in Moskau überzeugt, das Abkommen mit den USA über den Stützpunkt aufzukündigen.

Zur gleichen Zeit verhandelte Moskau aber schon über die Durchleitung des US-Nachschubs von der Ostsee bis zum Hindukusch. Während vor allem Militärexperten in Moskau warnen, die USA würden auch jetzt unter der Obama-Regierung die Fehler wiederholen, die die Sowjetunion immer stärker in den afghanischen Strudel gezogen haben, unterstützt die Moskauer Führung die ungeliebte NATO bei der Ausweitung des Krieges.

Auch Deutschland könnte seine Truppen in Afghanistan ohne russische Hilfe nicht versorgen. Mit Hilfe von Salis, einem russisch-ukrainischen Unternehmen, das stets Transportmaschinen abrufbereit auf dem Airport in Leipzig stationiert hat, werden Versorgungsgüter, Waffen und Munition nach Afghanistan geflogen.

Demnächst kann der Nachschubbedarf steigen, denn Deutschland stockt seine Militärpräsenz in Afghanistan um rund 600 Soldaten – also um ein Bataillon – auf. So versucht man die für den 20. August geplante Präsidentenwahl abzusichern. Die zusätzlichen deutschen Soldaten sollen unter anderem die bisher 200 Mann starke Quick Reaction Force der Bundeswehr aufstocken. Auch andere NATO-Länder werden sich an der Verstärkung der ISAF-Truppe beteiligen.

* Aus: Neues Deutschland, 17. Februar 2009

Nachschub stockt

Von René Heilig **

Die Route von der südpakistanischen Hafenstadt Karachi über Peshawar und den Khyber-Pass ist die wichtigste Nachschubroute für die Internationale Schutztruppe ISAF und die US-geführten Koalitionstruppen in Afghanistan. Bereits mehrmals wurden Konvois auf dem Pass angegriffen. Die Militärs stellten sich darauf ein: Die Lastwagen, die all das transportieren, was westliche Soldaten zum Kämpfen und Leben brauchen, müssen nun über Nacht in den angeblich sicheren Depots am Stadtrand von Peshawar parken. Doch es war nur eine Frage der Zeit, bis die NATO-Widersacher genau diese Wagenburg als Schwäche ihrer Feinde und damit als Angriffsziel ausmachten.

Klar, aus zahlreichen Partisanenkämpfen weiß man: Kriege werden selten an der Front – die es in Afghanistan ohnehin nicht nach klassischem Militärakademie-Muster gibt –, sondern oft im Hinterland verloren. Nach der erfolgreichen Attacke kommt nun so einiges auf die »Befreier« Afghanistans zu. Erstens müssen sie sich Gedanken darüber machen, wie ihre Fracht sicher durch unwägbare Gelände gebracht werden kann. Zweitens wird der Frachtraum knapp. Drittens steigen – ob des gewachsenen Risikos – Fracht- und Versicherungskosten. Viertens ist die moralische Wirkung nicht zu unterschätzen. Sicher, die westliche Koalition und die Gier nach noch mehr Profit sind stark genug, um jetzige und vermutlich noch kommende Verluste auszugleichen. Doch diese Stärke mit der Chance auf einen Sieg über mehrere Dutzend Völkerschaften in Afghanistan zu verwechseln, wäre trügerisch.

** Aus: Neues Deutschland, 9. Dezember 2008




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